95 Jahre nach dem Genozid an den Armeniern erster Gottesdienst in Khach Surb am Vansee


(Anka­ra) 95 Jah­ren nach dem tür­ki­schen Geno­zid an den Arme­ni­ern konn­te erst­mals in der arme­ni­schen Hei­lig­kreuz­kir­che (Khach Surb) am Van­see wie­der eine Hei­li­ge Mes­se zele­briert wer­den. Erz­bi­schof Aram Ate­sy­an, der Vikar des arme­ni­schen Patri­ar­chen in der Tür­kei, sprach von einem „Wun­der“. Die Fres­ken der Kir­che mit den Dar­stel­lun­gen von Chri­stus, der Got­tes­mut­ter und der Hei­li­gen waren jahr­zehn­te­lang vom Mili­tär als Ziel­schei­ben ver­wen­det wor­den. Die Wän­de sind geschwärzt vom Ruß, da die Kir­che zum Gril­len bei Fami­li­en­aus­flü­gen gebraucht wur­de. Auf der Kup­pel fehlt das Kreuz. Den­noch sind die noch in der Tür­kei leben­den Arme­ni­er glück­lich über die staat­li­che Erlaub­nis, in das Got­tes­haus zurück­keh­ren zu dürfen.

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„Es ist ein Wun­der, heu­te hier die Hei­li­ge Eucha­ri­stie­fei­er zele­brie­ren zu kön­nen“, sag­te der Erz­bi­schof in sei­ner Pre­digt. Zuerst gebrauch­te er die arme­ni­sche Spra­che, dann dank­te er den tür­ki­schen Behör­den in tür­ki­scher Spra­che für die Erlaub­nis, einen Got­tes­dienst fei­ern zu dürfen.

Die Hei­lig­kreuz­kir­che ist ein Juwel des arme­ni­schen Kir­chen­baus, vor allem aber ist sie ein Sym­bol für die arme­ni­schen Chri­sten. Sie steht mit­ten im Gebiet, in dem 1915 der Geno­zid an den Arme­ni­ern voll­zo­gen wur­de. Die Tür­kei lehnt die Bezeich­nung Geno­zid für die Ermor­dung und Ver­trei­bung der Arme­ni­er strikt ab.

2005 hat­te ein arme­ni­scher Jour­na­list, Hrant Dink, die Restau­rie­rung und Öff­nung der Kir­che gefor­dert, „um auch unse­re müden See­len wie­der zu restau­rie­ren“. Im Janu­ar 2007 wur­de er ermordet.

2007 began­nen die tür­ki­schen Behör­den das geschän­de­te Got­tes­haus zu restau­rie­ren. 2009 wur­de es als Muse­um geöffnet.

Am fei­er­li­chen Got­tes­dienst nah­men gestern mehr als 5000 Men­schen teil. 50 von ihnen konn­ten mit einer Son­der­er­laub­nis der Behör­den im Inne­ren der Kir­che der Lit­ur­gie bei­woh­nen, die ande­ren außer­halb der Kir­che dank zwei­er Groß­lein­wän­de. 700 Arme­ni­er waren aus Istan­bul ange­reist, 200 aus Arme­ni­en und aus der euro­päi­schen und ame­ri­ka­ni­schen Diaspora.

Anwe­send waren auch tür­ki­sche Behör­den­ver­tre­ter, so die Bür­ger­mei­ster von Van und Gevas, der Sek­ti­ons­lei­ter für Muse­um und Alter­tü­mer im zustän­di­gen Mini­ste­ri­um, ein Staats­se­kre­tär des Tou­ris­mus­mi­ni­ste­ri­ums und der Poli­zei­chef von Van.

Von den vier arme­ni­schen Patri­ar­chen war aller­dings nur ein Ver­tre­ter des Patri­ar­chen von Kon­stan­ti­no­pel zuge­gen. Die ande­ren drei Patri­ar­chen der Arme­nisch-Apo­sto­li­schen Kir­che wei­ger­ten sich, an der Lit­ur­gie teil­zu­neh­men, obwohl sie der tür­ki­sche Mini­ster­prä­si­dent Tayyip Erdo­gan per­sön­lich ein­ge­la­den hat­te. Grund für ihre Abwe­sen­heit war die Wei­ge­rung der tür­ki­schen Behör­den, auf der Kup­pel der Kir­che wie­der das Kreuz anbrin­gen zu lassen.

Der tür­ki­sche Jour­na­list Ayse Gyur schrieb dazu: „Wie kann es in einem Land, in dem es mög­lich ist , Wol­ken­krat­zer von 270 Metern Höhe zu errich­ten, für den Gou­ver­neur von Van nicht pein­lich sein, zu behaup­ten, es sei nicht mög­lich ein 100 kg schwe­res und 10–15 Meter hohes Kreuz anzu­brin­gen? Sicher, die Kri­se konn­te dank inno­va­ti­ver Unter­neh­mer von Van gelöst und das Kreuz auf­ge­rich­tet wer­den, aller­dings nicht auf der Spit­ze der Kup­pel, wie es die arme­ni­sche Gemein­schaft gewünscht hat­te, son­dern im Gar­ten der Kirche.“

Vor allem die Arme­ni­er in der Dia­spo­ra kri­ti­sie­ren das tür­ki­sche Ver­hal­ten. Sie betrach­ten die Restau­rie­rung der Kir­che solan­ge als nicht abge­schlos­sen, bis das Kreuz auf der Kup­pel ange­bracht wird. Eini­ge von ihnen brach­ten gestern Holz­kreu­ze zur Lit­ur­gie mit, um auf die unge­lö­ste Kreuz­fra­ge hin­zu­wei­sen. In der Dia­spo­ra sieht man in eini­gen sym­bo­li­schen Öff­nun­gen gegen­über den Chri­sten des Lan­des vor allem PR-Maß­nah­men der tür­ki­schen Regie­rung mit Blick auf den ange­streb­ten EU-Bei­tritt. Die Kir­che sei ein­ma­lig für einen Got­tes­dienst geöff­net wor­den, sei aber wei­ter­hin ledig­lich ein Museum.

Die klei­ne, noch in der Tür­kei leben­de arme­ni­sche Gemein­schaft zeig­te sich hin­ge­gen erfreut, vie­le hat­ten wäh­rend der hei­li­gen Lit­ur­gie Trä­nen in den Augen: „Nach 95 Jah­ren eines schwer lasten­den Schwei­gens, konn­te wie­der das fest­li­che Geläut auf der Insel gehört wer­den.“ Daß es sich dabei ledig­lich um eine Ton­band­auf­zeich­nung han­del­te, da die tür­ki­schen Behör­den die Anbrin­gung der Glocken ver­wei­ger­te, tat ihrer Freu­de kei­nen Abbruch. „End­lich wur­de an die­sem uns so hei­li­gen Ort wie­der die Eucha­ri­stie gefei­ert, das ist ein gro­ßes Zei­chen der Hoffnung.“

(Asianews/​GN, Bild: Asianews)

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