(London/Rom) Wenige Tage vor der Ankunft Papst Benedikts XVI. in Schottland und England stattete die „Nummer Zwei“ in der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion von Volokolamsk, Leiter des „Außenamtes“ des Moskauer Patriarchats, Großbritannien einen Besuch ab.
Am 9. September traf er im Lambeth Palace mit dem Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, dem Primas der anglikanischen Weltgemeinschaft zusammen. In gewisser Weise „ebnete er dem Papst den Weg“, der am 17. September mit Williams zusammentreffen wird, wie der Vatikanist des Wochenmagazins L’Espresso Sandro Magister meint.
Selbst im Vatikan rümpfen etliche hohe Prälaten die Nase, wenn sie mit Begriffen wie „konservativ“ und „progressiv“ konfrontiert werden. Nicht selten bekommt man von ihnen zu hören, daß solche Schubladen „eine alte Sache“ seien, die „überholt“ sei. „Ich denke hingegen, daß die Unterscheidung legitim ist und nach wie vor die beiden in der Kirche vorhandenen Hauptrichtungen wiederspiegelt“, schreibt dazu Paolo Rodari, der Vatikanist der Tageszeitung Il Foglio und Autor des soeben erschienen Buches „Angriff gegen Ratzinger. Anschuldigungen und Skandale, Prophezeiungen und Komplotte gegen Benedikt XVI.“
Metropolit Hilarion nahm sowohl im Gespräch mit dem anglikanischen Primas als auch bei der anschließenden Begegnung im Nikaean Club in London eine aktuelle Bestandsaufnahme der Christenheit in nach ausgesprochen Ratzingerschen Maßstäben vor.
„Alle derzeit bestehenden Formen des Christentum können grob in zwei Hauptgruppen unterteilt werden: in Traditionalisten und Liberale. Der Unterschied liegt heute nicht so sehr zwischen Orthodoxen und Katholiken oder zwischen Katholiken und Protestanten, sondern zwischen Traditionalisten und den Liberalen.
Einige christliche Führer zum Beispiel sagen uns, daß die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau nicht mehr die einzige Möglichkeit ist, eine christliche Familie zu gründen: Es gebe andere Modelle und die Kirche müsse entsprechend ‚inklusiv‘ werden, indem sie die Standards alternativer Verhaltensformen anerkennte und diesen ihren offiziellen Segen erteile.
Einige versuchen uns zu überreden, daß das menschliche Leben nicht mehr ein absoluter Wert sei und daß man ihm im Mutterleib nach Belieben ein Ende setzen könne. Von den traditionellen Christen verlangt man damit, unter dem Vorwand mit der Moderne Schritt zu halten, den eigenen Standpunkt zu überdenken.“
Der Metropolit erinnerte daran, daß es eine für die russisch-orthodoxe Kirche eindeutige Priorität sei, Bekenntnis für die ewige Gültigkeit der geistlichen und moralischen Werte des Christentums abzulegen. Es sei daher, so Metropolit Hilarion, der gemeinsame Wille des Moskauer Patriarchats und der katholischen Kirche, „in Europa eine Allianz zu bilden, um die traditionellen Werte des Christentums zu verteidigen und Europa seine christliche Seele zurückzugeben“, gegen den Relativismus und gegen die Säkularisierung.
(Giuseppe Nardi; Bild: Wikimedia)