Die einen wünschen sich eine Revision, wie der Bundesminister für Minderheitsfragen, Shahbaz Batti; andere fordern die sofortige Abschaffung, wie Erzbischof Lawrence Saldanha von Lahore und die Kommission Justitia et Pax; die Konferenz der Jamiat Ulema Pakistans (JUP), hält den Strafgesetz-Paragraphen für „unantastbar“ und drohen mit heftigen Protesten, sollte dies nicht respektiert werden.
Der „Blasphemie-Paragraph“ umfaßt die Artikel 295b, 295c, 298a, 298b und 298c des pakistanischen Strafgesetzbuchs und sieht Haftstrafen oder auch die Todesstrafe für diejenigen vor, die den Namen des Propheten Mohammed oder den Koran beleidigen.
Das Thema – mit dem sich die christliche Glaubensgemeinschaft seit langem befaßt – ist nach einer Ansprache des Ministers für Minderheitsfragen, Shabaz Batti erneut in die Öffentlichkeit zurückgekehrt.
Der Minister hielt in den Vereinigten Staaten eine Ansprache bei einer Konferenz verschiedener christlicher Organisationen, darunter Voice of Martyrs, Christian Solidarity Worldwide und betonte, er begrüße eine „Revision“ des Gesetzes, wobei er auch erklärte, daß die Regierung „sich Gedanken über eine Änderung“ mache. „Die Aussöhnung zwischen den Religionen gehört zu den Prioritäten der Regierung unter Asif Ali Zardari, so der Minister, und die Revision des Gesetzes sei ein wichtiges Instrument auf diesem Weg. Der Minister, selbst Katholik, gab auch bekannt, daß „Gespräche mit allen politischen Parteien im Hinblick auf eine Revision des Gesetzes bis Ende 2010 stattfinden“. Ziel sei es „die Diskriminierung gegen religiöse Minderheiten abzuschaffen und das harmonische Zusammenleben der Religionen zu fördern.“
Die geplante Revision soll vor allem auch einem Mißbrauch des Gesetzes vorbeugen: die Richter sollen Ermittlungen im Zusammenhang mit einer Anzeige anstellen können, bevor eine formelle Anklage wegen Blasphemie gestellt wird.
Doch nicht alle christlichen Gemeinden sind mit der Position des Ministers zufrieden. Wie Bischof Lawrence Saldanha betonte, „fordern die Christen eine Abschaffung des Paragraphen, den sie als ungerecht und diskriminierend betrachten. Dabei erinnert er auch daran, daß die Kommission Justitia et Pax Unterschriften für eine öffentliche Petition sammelt, die die Abschaffung des Gesetzes fordert.
Auch der Vorsitzend des Pakistan Christian Congress (PCC), Nazir S. Bhatti betont, daß „20 Millionen pakistanische Christen seit jeher die Abschaffung des Blasphemie-Paragraphen fordern, der von muslimischen Gruppen oft zu Lasten der Minderheiten mißbraucht wird“. Die PCD ist bereit, sich mit dem Anliegen an das Oberste Gericht in Pakistan zu wenden.
An der Debatte beteiligt sich auch die Konferenz der Jamiat Ulema Pakistans, die über 30 religiös geprägte Parteien des Landes vertritt. Die Konferenz bekräftigt nachdrücklich, daß „niemand befugt ist, den Blasphemie-Paragraphen anzutasten“. „Wir werden umfassende Proteste auf den Weg bringen, sollten unsere Gesetzgeber ihr schändliches Vorhaben im Hinblick auf eine Gesetzesänderung weiter vorantreiben“, lautet die Warnung der Konferenz an die Regierung.
Die jüngsten Fälle des Missbrauchs des „Blasphemie-Paragraphen“
Wie aus den vom Christian Study Center in Rawalpindi und von der Kommission Justitia et Pax zur Verfügung gestellten Daten hervorgeht kam es im Jahr 2009 zu folgenden Fällen des Mißbrauchs des so genannten Blasphemie-Paragraphen zu Lasten von Christen:
- 30. Juni 2009: Bahamniwala, Kasur (Punjab): über 110 christliche Familien werden der Blasphemie beschuldigt und gezwungen ihre Wohnungen zu verlassen, um den angedrohten Übergriffen von Muslimen aus den benachbarten Dörfern zu entgehen. Auslöser war ein Streit zwischen christlichen und muslimischen Jugendlichen, der in religiöse Gewalt ausartete.
- 1. August 2009: Korian, Gojra (Punjab): bei einer Hochzeitsfeier wurde ein Brandanschlag auf 40 christliche Familien und deren Eigentum verübt, die der Blasphemie beschuldigt worden waren. Neun Frauen und Kinder, denen es nicht gelang den Flammen zu entkommen, verbrannten bei lebendigem Leib. Zu der Tat bekannte sich eine von der Regierung verbotene militante Organisation. Es gibt Beweise dafür, daß die Tat von den lokalen Behörden „gedeckt“ wurde.
- 15. September 2009: Jethike, Sialkot (Punjab): der christlichen Jugendlichen Robert Fanish Mashi wurde erhängt in einer Gefängniszelle aufgefunden. Nach Aussagen der Polizei handelte es sich um einen Selbstmord. Der junge Mann war wenige Tage zuvor wegen angeblicher Blasphemie festgenommen worden. Offensichtliche Zeichen der Folter und zahlreiche Verletzungen widerlegen die offizielle Selbstmord-Version.
Die Artikel des Strafgesetzbuchs, aus denen sich der so genannte „Blasphemie“-Paragraph zusammensetzt, wurden zwischen 1980 und 1986 unter dem damaligen pakistanischen Präsidenten Zia-ul-Haq eingeführt und sollten zur Achtung des Propheten Mohammed und des Koran beitragen.
Von 1986 bis 2009 wurden mindestens 966 Personen der Blasphemie beschuldigt: 50% Muslime, 35% Ahmadi, 13% Christen, 1% Hindus und 1% mit nicht spezifisch benannter Religionszugehörigkeit. Mindestens 33 Menschen wurden im Zusammenhang mit einer Anschuldigung ermordet: 15 Muslime, 15 Christen, 2 Ahmadi und 1 Hindu.
(Fides)