(Rom) „Wenn es einen Bereich gibt, in dem der wahre Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils am meisten mißverstanden, teilweise sogar verraten wurde, dann ist es die Liturgie“, schreibt Paolo Rodari, der Vatikanist der italienischen Tageszeitung Il Foglio. Dies betreffe auch die Übersetzung der liturgischen Texte, das Missale, das Lektionar, das Stundengebet. Papst Benedikt bemühe sich, dies wieder in Ordnung zu bringen und dafür zu sorgen, daß die verschiedenen volkssprachlichen Übersetzungen soweit wie möglich mit dem lateinischen Original übereinstimmen, eben mit der Sprache der Kirche, die vom Konzil nie abgeschafft wurde, aber von der Kirche aus verschiedenen Gründen nicht mehr verwendet wird. Ein Blick auf die Übersetzungen in die verschiedenen Landessprachen gibt schnell ernüchternden Einblick darüber, welche Abweichungen es gibt und daher auch der Überlieferung und der Lehre der Kirche widersprechen.
Vergangene Woche approbierte Papst Benedikt XVI. die englische Neuübersetzung des Missale Romanum. Die Übersetzungsarbeit nahm zehn Jahre in Anspruch und gelangte nicht ohne Mühen ans Ziel. Die Neuübersetzung war mit Nachdruck vom damaligen Kardinal Ratzinger gefordert worden, denn auch in der Übersetzung der liturgischen Texte gilt die Lesart des Papstes, die er am 22. Dezember 2005 in einer Ansprache vor der römischen Kurie betonte: Das Konzil war kein Moment des Bruches mit der Vergangenheit, sondern muß in der Sichtweise der Kontinuität interpretiert werden.
Die Neuübersetzung des Missale wurde vom englischsprachigen Episkopat genehmigt und wird ab Herbst 2011 allgemein in der Liturgie Verwendung finden. Doch nicht alle sind einverstanden. Einige Kreise in den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch in Rom, reagieren mit Vehemenz. Dabei wiederholen sich bereits bekannte Vokabeln. Einige sehen in der Neuübersetzung den Willen des Papstes, einen Schritt zurück hinter die Liturgiereform des Zweiten Vatikanums zu machen.
Pater Michael G. Ryan, Dompfarrer an der Kathedrale von Seattle in den USA, sammelte über Internet 20.000 Unterschriften. Mit diesen fordert er, daß die Neuübersetzung der „Überprüfung“ durch eine Gruppe von Pilot-Pfarreien übergeben werden solle, ehe sie in Kraft tritt. Es sei „paradox“, so Pater Ryan, daß man stundenlang in den Pfarreien zusammensitze, um über die Renovierung der Kirche oder es Pfarrsaals zu diskutieren, aber dann nicht einmal eine Minute, wenn es um die „Erneuerung“ der Liturgiesprache gehe. Die Unterschriften kämen aus England, Irland, Australien, Neuseeland, den USA und Kanada, so der Pfarrer. Seiner Meinung nach wäre es „ein großer Fehler, einfach so höchst kontroverse Übersetzungen einzuführen“.
Gegen die Neuübersetzung sprach sich auch Bischof Donald W. Trautmann, der ehemalige Vorsitzende der Liturgiekommission der amerikanischen Bischofskonferenz, und Pater Ansgar Chupuungco, ehemaliger Vorsitzender des Päpstlichen liturgischen Instituts Sant’Anselmo in Rom aus. Für sie werde mit der Reform die Uhr der Geschichte „um ein halbes Jahrhundert zurückgedreht“. In den USA steht der Episkopat jedoch geschlossen hinter der neuen Übersetzung: „Manche Texte und Formulierungen mögen anfangs nicht so vertraut klingen, doch je mehr man ihren Sinn versteht, desto sichtbarer und bedeutender wird ihr Gebrauch in der Liturgie sein“, erklärte Bischof Arthur J. Serratelli, der Vorsitzende der Gottesdienstkommission der Bischofskonferenz. Laut Bischof Serratelli werde ein großer Teil der Kritik vorgetragen, „ohne die Übersetzung zu kennen, sondern nur einige kurze, aus dem Zusammenhang gerissene Passagen“. Auch die neue Übersetzung sei „nicht perfekt“, doch nähere sie sich deutlicher an das lateinische Original an. „Die Perfektion werde nur dann erreicht, wenn die irdische Liturgie der himmlischen Liturgie den Vorrang läßt“, so Msgr. Serratelli. Einer vom lateinische Original abweichenden Übersetzung hafte immer das Stigma eines Rückschritts an, weshalb die Neuübersetzung in Wirklichkeit ein erheblicher Fortschritt sei.
(Palazzo Apostolico/GN, Bild: messainlatino )