(Rom) Nach fast drei Wochen der Debatten und des Tauziehens verurteilt die Europäische Union endlich die antichristliche Gewalt und die Verletzungen der Religionsfreiheit der Christen. Die Verurteilung „leidet jedoch an einem übertriebenen Maß an Äquidistanz und verbaler Ausgeglichenheit“, wie Pater Bernardo Cervellera, der Chefredakteur von Asianews kommentiert. „Die Unfähigkeit der EU zu verstehen, was in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten geschieht, hängt damit zusammen, daß sie die eigenen christlichen Wurzeln ignoriert. Ohne eigene Identität fehlt jedoch die Fähigkeit, die Ereignisse und Zusammenhänge richtig zu deuten“, so Pater Cervellera.
Erstmals werden die Christen in einem EU-Dokument zumindest ausdrücklich als Opfer von Verfolgung und als Ziel gewalttätiger Angriffe genannt. Ein erster Anlauf war bereits im Januar nach dem Massaker in einer koptischen Kirche im ägyptischen Alexandria unternommen worden. Dieser wurde abgelehnt, weil die EU-Bürokraten noch immer die Christen nicht als Opfer anerkennen und die Christenverfolgung in mehreren Ländern nicht wahrhaben wollten. Im Januar beschränkte sich die EU darauf, lediglich allgemein von „religiösen Minderheiten“ zu sprechen.
Der gestern verabschiedete Text bezeichnet nun ausdrücklich „die Christen und ihre Kultstätten“ als Opfer „von religiöser Intoleranz und Diskriminierung“. Allerdings beeilen sich die EU-Verantwortlichen sofort bei den Opfern auch „moslemische Pilger und andere religiöse Gemeinschaften“ anzuführen.
„Bedenkt man, daß die Europäische Verfassung die christlichen Wurzeln Europas unterschlägt, erscheint die gestrige Erklärung fast eine Großleistung“, so Cervellera. Der Text kann aber nicht zufriedenstellen. Er versucht die Christenverfolgungen der Gewalt gegen andere religiöse Gruppen gleichzustellen. Das entspricht aber nicht den Tatsachen. Mindestens 70 Prozent aller Verfolgungen in der Welt trifft Christen. Diese erschreckenden und beeindruckenden Zahlen stammen vom Pew Research Center und sind nicht etwa tendenziöse Angaben von interessierter Seite. Die EU verweigert sich damit der Realität wegen eines mißverstandenen Neutralitätsprinzips. Vor allem ist es auch Affront gegen die verfolgten Christen.
Das Ausmaß der Christenverfolgungen ist so groß, daß Papst Benedikt XVI. am 20. Dezember 2010 bei seiner Weihnachtsansprache an die Römische Kurie erstmals in einer offiziellen Rede das Wort „Christianophobie“ gebrauchte.
Die EU-Erklärung zur Christenverfolgung und zur Religionsfreiheit der Christen geht nicht über einige allgemeine Feststellungen zur Verteidigung der Religionsfreiheit hinaus. Der Unterschied in der Sprache wird besonders deutlich, wenn man die EU-Erklärung mit der Ansprache des Papstes vor dem diplomatischen Corps vom 10. Januar 2011 vergleicht. Benedikt XVI. wandte sich an die Regierungen der Welt, und forderte Schutz und Sicherheit für die Christen, die Abschaffung ungerechter Gesetze, wie das berüchtigte Anti-Blasphemiegesetz in Pakistan, Erziehungsfreiheit und so weiter.
„Die Schüchternheit und das europäische Gestammel zur Verfolgung der Christen und zur Religionsfreiheit bilden das exakte Pendant zur vagen Haltung der EU gegenüber den Aufständen in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten und den sich abzeichnenden epochalen Umbrüchen“, so Pater Bernardo Cervellera. Die EU scheint unvorbereitet und unsicher, welche Haltung sie einnehmen soll. „Unter der Hand trauert man in nicht wenigen Hauptstädten weit mehr über die großartigen Wirtschaftsverträge, die mit gestürzten oder wankenden Diktatoren dieser Regionen abgeschlossen wurden“, so Cervellera. Die Christen und deren Schicksal in den betroffenen Staaten scheint dabei in Brüssel oder Straßburg ohnehin kaum jemand zu interessieren.
Wenn Europa „überrascht“ wurde von den Aufständen, „dann wohl vor allem wegen der eigenen Blindheit, die das Verhältnis zu diesen Staaten einzig auf wirtschaftliche Fragen reduzierte“, so der Chefredakteur von Asianews. „Die EU verwechselte all die Jahre die europäische Identität mit der eigenen Brieftasche. Und das ist ein bißchen wenig.“ Wie sollte es angesichts der ausgeprägten Selbstverleugnung auch anders sein. Die europäische Identität ist ohne das Christentum nicht denkbar. Dessen Leugnung bedeutet die Auslöschung der Identität.
Um so nachdrücklicher klingt der Aufruf Papst Benedikts XVI.: „Wenn Europa nicht seine christlichen Wurzeln wiederentdeckt, wird es stumm bleiben im Konzert der Nationen.“
(Giuseppe Nardi, Bild: Asianews)
Ich sage immer, das ist nicht meine EU. Warum? Weil es seine Wurzeln verleugnet.