Während Papst Benedikt XVI. mit intellektueller Brillanz die Angriffe des postmodernen Relativismus abwehrt, dessen Kirchenfeindlichkeit neuerdings unter dem Vorwand sexueller Mißbrauchsfälle durch eine irregeleitete, kleine Minderheit im katholischen Klerus auftritt, richtet er seinen Blick wohl schon auf das dritte Konsistorium seines Pontifikats. Dieses könnte bereits im Herbst 2010 von ihm einberufen werden.
Mit dem Konsistorium ist auch die Verleihung neuer Kardinalswürden verbunden. Die neu „kreierten“ Purpurträger werden im Rahmen der Vollversammlung in das Kardinalskollegium aufgenommen. Das Kardinalspurpur ist nach dem Papst die höchste Würde in der katholischen Kirche. Die Kardinäle, derzeit jene, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wählen seit 1000 Jahren exklusiv im Konklave den Nachfolger des Apostels Petrus und damit das Oberhaupt der Kirche. Aus ihren Reihen kommen seit Jahrhunderten die Päpste. Jede Ernennung bedeutet damit eine Weichenstellung für die Zukunft der Kirche, die bei einer Papstwahl nach katholischem Verständnis aus dem Zusammenwirken von Heiligem Geist und Kardinälen gestaltet wird.
Der Osservatore Romano, die offiziöse Tageszeitung des Papstes, erinnerte in diesen Tagen daran, wie „delikat“ und „schwierig“ die Auswahl der „großen Wahlmänner“ ist. Bereits vor 100 Jahren schrieb das Tagblatt des Papstes: „Der regierende Papst muß während seines Pontifikats dafür Sorge tragen, die Gruppe der Purpurträger aufzufüllen, doch nicht immer handelt es sich um eine Aufgabe, die leicht zu erfüllen ist.“ Von den üblichen Wegen, die zum Kardinalshut führen, sind heute noch drei in Gebrauch. Das ist vor allem der Cursus honorum der römischen Kurie, wo der Purpur mit einem bestimmten Amt im Vatikan verbunden ist oder – der zweite Weg – mit einem bestimmten „bedeutenden“ Bischofssitz (z.B. die Bischofssitze von Köln und Wien, Mailand und Paris). Hinzu kommen noch Ernennungen ad personam, mit denen der Papst besonders verdiente Persönlichkeiten ehrt, so zum Beispiel die Theologen Hans Urs von Balthasar und Leo Scheffczyk, die von Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben wurden.
Vor 100 Jahren waren es hingegen gekrönte Häupter oder Regierungen katholischer Staaten, die sogenannte „Kardinäle der Kronen“ oder „Kardinäle der Nationen“ präsentierten, wie sie dem damaligen Zeitgeist folgend benannt wurden. Heute scheinen die Regierungen zumindest keinen Druck mehr auf den Papst auszuüben, um aus Prestigegründen die Anzahl der Kardinäle aus ihrem Land zu erhöhen. Heute wie vor einem Jahrhundert führt die Berufung auf einige Bischofssitze traditionell auch zum Kardinalshut. Es handelt sich meist, aber nicht immer, um Hauptstädte oder historisch relevante Bischofsstühle.
Der Osservatore Romano erinnert auch an die grundlegenden sozialen Veränderungen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab Papst Pius IX. das Gewicht des Adels bei den Bischofsernennungen zurückdrängten. Immer häufiger wurden „Bürgerliche“ berufen, die auch aus bescheidensten Verhältnissen stammten. Dies galt zunächst für die Diözesanbischöfe, dann auch für die römische Kurie, wo sich für die Elite der katholischen Kirche die traditionellen Rekrutierungsmechanismen aus dem „schwarzen“, sprich päpstlichen italienischen Hochadel länger bewahrten. Die ersten vier Sekretäre von Papst Leo XIII. waren Bürgerliche, der vierte und letzte stammte aus dem Adel. Während seines Pontifikats entstand mit Rerum Novarum die erste Sozialenzyklika im modernen Sinn, die sich in der Berufung von Kardinälen aus dem Bauernstand in die höchsten Ämter der Kirche widerspiegelt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich der päpstliche „Senat“ von einer mehrheitlich italienischen, zu einer europäischen und heute internationalen Gemeinschaft. Derzeit wären 111 Kardinäle aus 50 Ländern bei einem Konklave wahlberechtigt. Weitere 71 haben das 80. Lebensjahr überschritten. Papst Benedikt XVI. ließ anklingen, daß er Zweifel an dieser Beschränkung des aktiven Wahlrechts hegt, die von Papst Paul VI. eingeführt wurde.
Mit der Apostolischen Konstitution Universi Dominici Gregis setzte Papst Johannes Paul II. die Zahl der wählenden Kardinäle auf 120 fest. In seiner fünfjährigen Amtszeit kreierte Papst Benedikt bisher 38 Kardinäle, weitere werden bald folgen.
Giuseppe Nardi