Tradition, Alte Messe und Piusbruderschaft – Msgr. Guido Pozzo im Gespräch mit Radio Vatikan


(Vati­kan) Wo steht die Alte Mes­se heu­te? Gut drei Jah­re sind ver­gan­gen seit dem Inkraft­tre­ten des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum, mit dem Papst Bene­dikt XVI. die Lit­ur­gie nach den alten Büchern wie­der zuließ. Über die Umset­zung des Motu pro­prio wacht die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, genau­er gesagt die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei. Die­se ist auch zustän­dig für die Gesprä­che mit den Tra­di­tio­na­li­sten der Pius­bru­der­schaft. Über bei­de The­men – die Alte Mes­se und die Pius­bru­der­schaft – haben wir dem Sekre­tär der Kom­mis­si­on, Mons. Gui­do Poz­zo, gespro­chen. Eccle­sia Dei hat im ver­gan­ge­nen Som­mer in den Diö­ze­sen der Welt­kir­che nach­ge­hakt, ob es jetzt über­all mög­lich ist, an einer Mes­se in der außer­or­dent­li­chen Form des Römi­schen Ritus teil­zu­neh­men. Wie es damit steht, woll­ten wir zunächst von Mons. Poz­zo wissen.

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„Drei Jah­re nach der Ver­öf­fent­li­chung des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum hat die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei – in Befol­gung des­sen, was der Hei­li­ge Vater damals in sei­nem Begleit­brief schrieb – über die Nun­tia­tu­ren alle Bischö­fe gebe­ten, über ihre Erfah­run­gen in die­sen drei Jah­ren zu berich­ten. Gut ein Drit­tel des Wel­tepi­sko­pa­tes hat uns eine sol­che Ein­schät­zung geschickt. Dazu muss man sagen, dass die Ant­wor­ten zum Groß­teil aus jenen Diö­ze­sen kamen, in denen eine Nach­fra­ge nach der Mes­se in der außer­or­dent­li­chen Form besteht. Des­halb ist die­ser Rück­lauf sehr zufriedenstellend.“

Kon­kret: In wel­chen Län­dern besteht das größ­te Inter­es­se an der soge­nann­ten Alten Messe?

„Im Moment besteht das größ­te Inter­es­se und die mei­ste Nach­fra­ge in Euro­pa, in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka und auch in Austra­li­en. Viel weni­ger in Latein­ame­ri­ka, Afri­ka und Asien.“

Papst Bene­dikt bat um „Näch­sten­lie­be und pasto­ra­le Behut­sam­keit“ für die tra­di­tio­na­li­sti­schen Gläu­bi­gen. Die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei ist ja nun eine Art Feu­er­wa­che für jene Fäl­le, in denen das nicht zutrifft. Wo sto­ßen Sie auf Wider­stän­de? Und mit wel­cher Begründung?

„Der Aus­druck “wachen“ über­setzt das alt­grie­chi­sche „episco­pein“. Die erste Auf­ga­be eines Bischofs ist es zu wachen. In die­sem Sinn übt die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei das Amt der Beob­ach­tung und des Wachens über die Anwen­dung des Motu Pro­prio aus. Sicher bestehen noch Vor­ur­tei­le und Wider­stän­de gegen die Mes­se im alten Ritus, sei es aus ideo­lo­gi­schen Grün­den, sei es, weil die Nach­fra­ge nach der Mes­se in der alten Form teil­wei­se als Aus­druck einer Anti­the­se, ja einer Oppo­si­ti­on zur Lit­ur­gie­re­form gese­hen wird, wie das II. Vati­ka­ni­sche Kon­zil sie woll­te. Kla­rer­wei­se sind die­se immer noch ver­brei­te­ten Vor­ur­tei­le zu über­win­den und anzu­fech­ten. Wir müs­sen vor allem die Ein­heit der Lit­ur­gie­ge­schich­te wie­der­her­stel­len, die Ein­heit der lex oran­di als Aus­druck der Ein­heit der lex cre­den­di, wenn­gleich in der Eigen­art der lit­ur­gi­schen For­men des einen Römi­schen Ritus.“

Eine Prä­zi­sie­rung: Wel­che Ein­wän­de erhe­ben Pfar­rer oder Bischö­fe, die die alte Mes­se nicht schät­zen, um die Nach­fra­ge abzublocken?

„Es gibt Bischö­fe und Prie­ster, die in der Nach­fra­ge nach dem alten Ritus vor allem das Risi­ko einer Sehn­sucht nach dem Ästhe­ti­schen, rein Orna­men­ta­len, For­ma­li­sti­schen sehen. Ich will nicht aus­schlie­ßen, dass das in man­chen Fäl­len stimmt, aber gene­rell zeigt das doch eine Art Vor­ur­teil. Denn der alte Mess­ri­tus hat einen tie­fen Reich­tum, der nicht nur respek­tiert, son­dern auch wie­der­ent­deckt wer­den muss, zum Vor­teil der Lit­ur­gie, wie man sie auch heu­te fei­ert. Die­se Vor­ur­tei­le und Wider­stän­de müs­sen durch eine Ände­rung der for­ma men­tis, der Gesin­nung, über­wun­den wer­den. Es braucht eine ange­mes­se­ne­re lit­ur­gi­sche Bildung.“

Wie sehen Sie das Inter­es­se für die außer­or­dent­li­che Form des Römi­schen Ritus: wach­send, abneh­mend, konstant?

„Ich wür­de sagen: wach­send. Auch weil wir beob­ach­ten, dass beson­ders in den jun­gen Gene­ra­tio­nen Inter­es­se an und Zulauf zur alten Form der Mes­se besteht. Und das ist eine über­ra­schen­de Neuigkeit.“

Kön­nen Sie eine Schät­zung geben, wie vie­le Gläu­bi­ge es bei­spiels­wei­se in Euro­pa gibt, die kon­stant an der alten Mes­se inter­es­siert sind?

„Wirk­lich zuver­läs­si­ge Zah­len sind der Kom­mis­si­on nicht bekannt, auch weil sich die Situa­ti­on sehr viel­fäl­tig und weit­ver­zweigt dar­stellt. Man kann aber etwa sagen, dass in Frank­reich die Zahl der Gläu­bi­gen, die der alten Form des Römi­schen Ritus ver­bun­den sind, erheb­lich grö­ßer ist als in Deutsch­land, Ita­li­en oder Spa­ni­en. Es ist frei­lich auch klar, dass ein Wert­ur­teil über die außer­or­dent­li­che Form des Ritus nichts mit Zah­len zu tun hat. Bei­de For­men sind gleich an Wert und Wür­de. Die ordent­li­che Form ist die nor­ma­le, übli­che, ver­brei­te­te; die außer­or­dent­li­che Form ist die spe­zi­el­le und besondere.“

Das Motu pro­prio spricht nicht über die Aus­bil­dung von Prie­stern, die das Zele­brie­ren der Mes­se nach den alten Büchern erler­nen möch­ten. Vie­le emp­fin­den das als Lücke, zumal das Fei­ern der alten Lit­ur­gie einer gründ­li­chen Vor­be­rei­tung bedarf. Was raten Sie inter­es­sier­ten Priestern?

„Sicher­lich ist das Pro­blem des geeig­ne­ten Prie­sters für die Fei­er des alten Ritus wich­tig und drin­gend. Ich muss sagen: Der Grund, wes­halb die Bischö­fe oft Schwie­rig­kei­ten haben, dem Wunsch nach einer Mes­se in der alten Form nach­zu­kom­men, ist eben der Man­gel an geeig­ne­ten Prie­stern, die die­se Mes­se wirk­lich fei­ern kön­nen. Hier müs­sen also die betref­fen­den Gläu­bi­gen Ver­ständ­nis und viel Geduld haben. Ich bin der Ansicht, dass man den Semi­na­ri­sten in den Prie­ster­se­mi­na­ren die Mög­lich­keit bie­ten soll­te, das Zele­brie­ren auch in der außer­or­dent­li­chen Form ange­mes­sen zu erler­nen – nicht als Ver­pflich­tung, son­dern als Mög­lich­keit. Wo es mög­lich ist, könn­te man für die Aus­bil­dung auf die Prie­ster jener Insti­tu­te zurück­grei­fen, die unter der Juris­dik­ti­on der Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei ste­hen und die tra­di­tio­nel­le lit­ur­gi­sche Dis­zi­plin befol­gen. Essen­ti­ell ist jeden­falls die lit­ur­gi­sche und theo­lo­gi­sche Aus­bil­dung, wes­halb man ent­schie­den die Idee zurück­wei­sen muss, dass es eine vor­kon­zi­lia­re Lit­ur­gie in Oppo­si­ti­on zu einer post­kon­zi­lia­ren gäbe, oder eine vor­kon­zi­lia­re Ekkle­sio­lo­gie in Oppo­si­ti­on zu einer post­kon­zi­lia­ren. Viel­mehr gibt es ein Wachs­tum und eine Ver­tie­fung in der Geschich­te des Glau­bens und der Lit­ur­gie der Kir­che, aber immer in Kon­ti­nui­tät und in der wesent­li­chen Ein­heit, die nie­mals ver­lo­ren gehen oder geschmä­lert wer­den kann und darf.“

Papst Bene­dikt wünscht, dass sich die bei­den For­men des Römi­schen Ritus gegen­sei­tig berei­chern, aller­dings ohne sich zu ver­mi­schen. Was kann die alte Lit­ur­gie von der neu­en „ler­nen“?

„Zunächst: Im Begleit­brief zum Motu pro­prio an die Bischö­fe erwähnt Papst Bene­dikt zum einen die Not­wen­dig­keit, den Hei­li­gen­ka­len­der zu aktua­li­sie­ren, also die nach 1962 pro­kla­mier­ten Hei­li­gen ein­zu­fü­gen, und zum ande­ren eini­ge Prä­fa­tio­nen aus dem Mess­buch von Paul VI. auf­zu­neh­men, um die Samm­lung der Prä­fa­tio­nen des Mess­buchs von 1962 anzu­rei­chern. Die Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei hat ein Stu­di­en­ver­fah­ren ein­ge­setzt, um dem Wil­len des Hei­li­gen Vaters nach­zu­kom­men. Hier wird man bald, so den­ke ich, zu einem Vor­schlag gelan­gen, der dem Hei­li­gen Vater in Kür­ze zur Appro­bie­rung vor­ge­legt wird. Ich glau­be man muss auch aner­ken­nen, dass die ordent­li­che Form des Römi­schen Ritus eine aus­führ­li­che­re Lesung der Hei­li­gen Schrift bie­tet als das Mess­buch von 1962. Den­noch ist eine dies­be­züg­li­che Ände­rung des Mess­buchs von 1962 nicht ein­fach, weil man die Bezie­hung zwi­schen den ein­zel­nen Schrift­le­sun­gen und den Anti­pho­nen oder Respons­ori­en des Römi­schen Bre­viers für den betref­fen­den Tag im Blick haben muss. Es darf aber auch dar­an erin­nert wer­den, dass unter Papst Pius XII. eine Rei­he von ergän­zen­den Lesun­gen zur Gemein­schaft der Hei­li­gen hin­zu­ge­fügt wur­de. Daher kann man eine even­tu­el­le Erwei­te­rung auch für die Lesun­gen der Mes­se nicht aus­schlie­ßen. Das heißt aber nicht, dass man als zele­brie­ren­der Prie­ster oder als Bischof sub­jek­tiv und will­kür­lich die Abfol­ge des Lek­tio­nars ändern darf oder die bei­den For­men mischen kann, sodass die Eigen­art bei­der ver­lo­ren geht.“

Die Alte Mes­se im Peters­dom: Kann man sie heu­te ohne wenn und aber feiern

?

„Mit dem Inkraft­tre­ten des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum steht die außer­or­dent­li­che Form der Mes­se nicht mehr unter Indult, so wie davor, son­dern sie ist von den Nor­men des Motu pro­prio gere­gelt. Also wer­den im Peters­dom, so wie in allen ande­ren Kir­chen, die Nor­men des Motu pro­prio angewendet.“

Das heißt, auch in der Sakri­stei von Sankt Peter steht alles bereit, um nach dem alten Ritus fei­ern zu können?

„Ja, soweit mir bekannt ist. In der Tat fei­ern dort vie­le Prie­ster mor­gens die Mes­se im alten Ritus, auch mit Messdiener.“

Wird Papst Bene­dikt eines Tages eine gro­ße Mes­se in der außer­or­dent­li­chen Form feiern?

„Ich glau­be, die Fra­ge ist dem fal­schen Adres­sa­ten gestellt!“

Zu den Gesprä­chen des Hei­li­gen Stuh­les mit den Lefeb­vria­nern, also der Prie­ster­bru­der­schaft des Hei­li­gen Pius X. (FSSPX): Kön­nen Sie sagen, ob es bis­her Fort­schrit­te gab?

„Die Ver­trau­lich­keit ist die Grund­vor­aus­set­zung für den Erfolg der Gesprä­che, die zwi­schen den Fach­leu­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und der FSSPX im Gang sind. Und ich will von die­sem Prin­zip nicht abwei­chen. Aber ich kann sagen, dass das Kli­ma der Gesprä­che posi­tiv ist, kon­struk­tiv und von gegen­sei­ti­ger Wert­schät­zung getra­gen. Bis­her ziel­ten die Gesprä­che dar­auf ab, die Grün­de und Argu­men­te der einen und der ande­ren Sei­te bekannt zu machen, um die Basis oder die Wur­zel der bestehen­den lehr­amt­li­chen Schwie­rig­kei­ten frei­zu­le­gen. Die­se Wur­zel und die letz­ten Grün­de der Schwie­rig­kei­ten mit Klar­heit zu ergrün­den, ist aus mei­ner Sicht ein Fortschritt.“

Der Gebrauch der Alten Mes­se ist seit dem Motu pro­prio kein Streit­punkt mehr zwi­schen Hei­li­gem Stuhl und der Prie­ster­bru­der­schaft. Es blei­ben aber vie­le lehr­amt­li­che Dif­fe­ren­zen, etwa Reli­gi­ons­frei­heit, Öku­me­ne, der Begriff der Tra­di­ti­on. Wel­ches ist der wirk­lich har­te Punkt?

„Die umstrit­te­nen Punk­te sind genau jene, die in der Fra­ge ange­spro­chen sind. Es han­delt sich nicht um eine Ableh­nung der Auto­ri­tät des II. Vati­ka­ni­schen Kon­zils als sol­chem oder des nach­fol­gen­den päpst­li­chen Lehr­am­tes. Viel­mehr geht es um eini­ge Fest­stel­lun­gen oder Leh­ren in den Kon­zils­do­ku­men­ten über Reli­gi­ons­frei­heit, Öku­me­ne, die Bezie­hun­gen zu nicht­christ­li­chen Reli­gio­nen, die Auf­fas­sung der Lit­ur­gie­re­form, die Ein­heit des Lehr­amts hin­sicht­lich der Tra­di­ti­on. All­ge­mein betref­fen die Schwie­rig­kei­ten der FSSPX die Kon­ti­nui­tät oder gleich­mä­ßi­ge Ent­wick­lung eini­ger Leh­ren des Kon­zils und des nach­fol­gen­den päpst­li­chen Lehr­amts im Hin­blick auf das gleich­blei­ben­de Lehr­amt der Kir­che und der Tra­di­ti­on. Mir scheint nicht, dass die FSSPX prin­zi­pi­ell die Mög­lich­keit oder die Legi­ti­mi­tät ablehnt, dass es eine Ent­wick­lung oder eine gleich­mä­ßi­ge, kohä­ren­te Ver­tie­fung der katho­li­schen Dok­trin geben könn­te. Was die FSSPX von der Posi­ti­on des Hei­li­gen Stuh­les unter­schei­det, ist das Urteil in Bezug auf die Kon­ti­nui­tät oder Kohä­renz zwi­schen bestimm­ten Leh­ren des II. Vati­ka­ni­schen Kon­zils und frü­he­ren Aus­sa­gen des Lehr­am­tes. Ich den­ke, die jüng­ste Äuße­rung Papst Bene­dikts über die Her­me­neu­tik der Erneue­rung in Kon­ti­nui­tät mit der Tra­di­ti­on und dem gleich­blei­ben­den Lehr­amt der Kir­che stellt ein Basis­prin­zip für die Lösung des Kon­flikts dar. Es dreht sich dar­um, die­ses Prin­zip auf die ein­zel­nen Fäl­le und in sei­ner gan­zen Trag­wei­te anzu­wen­den – mehr als man das bis­her getan hat.“

Auch die Prie­ster der Gemein­schaf­ten, die der alten Form der Römi­schen Ritus anhän­gen, kön­nen die Fei­er nach den neu­en Büchern nicht prin­zi­pi­ell aus­schlie­ßen, schrieb Papst Bene­dikt. Wie sieht das die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X.?

„Das müss­te man die FSSPX fra­gen. Ich den­ke, wie ich vor­hin sag­te, dass auch die Fra­ge der lit­ur­gi­schen Bücher der Reform durch Paul VI. ein­zu­ord­nen ist in das rech­te Ver­ständ­nis der Lit­ur­gie­re­form und der fol­gen­den kor­rek­ten Anwen­dung. Die Grund­fra­ge, die die FSSPX beant­wor­ten muss, ist, ob die ordent­li­che Form des Römi­schen Ritus, die Paul VI. pro­mul­giert hat, in sich gül­tig und legi­tim ist. Zu die­sem Punkt darf es kei­ne Zwei­fel und kein Zögern geben. Die Ant­wort muss unzwei­fel­haft „ja“ sein. Auf einem ande­ren Blatt ste­hen die Zwei­deu­tig­kei­ten, Män­gel und auch dok­tri­nä­ren Feh­ler, die sich in der Zeit nach dem Kon­zil ver­brei­tet haben, sei es beim theo­lo­gi­sche Ver­ständ­nis, sei es bei der Anwen­dung der Lit­ur­gie­re­form. Der dama­li­ge Kar­di­nal Ratz­in­ger, heu­te Papst Bene­dikt, sprach von einem „Zer­fall“ der Lit­ur­gie. Aus die­sem Blick­win­kel kann man nicht sagen, dass vie­le vor­ge­brach­te Kri­ti­ken im Unrecht wären.“

Wenn wir die Fra­ge nach dem Miss­brauch der Lit­ur­gie im ordent­li­chen Ritus ein­mal aus­blen­den: Die ordent­li­che Form der Mes­se, so wie sie bei­spiels­wei­se Papst Bene­dikt selbst fei­ert, muss von allen akzep­tiert wer­den, die der Katho­li­schen Kir­che ange­hö­ren wol­len. Also auch von den Lefeb­vria­nern. Ist das der Fall?

„Ich glau­be nicht, dass es schon soweit ist. Auch wenn, wie gesagt, das Ver­ständ­nis der lit­ur­gi­schen Form, wie sie sich in vie­len Dar­stel­lun­gen der Lit­ur­gie­re­form fin­det, in lit­ur­gi­scher Theo­lo­gie und dann in sehr vie­len Anwen­dun­gen, die sich als Miss­brauch oder als man­gel­haft erwie­sen, ein objek­ti­ves Pro­blem dar­stellt. Wir müs­sen heu­te den wah­ren Sinn und die wah­re Bedeu­tung der Lit­ur­gie­re­form wie­der ent­decken. Der Papst zele­briert nach dem Mess­buch von Paul VI., das ist ein abso­lut nor­ma­ti­ver Bezugs­punkt. Wir wis­sen aber, dass es vie­le Mess­fei­ern gibt, die nicht der wah­ren Leh­re und dem wah­ren Geist der Lit­ur­gie­re­form und des Mess­buchs von Paul VI. ent­spre­chen. War­um ist das gesche­hen? War­um hat es die­se miss­bräuch­li­che Ver­wen­dung gege­ben, die­se Män­gel, die­ses Falsch­ver­ste­hen? Auf die­se Fra­ge müs­sen wir antworten.“

Vor kur­zem hat Ber­nard Fel­lay, der Obe­re der Pius­bru­der­schaft, Richard Wil­liam­son den Aus­schluss aus der Bru­der­schaft ange­droht, soll­te er sich in sei­nem Gerichts­pro­zess in Deutsch­land wei­ter­hin von einem Anwalt aus der Rechts­extre­men-Sze­ne ver­tre­ten las­sen. Steht die Pius­bru­der­schaft vor der Spaltung?

„Der Fall von Mons. Wil­liam­son ist ein Ein­zel­fall, und es obliegt dem Obe­ren der FSSPX, ihn inner­halb der Bru­der­schaft zu behan­deln, auch mit dis­zi­pli­nä­ren Maß­nah­men, wenn es die Umstän­de erfor­dern. Über die Posi­tio­nen von Mons. Wil­liam­son hat sich der Hei­li­ge Stuhl schon vor Zei­ten mit abso­lu­ter Klar­heit geäu­ßert. Der Hei­li­ge Vater hat im Buch „Licht der Welt“, das die­ser Tage ver­öf­fent­lich wur­de, auch bestä­tigt, dass der Fall Wil­liam­son, soweit er die irri­gen Erklä­run­gen bezüg­lich des Holo­caust betrifft, ein Fall für sich ist und voll­kom­men abge­trennt wer­den muss von der Fra­ge der Bezie­hun­gen zwi­schen FSSPX und Hei­li­gem Stuhl, die dok­tri­nä­re und kir­chen­recht­li­che Pro­ble­me betreffen.“

Wo sehen Sie das ech­te Han­di­cap der Lefeb­vria­ner: in der Dok­trin oder in der Politik?

„Ich bin über­zeugt, dass die Fra­gen, die die vol­le Aus­söh­nung der FSSPX mit dem Hei­li­gen Stuhl ver­hin­dern, die Dok­trin betref­fen. Refle­xe oder mög­li­che ideo­lo­gisch-poli­ti­sche Impli­ka­tio­nen kön­nen sich dar­aus erge­ben, aber sie sind kein vor­ran­gi­ges oder bestim­men­des Ele­ment der Diskussionen.“

Kann die Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei den Gläu­bi­gen dazu raten, bei Prie­stern der Pius­bru­der­schaft zur Mes­se zu gehen oder dort die Sakra­men­te zu emp­fan­gen, oder rät sie davon ab?

„In sei­nem Brief an die Bischö­fe nach der Auf­he­bung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on für die vier ille­gal von Mons. Lefeb­v­re geweih­ten Bischö­fe klärt der Papst, dass die Auf­he­bung der Exkom­mu­ni­ka­ti­on, also der schwe­ren dis­zi­pli­nä­ren Stra­fe, nicht bedeu­tet, dass die FSSPX bereits kir­chen­recht­lich aner­kannt ist und dass folg­lich auch die Prie­ster der FSSPX ihr Prie­ster­amt legi­tim aus­üben. Im Licht die­ser Aus­füh­run­gen ist es klar, dass die katho­li­schen Gläu­bi­gen dazu ange­hal­ten sind, die Teil­nah­me an der Mes­se oder am Emp­fang der Sakra­men­te von einem Prie­ster der Pius­bru­der­schaft zu ver­mei­den, da sie kir­chen­recht­lich irre­gu­lär sind. Das­sel­be gilt für jeden ande­ren Prie­ster, der sich in einer irre­gu­lä­ren kir­chen­recht­li­chen Situa­ti­on befin­det oder ohne Bischof ist.“

Kön­nen Sie abschät­zen, wie lan­ge die Rück­kehr der Lefeb­vria­ner zur Katho­li­schen Kir­che dau­ern könnte?

„Wir haben uns kein Datum gesetzt. Wir beten, arbei­ten und wir­ken dar­auf hin, dass die Wie­der­ein­glie­de­rung der FSSPX in die vol­le kirch­li­che Gemein­schaft nicht mehr lan­ge Zeit dauert.“

(Radio Vati­kan 01.12.2010, Bild: Le Forum Catholique)

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