Ist das Kreuz eine Frage für Gerichte? – Warum machen Sie Wahlkampf für die CDU? – Ein Interview mit Pater Franz Schmidberger von der Piusbruderschaft:


Das Kreuz darf in Ita­li­ens Schu­len blei­ben. Der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) gab Ita­li­en Recht in der Cau­sa Laut­si gegen Ita­li­en. Ihre erste Reak­ti­on, als Sie von die­ser ganz Euro­pa betref­fen­den Ent­schei­dung hörten?

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Wir haben die Ent­schei­dung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs für Men­schen­rech­te mit Genug­tu­ung und Erleich­te­rung zur Kennt­nis genom­men. War­um sage ich nicht mit Freu­de? Weil es eigent­lich kei­ne Ange­le­gen­heit eines mensch­li­chen Gerich­tes ist, dar­über zu befinden.

Ist das Kreuz eine Fra­ge für die Gerich­te? Oder aus einem etwas ande­ren Blick­win­kel: Wie kommt es, daß die reli­giö­se und kul­tu­rel­le Iden­ti­tät Euro­pas Gegen­stand gericht­li­cher Ver­hand­lun­gen ist?

Ob Gott uns erschaf­fen durf­te, ob er uns an einem Kreuz von unse­ren Sün­den erlö­sen will, ist kei­ne Fra­ge für mensch­li­che Gerich­te und Mehr­heits­be­schlüs­se, genau­so­we­nig wie die Fra­ge, ob seit dem Opfer von Kal­va­ria das Heil eines jeden Men­schen von sei­ner Nähe zum Kreuz und zu Jesus, dem Gekreu­zig­ten, abhängt. Dies ist genau­so objek­tiv vor­ge­ge­ben wie die Tat­sa­che, daß zwei­mal zwei vier ist. Aber wie schon beim Tode Jesu, wo Men­schen über Gott zu Gericht saßen, so ist es auch heu­te. Der säku­la­ri­sier­te Zeit­ge­nos­se macht sich in der Abtrei­bung, in der künst­li­chen Befruch­tung und Eutha­na­sie nicht nur zum Herrn über Leben und Tod; er will sich sogar über Gott stel­len und dem Schöp­fer und Erlö­ser dik­tie­ren, was er zu tun und zu las­sen hat. Die reli­giö­se und kul­tu­rel­le Iden­ti­tät Euro­pas wird vor Gerichts­hö­fe gezerrt, weil das erste Gebot Got­tes außer Kraft gesetzt wor­den ist: Du sollst den Herrn, dei­nen Gott, anbe­ten und ihm allein dienen.

Seit Jah­ren wer­den reli­giö­se Sym­bo­le inten­siv im Rah­men mensch­li­cher Geset­ze dis­ku­tiert. Wie steht es aber um das gött­li­che Recht?

Der Mensch ist ein Wesen aus Leib und See­le bestehend. Das Gei­sti­ge, die See­le, ist dabei selbst­re­dend das Wich­ti­ge­re, sie ist die Form des Lei­bes. Sie spricht sich im Leib aus. Folg­lich gehört nicht nur der in der See­le ver­an­ker­te Glau­be zum Natur­recht, son­dern auch der gesam­te sinn­li­che Aus­druck die­ses Glau­bens, also die Gestik, das Sym­bol, der Ritus. Ande­rer­seits sind die­se sinn­li­chen Zei­chen Schutz und Trä­ger des Gei­sti­gen, ins­be­son­de­re des Glau­bens. Durch die kör­per­li­che Knie­beu­ge vor dem aller­hei­lig­sten Sakra­ment bezeu­ge ich, daß Chri­stus hier wahr­haft, wirk­lich und wesen­haft gegen­wär­tig ist. Reli­giö­se Sym­bo­le gehö­ren also sehr wohl zum gött­li­chen Recht, das durch mensch­li­ches Recht allen­falls prä­zi­siert, aber nie­mals auf­ge­ho­ben oder der Belie­big­keit preis­ge­ge­ben wer­den kann.

Ist die Fra­ge des Kreu­zes nur eine des Sub­si­dia­ri­täts­prin­zips zu den ein­zel­nen Mit­glieds­staa­ten (im kon­kre­ten Fall zu Italien)?

Das gan­ze heu­ti­ge Euro­pa hat sei­ne Wur­zeln im Chri­sten­tum, ob es sich um die Län­der roma­ni­scher, ger­ma­ni­scher, angel­säch­si­scher oder sla­wi­scher Spra­che han­delt, und folg­lich geht es nicht um Son­der­rech­te, son­dern um das Bekennt­nis zu unse­rem Erbe, das all­zu­vie­le Euro­pä­er in fri­vo­ler Wei­se verschleudern.

War das erste Urteil des EGMR von 2009, das Anti-Kreuz­ur­teil, wirk­lich das Ergeb­nis einer miß­ver­stan­de­nen Tren­nung von Staat und Kir­che, die da meint, man müs­se jeg­li­chen reli­giö­sen und kul­tu­rel­len Bezug nicht nur ver­mei­den, son­dern sogar zurück­wei­sen, um die Gefüh­le ande­rer nicht zu verletzen?

Wir sind und blei­ben Erben des christ­li­chen Abend­lan­des, das kei­ne Tren­nung von Staat und Kir­che, son­dern eben gera­de ein har­mo­ni­sches Zusam­men­wir­ken von bei­dem zum Woh­le des zeit­li­chen und noch mehr des ewi­gen Glückes des Men­schen gekannt hat. Wir beken­nen uns aus­drück­lich zu die­ser Tra­di­ti­on. Außer­dem ist das Kru­zi­fix der voll­kom­men­ste Aus­druck der voll­kom­me­nen Lie­be Got­tes und auch des Mit­men­schen. Kein ver­nünf­ti­ger Mensch kann sich dadurch ver­letzt fühlen.

Wie defi­niert sich die Reli­gi­ons­frei­heit im Sin­ne der Menschenrechte?

Die Kir­che hat immer gelehrt, nie­mand dür­fe zum Glau­ben gezwun­gen wer­den, und nie­mand darf auch im pri­va­ten Bereich in sei­nen reli­giö­sen Über­zeu­gun­gen gehin­dert wer­den. Anders steht es mit dem öffent­li­chen Bereich. Hier kann und muß sehr oft die Regie­rung den Irr­tum um eines grö­ße­ren Gutes wil­len dul­den, aber sie kann ihm nie ein Natur­recht zuspre­chen. Selbst­ver­ständ­lich wird in einer mul­ti­kul­tu­rel­len und mul­ti­re­li­giö­sen Welt das Prin­zip der Tole­ranz immer häu­fi­ger und aus­ge­dehn­ter ange­wen­det wer­den müs­sen; im letz­ten ist dies aber eine Fra­ge der Klug­heit der staat­li­chen Autorität.

Wie wer­ten Sie die gehäuf­ten Angrif­fe in ver­schie­de­nen Län­dern gegen christ­li­che Sym­bo­le (auch in Bay­ern und Öster­reich)? Die Klä­ger gehö­ren auf­fal­lend häu­fig dem orga­ni­sier­ten Athe­is­mus an, einer win­zig klei­nen Gruppe.

Mili­tan­ter Athe­is­mus, wie ihn zum Bei­spiel Herr Daw­kins in Groß­bri­tan­ni­en ver­tritt, macht sich gera­de in ehe­mals tief­christ­li­chen Län­dern bemerk­bar. Es wür­de uns nicht wun­dern, wenn eines Tages der Nach­weis geführt wer­den könn­te, daß es sich hier um ein Netz­werk von anti­kirch­li­chen Geheim­ge­sell­schaf­ten und Sek­ten han­delt, die schon vor mehr als 200 Jah­ren in der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on den gesalb­ten König auf das Scha­fott brach­ten und einer nack­ten Dir­ne auf dem Altar von Not­re Dame als Göt­tin Ver­nunft huldigten.

Sind die Angrif­fe auf die christ­li­chen Sym­bo­le mit der Ent­schei­dung des EGMR beant­wor­tet und Vergangenheit?

Viel­leicht war die Ent­schei­dung des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes bei der jet­zi­gen Atmo­sphä­re des Säku­la­ris­mus noch das Höch­ste, was man an Posi­ti­vem erwar­ten konn­te. Natür­lich wer­den die alten Teu­fel nicht ruhen und bei nächst­be­ster Gele­gen­heit wie­der auf den Plan tre­ten, wobei sie durch den Angriff auf die christ­li­chen Sym­bo­le ins­be­son­de­re den Glau­ben an Gott zum Ein­sturz brin­gen wol­len, durch den Angriff auf die christ­li­che Moral in beson­de­rer Wei­se die Got­tes­eben­bild­lich­keit des Men­schen, also das christ­lich-abend­län­di­sche Menschenbild.

Die jüdisch-kom­mu­ni­sti­sche Schrift­stel­le­rin Nata­lia Ginz­burg schrieb 1988 im Organ der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens, daß das Kreuz kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­le, weil es Aus­druck der christ­li­chen Revo­lu­ti­on sei, die auch der Idee der Gleich­heit der Men­schen zum Durch­bruch ver­half. Das deut­sche Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt erklär­te 1995 die baye­ri­sche Vor­schrift, das Kreuz in allen Grund­schul­klas­sen aus­zu­stel­len, als ver­fas­sungs­wid­rig und begrün­de­te dies aus­drück­lich mit dem Arti­kel 4 zur Reli­gi­ons­frei­heit im deut­schen Grund­ge­setz. Der katho­li­sche Schrift­stel­ler Vitto­rio Mess­o­ri akzep­tier­te damals das Urteil mit der Begrün­dung: „Ich bin Christ und Papist, aber das Chri­sten­tum ist nicht der Islam: Es zwingt den Glau­ben nicht auf, son­dern bie­tet ihn an. Wenn jemand das Kreuz sucht, muß er frei sein, es zu fin­den, wenn er sich frei dazu ent­schließt, dies zu tun. Gott ist für den Islam Zwang, für das Chri­sten­tum ist er Geschenk und Über­ra­schung“. Ihre Ergän­zung, Ihr Widerspruch?

Das Kreuz ist Aus­druck der Über­win­dung des alten Hei­den­tums durch die katho­li­sche Wahr­heit und die christ­li­che Lie­be. Es ist Aus­druck der Herr­schaft Got­tes über sei­ne Schöp­fung, der Lie­be des Erlö­sers zu sei­nen Geschöp­fen. Nicht umsonst sagt Erz­bi­schof Lefeb­v­re in sei­nem Geist­li­chen Weg­wei­ser [1]Gemeint ist der III. Son­der­druck aus Lefeb­v­re, Mar­cel: Damit die Kir­che fort­be­stehe, Stutt­gart Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. 1992: „Des­halb ist in den Plä­nen der unend­li­chen Weis­heit Got­tes das Kreuz Jesu für die Ver­wirk­li­chung der Erlö­sung, der Neu­erschaf­fung, der Erneue­rung der Mensch­heit die voll­kom­me­ne, tota­le, end­gül­ti­ge, ewi­ge Lösung, durch die alles gelöst wird.“

Wir kön­nen und wol­len nie­man­den zum Glau­ben zwin­gen, wie schon gesagt. Aber wir pre­di­gen mit Über­zeu­gung das Kreuz, das Blut Chri­sti als den ein­zi­gen Weg zum Heil des Men­schen. Die Kir­che ist mis­sio­na­risch und lädt dar­um alle Men­schen mit Nach­druck auf den Weg des Heils ein. Ein unver­bind­li­ches Ange­bot ent­sprach nie ihrer Haltung.

Herr Pater: War­um machen Sie Wahl­kampf für die CDU?

Wir machen nicht Wahl­kampf für die CDU, son­dern set­zen uns in beson­de­rer Wei­se in Baden-Würt­tem­berg gegen die mög­li­che Bil­dung einer Links­ko­ali­ti­on zur Wehr, weil die­se Kräf­te einem anti­christ­li­chen Pro­gramm ver­pflich­tet sind und ein anti­christ­li­ches Ziel verfolgen.

(Die Fra­gen stell­ten Giu­sep­pe Nar­di und Linus Schnei­der, Bild: Die­ter Volkerts)

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1 Gemeint ist der III. Son­der­druck aus Lefeb­v­re, Mar­cel: Damit die Kir­che fort­be­stehe, Stutt­gart Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. 1992
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