Liebe Brüder und Schwestern!
In einer Reihe von Katechesen habe ich die Kirchenväter und die großen Theologen des Mittelalters vorgestellt und danach eine Reihe von großen Frauen angeschlossen. Unter all diesen Gestalten waren auch einige Kirchenlehrer. Ich möchte nun die Reihe der Kirchenlehrer zu Ende führen und beginne heute mit einer wichtigen Persönlichkeit, der heiligen Theresia von Jesus, oder Theresia von àvila, einer spanischen Kirchenlehrerin aus dem Karmelitenorden. Sie wurde 1515 in àvila geboren. Ihr ganzes Leben lang machte ihr ihre schwache Gesundheit zu schaffen. Daraus erwuchsen Anfechtungen und ein Kampf um ihre Berufung. Sie empfand das Klosterleben als anziehend und zugleich als bedrückend. »Der Böse gaukelte mir vor«, so sagte sie, »daß ich die Härten des Klosterlebens nicht ertragen könnte, weil ich so verwöhnt sei. Dagegen verteidigte ich mich mit den Leiden, die Christus durchgemacht hatte, weil es da nicht viel bedeuten würde, daß ich ein paar für ihn erlitt.« Hier erkennen wir einen Grundzug der Spiritualität dieser großen Mystikerin: Sie wurde sich bewußt, daß Jesus ihr nahe ist, daher suchte sie ihn in seinem Menschsein besser zu verstehen, indem sie ihn nachahmte oder ihm wie eine Braut dem Bräutigam zu gefallen versuchte. Man sieht ihren Mut, daß sie das Große wagen wollte und daß sie der Armseligkeit ihrer physischen Existenz die Heiterkeit des Glaubens, die Größe der Berufung und die Größe, die von Gott selbst herkommt, entgegensetzte. Theresia war 1535 als Zwanzigjährige in den Karmel von àvila eingetreten. Mit der Reifung ihres inneren Lebens kam dann die Gewißheit, daß man zu gewöhnlich in den Frömmigkeitsübungen dahinlebte, daß eine größere Kühnheit des Herzens, eine größere lebendige Hingabe an Gott, eine wirkliche Freundschaft mit ihm nötig sei. So hat sie eine Reform des Karmelordens angeregt, die in der Begegnung mit Johannes vom Kreuz ihre Gestalt gewonnen hat. Sie hat 1562 in àvila die erste Gemeinschaft der sogenannten Unbeschuhten Karmelitinnen geschaffen und dann weitere Klöster mit seiner Unterstützung in ganz Spanien aufgebaut. Auf der Reise von einer Klostergründung ist sie dann auch 1582 gestorben. Ihr ging es letzten Endes darum, wirklich Mensch zu werden, das Leben zu leben. Sie hatte einmal gesagt: »Ich lebe gar nicht«, weil sie in all den Dingen dahinlebte, die sind und mit denen man doch am Leben vorbeilebt. Und sie merkte, daß sie erst, wenn sie lebendig mit Gott in Berührung kommt, an das eigentliche Leben herankommt. Danach hat sie gesucht, und das spiegelt sich in ihren Schriften wider: Das Buch meines Lebens, Der Weg der Vollkommenheit und Die innere Burg, in der sie gleichsam die Reise nach Innen unternimmt und damit die Reise nach oben und damit das ganze Ausmaß des menschlichen Lebens durchmißt, so daß sie allen Zeiten etwas zu sagen hat, weil sie an das Eigentliche menschlichen Lebens herankam. Was will sie uns sagen? Sie hat vor allen Dingen sich mit dem Menschen Jesus befaßt, weil in dem Menschen Jesus der Gott, der lebendige Gott, den wir glauben, da ist und wir ihn gleichsam greifen können. Und sie will uns zur Freundschaft mit ihm hinführen, die im Gebet wächst und im Leben nach seinem Modell. Das ist es, was sie uns sagt: für Gott Zeit haben, nach Gott Ausschau halten, Gott suchen, ihn in Christus suchen, im Gebet ihm nahekommen und im Einsatz für die anderen ihm ähnlich werden. Wir wollen den Herrn bitten, daß er uns schenkt, daß auch etwas von dem Mut des Glaubens, der sie beseelt, uns anrührt und daß wir dann wirklich leben lernen.
Von Herzen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger, heute besonders die Druschki der katholischen sorbischen Jugend sowie mit großer Freude das Kölner Dreigestirn in Begleitung von Kardinal Meisner. Herzlich willkommen! Ich finde es schön, daß der Kölner Karneval bis nach Rom reicht. Das tiefe Gottvertrauen der heiligen Theresia, daß »Gott allein genügt«, wollen auch wir uns immer mehr zu eigen machen. Dazu schenke der Herr uns allen seine Gnade.