(Brüssel) Die älteste katholische Universität Europas will sich der lästigen Etikette entledigen. Aus Protest gegen Rom und den Papst, die in der Bioethik zu rigid seien. Eine ganz (außer)gewöhnliche Geschichte der konformistischen Meinungsdiktatur und der Nachgiebigkeit der Bischöfe.
Während das exklusivste Kollegium der Welt, das Kardinalskollegium sich mit der Aufnahme von 24 neuen Mitgliedern erneuert, scheint eine der prestigeträchtigsten katholischen Institutionen Europas endgültig dem Ruf der Welt nachgeben zu wollen und damit jener laizistischen Kultur, die unter dem Vorwand der „Neutralität“ die katholische Stimme aus dem öffentlichen Raum verbannen will.
In diesen Stunden äußerte der Rektor der renommierten Universität Löwen (ndl. Leuven, fr. Louvain) in Flandern, Mark Waer, die Absicht, die Bezeichnung „katholisch“ aus dem Namen der Universität zu streichen. Es scheint das Requiem für eine Eigendefinition, die durch Jahrhunderte das sichtbare Symbol nicht nur einer Überzeugung war, sondern einer ganzen Welt, einer katholischen Welt in der Welt, auf die man stolz sein konnte und auch stolz war. Löwen war von den Feinden der Kirche gefürchtet. Es ist ein Abschied mit bizarrem Rahmen, wenn man die Begründung liest, die zu diesem historischen Schritt führt. Man sucht einen Sündenbock und erhebt Anklage. Auf der Anklagebank befinden sich Rom, der Papst, die römische Kurie und dessen Aufgabe, die Reinheit der katholischen Lehre zu bewahren. Laut Waer habe Rom jeden Anstand verloren, jede Grenze des Erträglichen überschritten. Rom habe im Pädophilie-Skandal versagt, sei reaktionär, abgekapselt, wie die Kritik an der Verleihung des Medizinnobelpreises an den „Vater“ der künstlichen Befruchtung, Robert Edwards, gezeigt habe.
Die belgische Bischofskonferenz scheint angesichts des Vorstoßes von Waer völlig untätig, ja handlungsunfähig. Aus einem überfordert scheinenden Kreis von Bischöfen ragt als einziger der papstnahe konservative Erzbischof von Brüssel-Malines und Primas von Belgien, Msgr. André-Joseph Léonard, heraus. Ob er allerdings im Alleingang etwas ausrichten wird können gegen das, was Papst Benedikt XVI. im vergangenen Frühjahr vor der Päpstlichen Bibelkommission als das Heraufziehen einer neuen Diktatur bezeichnete, der „Diktatur des Konformismus“? Er sagte: „Es gibt einen Konformismus, demzufolge es zur Pflicht wird, zu denken, wie alle denken, zu handeln, wie alle handeln.“ Und weiter: „Die subtile – oder auch weniger subtile – Aggression gegen die Kirche, beweist, daß dieser Konformismus in Wirklichkeit zu einer wirklichen Diktatur werden kann.“ Belgiens Kirchenhierarchie läßt bereits seit längerer Zeit eine Nachgiebigkeit gegenüber der säkularen Welt erkennen. Belgiens Kirche vermittelt den Eindruck einer erschreckten Kirche, die Angst vor Dingen zu haben scheint, die vor kurzem noch bestenfalls als lächerliche Kleinigkeiten abgetan worden wären.
Die aufsehenerregende Ankündigung erfolgt in Löwen nicht aus heiterem Himmel. Bereits seit Jahrzehnten herrscht dort kein Frieden mehr. Die 1425 von Papst Martin V. gegründete Universität, war durch Jahrhunderte hindurch Orientierungspunkt der katholischen Intelligenz Europas. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde auch sie vom neuen Geist heimgesucht, dessen Folgen unter anderem bis zum Hauswurf der französischsprachigen Abteilung führte, die zwangsweise mit Unterstützung der Bischöfe des Landes nach Louvai-la-Neuve verlegt wurde. Im alten Löwen vertrat die flämische Abteilung mit der katholischen Morallehre unvereinbare Positionen, vor allem zu bioethischen Fragen. Einige versuchten die kirchenrechtliche Anerkennung homosexueller Beziehungen zu propagieren. Alles begleitet vom Schweigen der Bischöfe und kirchlichen Hierarchien. So gesehen, wäre die Tilgung der Bezeichnung „katholisch“ nur ein letzter Schritt einer bereits vollzogenen Apostasie von der katholischen Lehre, denn katholisch ist Löwen nicht mehr. Dessen wurde sich bereits vor Jahren Msgr. Edoaurd Massaux, der „eiserne Rektor“ Löwens bis 1986, bewußt. Wenige Tage vor seinem Tod sagte er: „Ich verbiete förmlich die Anwesenheit einer offiziellen Delegation der Universität von Löwen bei meiner Beerdigung, die nach meinem Rückzug öffentlich sich von der Kirche distanziert hat.“ Soweit vor einiger Zeit Msgr. Massaux. Und heute? Eine Reaktion könnte, früher oder später, direkt aus Roma, von der römischen Kurie kommen, die heute der große neue Feind Löwens ist.
(Palazzo Apostolico/Giuseppe Nardi, Bild: Palazzo Apostolico)