Glaubenskongregation: Erläuterungen zum „Kondom-Zitat“ des Papstes


Das „Kon­dom-Zitat“ aus dem jüng­sten Inter­view­buch Papst Bene­dikt XVI. mit dem Jour­na­li­sten Peter See­wald hat­te vor eini­gen Wochen eini­ges Auf­se­hen erregt. Vie­le Jour­na­li­sten und auch Theo­lo­gen wuß­ten nicht so recht, wie damit umzu­ge­hen ist und was der Papst genau gemeint hat. Erst hat der Vati­kan das durch sei­nen Spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di erklä­ren las­sen, nun hat die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on in einer Note zu der Text­stel­le ab Sei­te 146 im Buch Stel­lung bezogen.

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Die Note wen­det sich gegen die Ver­wir­rung und gegen bewuß­te Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen der Text­stel­le. „In Wirk­lich­keit ändern die Wor­te des Pap­stes, die ins­be­son­de­re auf das schwer unge­ord­ne­te Ver­hal­ten der Pro­sti­tu­ti­on ein­ge­hen, weder die Moral­leh­re noch die pasto­ra­le Pra­xis der Kir­che“, so die Note wört­lich. Nach einer Klar­stel­lung der kirch­li­chen Leh­re sagt die Note: „Die Mei­nung, aus den Wor­ten von Papst Bene­dikt XVI. kön­ne man ablei­ten, daß die Ver­wen­dung des Kon­doms in eini­gen Fäl­len zuläs­sig sei, um uner­wünsch­te Schwan­ger­schaf­ten zu ver­mei­den, ist völ­lig will­kür­lich und ent­spricht weder sei­nen Wor­ten noch sei­nem Den­ken.“ Dem Papst gehe es viel­mehr um „ethi­sche und mensch­li­che Wege der Leb­bar­keit“. Danach geht die Note aus­führ­lich auf die Pro­ble­me der Pro­sti­tu­ti­on ein, in deren Zusam­men­hang der Papst vom Gebrauch von Kon­do­men sprach.

Wer wis­se, daß er mit HIV infi­ziert ist und des­halb die Infek­ti­on wei­ter­ge­ben kann, bringt bewußt das Leben einer ande­ren Per­son ernst­haft in Gefahr. Dazu stel­le der Hei­li­ge Vater ein­deu­tig fest, daß Kon­do­me „nicht als wirk­li­che und mora­li­sche Lösung“ des AIDS-Pro­blems betrach­tet wer­den kön­nen und daß „die blo­ße Fixie­rung auf das Kon­dom eine Bana­li­sie­rung der Sexua­li­tät“ bedeu­te, so die Note.

Abschlie­ßend nimmt die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on noch ein­mal Bezug auf die Theo­rie des kleie­ren Übels, die viel­fach im Zusam­men­hang mit dem Papst­zi­tat genannt wor­den sei. Hier­bei warnt sie vor abwe­gi­gen Aus­le­gun­gen. „Eine Hand­lung, die auf­grund ihres Gegen­stands ein Übel ist, und sei es auch ein klei­ne­res Übel, darf nicht ange­strebt wer­den“, so die Note. „Der Hei­li­ge Vater hat nicht gesagt, daß Pro­sti­tu­ti­on mit Ver­wen­dung eines Kon­doms als klei­ne­res Übel ange­strebt wer­den darf, wie eini­ge behaup­tet haben. (…)Betreibt jemand den­noch Pro­sti­tu­ti­on und ist er dar­über hin­aus mit HIV infi­ziert, kann es ein erster Schritt hin zu einer Ach­tung vor dem Leben der ande­ren sein, wenn er sich, auch durch die Ver­wen­dung des Kon­doms, dafür ein­setzt, die Ansteckungs­ge­fahr zu verringern.“

Der voll­stän­di­ge Text:

Note der Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re – Über die Bana­li­sie­rung der Sexua­li­tät, Im Hin­blick auf eini­ge Text­stel­len aus »Licht der Welt«

Aus Anlaß der Ver­öf­fent­li­chung des Inter­view-Buches „Licht der Welt“ von Papst Bene­dikt XVI. sind ver­schie­de­ne abwe­gi­ge Inter­pre­ta­tio­nen ver­brei­tet wor­den, die Ver­wir­rung über die Hal­tung der katho­li­schen Kir­che zu eini­gen Fra­gen der Sexu­al­mo­ral gestif­tet haben. Die Gedan­ken des Pap­stes wur­den nicht sel­ten für Absich­ten und Inter­es­sen miß­braucht, die mit dem Sinn sei­ner Wor­te nichts zu tun haben. Deren Bedeu­tung ist aber klar, wenn man die Kapi­tel voll­stän­dig liest, in denen von der mensch­li­chen Sexua­li­tät die Rede ist. Die Inten­ti­on des Hei­li­gen Vaters ist ein­deu­tig: Es geht ihm dar­um, die Grö­ße des gött­li­chen Plans über die Sexua­li­tät wie­der­zu­fin­den und dabei die heu­te ver­brei­te­te Bana­li­sie­rung zu vermeiden.

Eini­ge Inter­pre­ta­tio­nen haben die Wor­te des Pap­stes als Aus­sa­gen im Wider­spruch zur mora­li­schen Tra­di­ti­on der Kir­che dar­ge­stellt. Dies haben man­che als posi­ti­ve Wen­de begrüßt, ande­re haben es mit Sor­ge auf­ge­nom­men, als wür­de es sich um einen Bruch mit der Leh­re über die Emp­fäng­nis­ver­hü­tung und mit der Hal­tung der Kir­che im Kampf gegen AIDS han­deln. In Wirk­lich­keit ändern die Wor­te des Pap­stes, die ins­be­son­de­re auf das schwer unge­ord­ne­te Ver­hal­ten der Pro­sti­tu­ti­on ein­ge­hen (vgl. „Licht der Welt“, S. 146–147), weder die Moral­leh­re noch die pasto­ra­le Pra­xis der Kirche.

Eine auf­merk­sa­me Lek­tü­re des betref­fen­den Abschnit­tes zeigt, daß der Hei­li­ge Vater hier nicht von der ehe­li­che Lie­be und auch nicht von der sitt­li­chen Norm bezüg­lich der Emp­fäng­nis­ver­hü­tung spricht. Die­se Norm, die zur Tra­di­ti­on der Kir­che gehört, ist von Papst Paul VI. in der Num­mer 14 der Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae in sehr prä­zi­sen Wor­ten auf­ge­grif­fen wor­den. Dar­in schrieb er, daß „jede Hand­lung ver­werf­lich [ist], die ent­we­der in Vor­aus­sicht oder wäh­rend des Voll­zugs des ehe­li­chen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf sei­ner natür­li­chen Aus­wir­kun­gen dar­auf abstellt, die Fort­pflan­zung zu ver­hin­dern, sei es als Ziel, sei es als Mit­tel zum Ziel“. Die Mei­nung, aus den Wor­ten von Papst Bene­dikt XVI. kön­ne man ablei­ten, daß die Ver­wen­dung des Kon­doms in eini­gen Fäl­len zuläs­sig sei, um uner­wünsch­te Schwan­ger­schaf­ten zu ver­mei­den, ist völ­lig will­kür­lich und ent­spricht weder sei­nen Wor­ten noch sei­nem Den­ken. In die­sem Zusam­men­hang ver­weist der Papst viel­mehr auf mensch­li­che und ethi­sche Wege der Leb­bar­keit, für die sich die Seel­sor­ger „noch mehr und noch bes­ser“ („Licht der Welt“, S. 175) ein­set­zen sol­len. Dabei geht es um Wege, bei denen der unlös­ba­re Zusam­men­hang der bei­den Sinn­ge­hal­te der lie­ben­den Ver­ei­ni­gung und der Fort­pflan­zung in jedem ehe­li­chen Akt respek­tiert wird, auch durch die Anwen­dung der Metho­den der natür­li­chen Emp­fäng­nis­re­ge­lung im Blick auf eine ver­ant­wort­li­che Elternschaft.

In dem betref­fen­den Abschnitt bezog sich der Hei­li­ge Vater auf den völ­lig anders­ar­ti­gen Fall der Pro­sti­tu­ti­on, die von der christ­li­chen Moral immer als schwer sünd­haft betrach­tet wor­den ist (vgl. II. Vati­ka­ni­sches Kon­zil, Pasto­ral­kon­sti­tu­ti­on Gau­di­um et spes, Nr. 27; Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che, Nr. 2355). Die Wei­sung der gesam­ten christ­li­chen Tra­di­ti­on – und nicht nur die­ser – im Bezug auf die Pro­sti­tu­ti­on läßt sich in den Wor­ten des hei­li­gen Pau­lus zusam­men­fas­sen: „Hütet euch vor der Unzucht!“ (1 Kor 6,18). Die Pro­sti­tu­ti­on ist also zu bekämp­fen und die Hilfs­wer­ke der Kir­che, der Zivil­ge­sell­schaft und des Staa­tes müs­sen sich dafür ein­set­zen, die betrof­fe­nen Per­so­nen dar­aus zu befreien.

In die­sem Zusam­men­hang muß dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, daß die Lage, die auf­grund der Ver­brei­tung von AIDS in vie­len Gebie­ten der Welt ent­stan­den ist, das Pro­blem der Pro­sti­tu­ti­on noch dra­ma­ti­scher gemacht hat. Wer weiß, daß er mit HIV infi­ziert ist und des­halb die Infek­ti­on wei­ter­ge­ben kann, begeht neben der schwe­ren Sün­de gegen das sech­ste Gebot auch eine Sün­de gegen das fünf­te Gebot, weil er bewußt das Leben einer ande­ren Per­son ernst­haft gefähr­det, mit Fol­gen auch für die öffent­li­che Gesund­heit. Dazu stellt der Hei­li­ge Vater ein­deu­tig fest, daß Kon­do­me „nicht als wirk­li­che und mora­li­sche Lösung“ des AIDS-Pro­blems betrach­tet wer­den kön­nen und daß „die blo­ße Fixie­rung auf das Kon­dom eine Bana­li­sie­rung der Sexua­li­tät“ bedeu­tet. Denn man will die mensch­li­che Ver­wahr­lo­sung nicht ange­hen, die sich hin­ter der Ver­brei­tung der Pan­de­mie ver­birgt. Es kann aller­dings nicht geleug­net wer­den, daß der­je­ni­ge, der ein Kon­dom ver­wen­det, um das Risi­ko für das Leben einer ande­ren Per­son zu ver­rin­gern, den Scha­den begren­zen möch­te, der mit sei­nem fal­schen Ver­hal­ten ver­bun­den ist. In die­sem Sinn bemerkt der Hei­li­ge Vater, daß die Ver­wen­dung des Kon­doms „in der Absicht, Ansteckungs­ge­fahr zu ver­rin­gern, jedoch ein erster Schritt sein [kann] auf dem Weg hin zu einer anders geleb­ten, mensch­li­che­ren Sexua­li­tät“. Dabei han­delt es sich um eine Anmer­kung, die mit der ande­ren Aus­sa­ge des Hei­li­gen Vaters in vol­lem Ein­klang steht: „Aber es ist nicht die eigent­li­che Art, dem Übel der HIV-Infek­ti­on beizukommen“.

Eini­ge haben die Wor­te von Papst Bene­dikt XVI. mit Bezug­nah­me auf die Theo­rie vom so genann­ten „klei­ne­ren Übel“ inter­pre­tiert. Die­se Theo­rie ist aber für abwe­gi­ge Aus­le­gun­gen im Sinn des Pro­por­tio­na­lis­mus anfäl­lig (vgl. Johan­nes Paul II., Enzy­kli­ka Veri­ta­tis sple­ndor, Nr. 75–77). Eine Hand­lung, die auf­grund ihres Gegen­stands ein Übel ist, und sei es auch ein klei­ne­res Übel, darf nicht ange­strebt wer­den. Der Hei­li­ge Vater hat nicht gesagt, daß Pro­sti­tu­ti­on mit Ver­wen­dung eines Kon­doms als klei­ne­res Übel ange­strebt wer­den darf, wie eini­ge behaup­tet haben. Die Kir­che lehrt, daß Pro­sti­tu­ti­on sünd­haft ist und bekämpft wer­den muß. Betreibt jemand den­noch Pro­sti­tu­ti­on und ist er dar­über hin­aus mit HIV infi­ziert, kann es ein erster Schritt hin zu einer Ach­tung vor dem Leben der ande­ren sein, wenn er sich, auch durch die Ver­wen­dung des Kon­doms, dafür ein­setzt, die Ansteckungs­ge­fahr zu ver­rin­gern, wobei die Pro­sti­tu­ti­on natür­lich schwer sünd­haft bleibt. Sol­che Bewer­tun­gen ste­hen im Ein­klang mit dem, was die moral­theo­lo­gi­sche Tra­di­ti­on auch in der Ver­gan­gen­heit ver­tre­ten hat.

Abschlie­ßend ist anzu­mer­ken, daß die Mit­glie­der und die Ein­rich­tun­gen der katho­li­schen Kir­che im Kampf gegen AIDS wis­sen müs­sen, daß es dar­um geht, den Men­schen nahe zu sein, die Kran­ken zu pfle­gen und alle dazu zu erzie­hen, vor der Ehe ent­halt­sam zu leben und in der Ehe die Treue zu hal­ten. Dabei müs­sen sie auch Ver­hal­tens­wei­sen auf­decken, die die Sexua­li­tät bana­li­sie­ren. Wie der Hei­li­ge Vater sagt, sind gera­de die­se Ver­hal­tens­wei­sen die gefähr­li­che Quel­le dafür, daß vie­le Men­schen in der Sexua­li­tät nicht mehr den Aus­druck ihrer Lie­be fin­den. „Des­halb ist auch der Kampf gegen die Bana­li­sie­rung des Sexua­li­tät ein Teil des Rin­gens dar­um, daß Sexua­li­tät posi­tiv gewer­tet wird und ihre posi­ti­ve Wir­kung im Gan­zen des Mensch­seins ent­fal­ten kann“ („Licht der Welt“, S. 146).

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