Liebe Brüder und Schwestern!
In der Reihe von Katechesen über große Frauengestalten möchte ich heute über eine weitere bedeutende Gestalt des Klosters Helfta sprechen, nämlich über die heilige Gertrud die Große. Als einzige Deutsche trägt diese außergewöhnliche Mystikerin den Beinamen „die Große“. Sie wurde 1256 in Thüringen geboren; man weiß aber nichts von ihrer genauen Herkunft und ihrer frühesten Kindheit. Sie kam schon im Alter von fünf Jahren als Waise zur Obhut ins Kloster Helfta. Unter der Äbtissin Gertrud von Hackeborn und ihrer Lehrerin Mechthild von Hackeborn, deren Biographin sie später wurde, erhielt sie dort eine umfassende wissenschaftliche und geistliche Ausbildung – Literatur, Sprachen, Musik –, und die hochbegabte Schülerin wurde dann selber Ordensfrau. Zwanzig Jahre lang führte sie ein unauffälliges Leben, als eine unter den Schwestern des Klosters, ehe 1281 eine Christusvision sie aufrüttelte und gleichsam bekehrte, sie verwandelte. Sie hat sozusagen, wie sie schreibt, eine doppelte Bekehrung erlebt: Während sie bisher leidenschaftlich die weltliche Literatur las, wurde nun die Heilige Schrift ihre ganze Leidenschaft; und während sie bisher, wie sie sagt, eine eher „schlampige Ordensfrau“ gewesen war, hat sie nun mit Leidenschaft und innerlicher Freude und Begeisterung ihr Leben als Ordensfrau gelebt, in der Liturgie, in der Regel, in allem, was zu diesem Leben gehört. Sie wurde so zu einer Lehrerin für viele, indem sie ganz aus dem Geist der Liturgie und der Heiligen Schrift lebte. Ihre geistlichen Erfahrungen schrieb sie auf göttliche Weisung hin nieder; nur zwei ihrer Schriften sind erhalten: „Der Gesandte der göttlichen Liebe“ und die geistlichen Übungen „Exercitia spiritualia“. Sie erkannte, daß Gott sie als sein Werkzeug rief, daß sie nicht für sich allein diese Gnaden erhielt, sondern daß sie für die anderen da war; und sie war dankbar dafür, daß Christus ihr als Zeichen seiner Gnade seine Wundmale gleichsam ins Herz eindrückte. Sie hatte auch eine besondere Verehrung für das Herz Jesu, das höchste Symbol der Menschliebe Gottes, und ihre Herz-Jesu-Mystik und ihre Gebete haben die Frömmigkeitsgeschichte nachhaltig geprägt.
Mit Freude grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Gäste, vor allem die vielen Schüler und Jugendlichen. Die heilige Gertrud von Helfta zeigt uns, wie wichtig die persönliche Beziehung zu Christus ist, die sich aus dem Gebet, der Heiligen Schrift, der Liturgie der Kirche und den Sakramenten nährt. Mühen wir uns also auch, die Liebe zur Schrift, zur Bibel zu finden, die Liebe zur Liturgie und von ihr das persönliche Beten zu erlernen und so Christus nahezukommen und die Freude zu erlernen, die die heilige Gertrud hatte. Sie hat gesagt: Wenn ich tausend Jahre jetzt nur noch im Leid leben müßte, die Erinnerung an das Schöne, das ich erfahren habe in der Begegnung mit Christus, würde ausreichen, um mich immer froh und glücklich zu halten. Versuchen wir diese Nähe zu Christus zu finden und so wahre Christen zu werden, erfüllt mit der Freude, den zu kennen, auf den alles ankommt und auf den unser Leben zugeht. Danke!