Benedikt XVI. hat den Weg frei gemacht für die Seligsprechung seines Vorgängers im Papstamt Pius’ XII. Diese Entscheidung hat sofort Kritik ausgelöst. Die Gründe sind hinlänglich bekannt. Jeder Katholik, der sich mit seiner Kirche verbunden fühlt, bildet sich eine eigene Meinung und wird sie auch Dritten gegenüber vertreten. Wer sich im Gewissen verpflichtet fühlt, fundiert zu urteilen, muß sich mit den Fakten vertraut machen. Dies kann vorzüglich geschehen durch die gründliche Lektüre des Buches „Eugenio Pacelli“. Es vereinigt, neben dem Grußwort des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx und der Eröffnungsansprache Walter Brandmüllers fünf Beiträge:
- Karl-Joseph Hummel „Eugenio Pacelli/Papst Pius XII.:
- Vom Vor-Urteil zur historischen Gerechtigkeit. Anmerkungen zum Wandel eines Geschichtsbildes“,
- Franz Xaver Bischof „Pius XII. und die Moderne“,
- Thomas Brechenmacher „Pius XII. und die Juden“,
- Heinz Hürten „Pius XII. und Michael Kardinal von Faulhaber“,
- Hans Maier „Pius XII. im Urteil der Nachwelt“.
Die Titel geben Auskunft über das jeweils Gebotene. Die Beiträge genügen nach Form und Inhalt hohen Ansprüchen, sind auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand und können daher wärmstens empfohlen werden.
Zu der Äußerung im letzten Beitrag: „… der Diplomat Pacelli bedauerte ausdrücklich, daß die Bischöfe die Verurteilung des Nationalsozialismus zurücknahen, ohne von der Regierung eine Gegenleistung zu verlangen“, soll der Leser dieser Rezension in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Haben die Bischöfe die Verurteilung des Nationalsozialismus im März 1933 wirklich zurückgenommen? In dem fraglichen Hirtenbrief heißt es:
„Die Oberhirten der Diözesen Deutschlands haben aus triftigen Gründen, die wiederholt dargelegt sind, in ihrer pflichtmäßigen Sorge für die Reinerhaltung des katholischen Glaubens und für Schutz der unantastbaren Aufgaben und Rechte der katholischen Kirche in den letzten Jahren gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung eine ablehnende Haltung durch Verbote und Warnungen eingenommen, die solange und insoweit in Geltung bleiben sollten, wie diese Gründe fortbestehen.
Es ist nunmehr anzuerkennen, daß von dem höchsten Vertreter der Reichsregierung, der zugleich autoritärer Führer jener Bewegung ist, öffentlich und feierlich Erklärungen gegeben sind, durch die der Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und den unveränderlichen Aufgaben und Rechten der Kirche Rechnung getragen sowie die vollinhaltliche Geltung der von den einzelnen Ländern mit der Kirche abgeschlossenen Staatsverträge durch die Reichsregierung ausdrücklich zugesichert wird. Ohne die in unseren früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzuheben, glaubt daher der Episkopat, das Vertrauen hegen zu dürfen, daß die vorbezeichneten allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen.“
Sieht so eine Kapitulation aus? Ferner gilt es zu bedenken, daß damals bereits Tausende von den Nationalsozialisten willkürlich verhaftet worden waren, darunter Hunderte Katholiken, deren Wohl und Weh – die Familien eingeschlossen – von den Bischöfen mitbedacht werden mußte.
Zusammenfassend ist Bischof Marx beizupflichten, der einleitend schreibt: „Die Kirche muß keine Angst vor der Wahrheit haben. Nur auf der Basis von Quellen ist es möglich, die geschichtliche Wahrheit ans Licht zu bringen und damit dem Leben und Werk von Pius XII. in sehr bewegter Zeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“
Peter Pfister (Hg.): Eugenio Pacelli – Pius XII. (1876–1958) im Blick der Forschung. Vorträge zur Ausstellung „Opus Iustitiae Pax“ in München, Regensburg: Verlag Schnell und Steiner, 2009, Euro 9,90, 136 Seiten, ISBN 798–3‑7954–2329‑2
Prof. Dr. jur. Konrad Löw ist Autor des Buches „Die Schuld. Christen und Juden im Urteil der Nationalsozialisten und der Gegenwart“
[Anzeige]