Oscar Romero, 30 Jahre nach seinem Martyrium – „Sie werden mich töten, ich weiß nicht, ob die Rechten oder die Linken“


(El Sal­va­dor) Msgr. à“scar Arnul­fo Rome­ro y Gal­dá­mez wur­de am 15. August 1917 in Ciu­dad Bar­ri­os in El Sal­va­dor gebo­ren. 1942 emp­fing er die Prie­ster­wei­he und 1970 die Bischofs­wei­he. 1977 ernann­te ihn Papst Paul VI. zum Erz­bi­schof von San Sal­va­dor. Am 24. März 1980 wur­de er in sei­ner Kathe­dra­le erschos­sen. Der ame­ri­ka­ni­sche Regis­seur und Film­pro­du­zent Oli­ver Stone wid­me­te ihm 1986 den Kino­film „Sal­va­dor“.

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Andrea Ric­car­di, der Vor­sit­zen­de der Gemein­schaft von Sant’Egidio und Ordi­na­ri­us für Zeit­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät Roma Tre wid­me­te Erz­bi­schof Rome­ro im Cor­rie­re del­la Sera fol­gen­de Erinnerung.

30 Jah­re sind ver­gan­gen seit jenem 24. März 1980, an dem um 18.25 Uhr ein geziel­ter Schuß den Erz­bi­schof von San Sal­va­dor, Oscar Rome­ro, töte­te. Er fiel töd­lich getrof­fen vor dem Altar zu Boden, an dem er gera­de die Hei­li­ge Mes­se zele­brier­te. Die Nach­richt ging um die gan­ze Welt. Ein Bischof ermor­det wäh­rend des Got­tes­dien­stes … Die Welt rede­te über El Sal­va­dor, das klei­ne und arme zen­tral­ame­ri­ka­ni­sche Land, das von kaum jemand beach­tet wur­de. Es wur­de das Land Rome­ros, dem ein­zi­gen Sal­va­do­ria­ner, den die Welt kannte.

Wer aber war Mon­si­gno­re Rome­ro? Ab 1977 war er Erz­bi­schof eines gebeu­tel­ten Lan­des, in dem eine star­ke Gue­ril­la-Bewe­gung (unter­stützt von Kuba­nern und Sowjets) die Mili­tär­herr­schaft bekämpf­ten, die im Dienst einer Agrar-Olig­ar­chie stand in einem über­aus armen und sehr katho­li­schen Land. Nach dem Mord begann die Welt­öf­fent­lich­keit über die­sen ver­zwei­fel­ten Krieg zu spre­chen, der fast 100.000 Men­schen­le­ben kosten soll­te. Die Gue­ril­la mach­te aus Rome­ro ein Sym­bol, das sich in ganz Latein­ame­ri­ka ver­brei­te­te: „San Rome­ro de Amé­ri­ca“ für die lin­ken Chri­sten und Befrei­ungs­theo­lo­gen. Ihm wur­de der Satz zuge­schrie­ben: „Ich wer­de in mei­nem Volk wie­der­auf­er­ste­hen“ (was Rober­to Moroz­zo in sei­ner Bio­gra­phie wie­der­leg­te). Es war eine Zeit, in der man sich ent­we­der für die eine oder die ande­re Sei­te ent­schei­den mußte.

Papst Woj­ty­la hat die dra­ma­ti­sche Bedeu­tung von Rome­ros Leben intui­tiv erfaßt. Als er 1983 nach sei­ner Kri­tik am san­di­ni­sti­schen Regime Nika­ra­gu­as El Sal­va­dor besuch­te, änder­te er das Pro­gramm und bestand dar­auf, das Grab Rome­ros zu besu­chen. Die Kathe­dra­le war geschlos­sen. Hart­näckig war­te­te er, bis sie ihm geöff­net wur­de. Kniend leg­te er die Hän­de auf das Grab und sag­te: „Rome­ro gehört uns.“ Die Armen Sal­va­dors beten an die­sem Grab und legen immer neu Blu­men nie­der. Man muß es gese­hen haben, um die Volks­fröm­mig­keit die­ser gede­mü­tig­ten und resi­gnier­ten Men­schen zu begrei­fen, die innig an Gott glau­ben. Im Jahr 2000 ent­schied der Papst auch Rome­ro unter den Mär­ty­rern zu nen­nen, indem er ihn als „unver­geß­lich“ bezeichnete.

Rome­ro war ein Mann der Kir­che im tra­di­tio­nel­len Sinn. Ange­sichts der Lage sei­nes Lan­des, das Gei­sel der Gewalt war, schau­te er nicht gelähmt zu, wie die Men­schen und die Prie­ster ermor­det wur­den. Er kämpf­te, so gut er konn­te, klag­te die Mili­tär­dik­ta­tur und die Gue­ril­la an, ver­such­te zu ver­mit­teln. Er wur­de zur unbe­que­men Gestalt in einem Krieg der Ideo­lo­gien. Er akzep­tier­te nicht zer­stö­re­ri­sche Ver­ein­fa­chun­gen, wonach man ent­we­der auf der Sei­te der Ord­nung oder des Vol­kes stand. In einem Kli­ma des Has­ses such­te er nach einer fried­li­chen Lösung, die unmög­lich schien. Weni­ge ver­stan­den sei­ne lei­den­de und muti­ge Kom­ple­xi­tät in einem Latein­ame­ri­ka, das aus dra­ma­ti­schen Sim­pli­fi­zie­run­gen bestand.

Rome­ro wur­de, daß er sein Leben ris­kier­te: „Sie wer­den mich töten, ich weiß nicht, ob die Rech­te oder die Lin­ke“, sag­te er Mon­si­gno­re Neves im Janu­ar 1980 bei einem Besuch in Rom. In einem vom Haß pola­ri­sier­ten El Sal­va­dor war kein Platz für ihn. Mit den blo­ßen Hän­den kämp­fend such­te er nach einem Platz für den Frie­den gegen die unver­söhn­li­che Logik des Kon­flikts. So wur­de er ermor­det. Der ideo­lo­gi­sche Kampf ging nach sei­nem Tod wei­ter und ver­ein­nahm­te durch Medi­en und Akteu­re auch die Erin­ne­rung an sei­ne Per­son. So gestal­te­te sich sein Selig­spre­chungs­pro­zeß als schwie­rig. In Wirk­lich­keit ist Rome­ro ein gro­ßer Christ (nicht ein Theo­lo­ge oder Poli­ti­ker). Die Erin­ne­rung an ihn ver­blas­sen las­sen, ist ein gro­ßer Ver­lust in vie­ler­lei Hin­sicht. Seit 1992 herrscht mit den Frie­dens­ab­kom­men die Demo­kra­tie in El Sal­va­dor. Die Rech­te regier­te lan­ge und seit 2009 ist die Lin­ke an der Macht. Es gibt seit fast 20 Jah­ren kei­ne Gue­ril­la mehr, doch man stirbt immer noch. Kri­mi­nel­le Ban­den töten unauf­hör­lich: 4365 Tote allein 2009. Die Gewalt ist eine Krank­heit, von der man nicht leicht genest. Sie ist eine anstecken­de Erb­last. Rome­ro hat­te es mit gro­ßem Weit­blick erkannt, blieb aber unver­stan­den. Don Pri­mo Maz­zo­la­ri sag­te: „Die Prie­ster wis­sen zu ster­ben.“ So war es bei Rome­ro, der wuß­te, gegen einen Kon­flikt anzu­kämp­fen, der stär­ker war als er.

(CorSer/​GN, Bild: giovaniemissione)

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