Liebe Brüder und Schwestern!
Bei dieser Audienz heute möchte ich über den heiligen Kirchenlehrer Alfons Maria von Liguori sprechen. Er wurde 1696 als Sohn einer neapolitanischen Adelsfamilie geboren und schloß schon mit 16 Jahren das Studium des zivilen und des kanonischen Rechts erfolgreich ab und wurde ein erfolgreicher Anwalt. Aber die Erfahrung von Korruption und Ungerechtigkeit, die er dabei machen mußte, erschütterte ihn so sehr, daß er diesen Beruf aufgab. Der Herr ließ ihn seine eigentliche Berufung entdecken: 1726 wurde er zum Priester geweiht und wandte sich besonders der armen Bevölkerungsschicht in Neapel zu. Seine eifrige Predigttätigkeit und die Gründung von Gebetskreisen wurden zu einer reichen Quelle moralischer Erziehung und gegenseitiger Hilfe, welche die Gesellschaft damals wesentlich verändert hat.
Der Zustand der religiösen Unwissenheit, in dem die Hirten und Bauern auf dem Land lebten, berührte ihn zutiefst. Er beschloß, sich dieser geistlichen Armut anzunehmen und gründete dazu 1732 die Kongregation der Redemptoristen. Er starb 1787. Papst Pius XII. ernannte ihn zum “Patron der Beichtväter und der Moraltheologen“. Der hl. Alfons, der viel Elend, Armseligkeit – auch menschliche Armseligkeit – erleben mußte, betonte, dass die Priester das sichtbare Zeichen der unendlichen Barmherzigkeit Gottes sein sollten, der vergibt und den Geist und das Herz des Sünders erleuchtet und ihm hilft, daß er sein Leben ändert. Er empfahl den Beichtvätern die Treue zur katholischen Morallehre und zugleich die Haltung des Verstehens und der Güte. Viele Menschen haben aus seinen Schriften für ihr Beten Hilfe erhalten. Beten war für ihn das eigentliche Zentrum der Bekehrung, des Werdens zu sich selbst. Er hat darüber gesagt: “Gott verweigert keinem die Gnade des Gebetes, mit dem er Hilfe erhält, um alle Begierde und Versuchung zu besiegen. Ich wiederhole und werde es wiederholen, solange ich lebe, daß unser Heil in einer Sache liegt: im Gebet. Wer betet, wird sicherlich gerettet.“ Und er hat diese Gebetskreise als Schulen des Gebetes und als Schulen des Menschseins aufgefaßt und damit einen Auftrag hinterlassen, den heute seine geistlichen Söhne weiter zu erfüllen versuchen, der uns aber alle angeht. Denn Neuevangelisierung heißt eben dies: Daß wir wieder neu Christen werden und so recht zu leben lernen. Dazu gehört vor allen Dingen, daß wir die Beziehung zu Gott erlernen, daß wir uns im Gebet von ihm anreden lassen und ihn anreden und so den Weg des Menschseins finden.
Von Herzen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger, heute besonders das Präsidium des Österreichischen Gemeindebundes. Danken wir dem Herrn, der in seiner Vorsehung zu allen Zeiten Heilige wie Alfons Maria von Liguori erweckt hat, die uns einladen, im Glauben zu wachsen und mit Liebe und Freude unsere christliche Berufung zu leben. Sie zeigen uns durch ihr Leben, daß die Bindung an die Wahrheit und an das Gute zur Reife und zur wahren Selbstverwirklichung führt. Der Herr schenke uns allen dazu seine Gnade.