Anglikaner: Eine kleine Orientierungshilfe zwischen AngloCatholics, Evangelicals und Broad Church


Die von Papst Bene­dikt XVI. errich­te­te Per­so­nal­prä­la­tur für Angli­ka­ner, die in die Katho­li­sche Kir­che zurück­keh­ren wol­len, macht eine Bestands­auf­nah­me der Situa­ti­on inner­halb der angli­ka­ni­schen Welt­ge­mein­schaft not­wen­dig. Eine klei­ne Ori­en­tie­rungs­hil­fe zwi­schen Anglo­Ca­tho­lics, Evan­ge­li­cals, Broad Church deren Ein­fluß und Gewicht.

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Die Anglo­Ca­tho­lics sind der katho­li­schen Tra­di­ti­on ver­bun­den. In Fra­gen der Glau­bens­leh­re ste­hen sie der katho­li­schen Kir­che weit­ge­hend nahe, eben­so in vie­len Aspek­ten der Lit­ur­gie, was im Begriff der High Church zum Aus­druck kommt. Sie erleb­ten im 19. Jahr­hun­dert eine beacht­li­che Ent­wick­lung unter dem Ein­fluß der Oxford-Bewe­gung, die vom spä­te­ren Kar­di­nal John Hen­ry New­man ange­führt wur­de. Die katho­li­sche Kon­ver­si­on New­mans, des spä­te­ren Kar­di­nals Hen­ry Edward Man­ning und vie­ler ande­rer schwäch­te jedoch die Bewe­gung inner­halb des Angli­ka­nis­mus. Eine wei­te­re Schwä­chung folg­te auf die Pro­kla­ma­ti­on des Unfehl­bar­keits­dog­mas und das Apo­sto­li­sche Schrei­ben Apo­sto­li­cae curae von Papst Leo XIII., mit dem angli­ka­ni­sche Wei­hen für ungül­tig erklärt wurden.

Die Evang­li­cals ste­hen hin­ge­gen dem Pro­te­stan­tis­mus am näch­sten, dem Sola scrip­tu­ra, und sind stark cal­vi­ni­stisch geprägt mit einem bigot­ten Mora­lis­mus und einem lit­ur­gi­schen Mini­ma­lis­mus, was sich im Begriff der Low Church aus­drückt. Aus die­ser Strö­mung sind im Lau­fe der Jahr­hun­der­te eine Viel­zahl neu­er Rich­tun­gen und Deno­mi­na­tio­nen ent­stan­den, so die Pres­by­te­ria­ner, die Quä­ker, die Metho­di­sten, Bap­ti­sten und auch die Puri­ta­ner, die im 17. Jahr­hun­dert sieg­reich aus dem eng­li­schen Bür­ger­krieg her­vor­gin­gen. Unter ihrer Herr­schaft wur­de König Karl I. hin­ge­rich­tet, das Fei­ern von Weih­nach­ten unter schwe­re Stra­fe gestellt, eben­so das Thea­ter­spiel und das Auf­stel­len eines Kreu­zes auf einem Altar.

Die Broad Church bil­det, wie der Name bereits aus­drückt, den brei­ten Kör­per­bau des Angli­ka­nis­mus. Sie ist eine Ansamm­lung häu­fig wenig exakt defi­nier­ter Glau­bens­leh­ren, bei zudem oft unge­klär­ten dog­ma­ti­schen Fra­gen. Heu­te wür­de man von einer „inklu­si­ven“ Reli­gi­on spre­chen, in der es nicht unbe­dingt not­wen­dig ist, den­sel­ben Glau­ben zu haben. Sie bil­de­te stets die größ­te und wich­tig­ste Strö­mung inner­halb der angli­ka­ni­schen Welt­ge­mein­schaft. Die Broad Church ist der Motor für die galop­pie­ren­de Säku­la­ri­sie­rung der letz­ten Jahr­zehn­te, die u.a. zur Aner­ken­nung von künst­li­cher Ver­hü­tungs­mit­tel, Frau­en­or­di­na­ti­on, homo­se­xu­el­ler Ver­bin­dun­gen und der Ordi­na­ti­on prak­ti­zie­ren­der Homo­se­xu­el­ler zu Prie­stern und Bischö­fen führte. 

Die Anglo­Ca­tho­lics sind vor allem in Eng­land und Austra­li­en ver­hält­nis­mä­ßig stark. In der Drit­ten Welt über­wiegt die evan­ge­li­ka­le Rich­tung mit deut­lich cha­ris­ma­ti­schem Anstrich. In den USA, wo sich die Angli­ka­ner Epi­skopa­li­sten nen­nen, ist ein akzen­tu­ier­ter Moder­nis­mus ton­an­ge­bend, der die Welt­ge­mein­schaft immer wei­ter an den Rand der Spal­tung führ­te. Die Ernen­nung des ersten prak­ti­zie­ren­den Homo­se­xu­el­len zum Bischof in New Hamp­shire führ­te zur Abspal­tung kon­ser­va­ti­ver Gemein­den, die sich von der Pro­vinz USA los­sag­ten und sich der Pro­vinz Nige­ria anschlos­sen. Ent­lang die­ser Linie voll­zog sich fak­tisch bereits eine nicht erklär­te Spal­tung zwi­schen den pro­gres­si­ven Broad Church-Pro­vin­zen und den kon­ser­va­ti­ve­ren, Low Church gepräg­ten afri­ka­ni­schen Pro­vin­zen. Zahl­rei­che Bischö­fe der letz­te­ren Grup­pe ver­wei­ger­ten die Teil­nah­me an der tra­di­tio­nel­len Lam­beth-Kon­fe­renz, obwohl der umstrit­te­ne Bischof von New Hamp­shire nicht ein­ge­la­den war, und ver­an­stal­te­ten als Glo­bal Angli­can Future Con­fe­rence (GAFCON) ein Gegen­tref­fen in Jerusalem.

Die Gaf­con ver­tritt nach eige­nen Anga­ben rund 35 Mil­lio­nen Angli­ka­ner, mit ande­ren Wor­ten etwas weni­ger als die Hälf­te der gesam­ten Welt­ge­mein­schaft. Ihr Spre­cher, der nige­ria­ni­sche Erz­bi­schof Peter Aki­no­la hat soeben höf­lich das Ange­bot Roms zur Rück­kehr erwar­tungs­ge­mäß abge­lehnt. In moral­theo­lo­gi­schen Fra­gen besteht zwar ein deut­li­ches Nahe­ver­hält­nis, in Fra­gen der Glau­bens­leh­re ste­hen die Evan­ge­li­cals jedoch dem Cal­vi­nis­mus deut­lich näher und haben auch nichts gegen die Frau­en­or­di­na­ti­on (als „gute Pro­te­stan­ten“ haben sie kein wirk­li­ches Ver­ständ­nis des Priestertums).

Das römi­sche Ange­bot rich­te­te sich daher weder an die Low Church und noch weni­ger an die Broad Church, son­dern an die Anglo­Ca­tho­lics. Aber auch bei ihnen gilt es zu differenzieren.

Die Anglo-Papi­sten sind die wohl künf­ti­gen Ange­hö­ri­gen der neu­errich­ten Per­so­nal­prä­la­tur. In Eng­land sind sie in der Ver­ei­ni­gung For­ward in Faith zusam­men­ge­schlos­sen. Die Tra­di­tio­nal Angli­can Com­mu­ni­on hat sich bereits vor eini­gen Jah­ren von Can­ter­bu­ry abge­spal­ten. Obwohl sie daher recht­lich nicht mehr der angli­ka­ni­schen Welt­ge­mein­schaft ange­hö­ren, ver­tre­ten sie die­sel­be Rich­tung und wol­len nun offen­sicht­lich gemein­sam mit For­ward in Faith samt ihren Bischö­fen und Prie­stern in die Ein­heit mit der katho­li­schen Kir­che zurück­keh­ren. Wei­te­re Con­ti­nuing Churches, die sich auf­grund von ein­ge­führ­ten Neue­run­gen von der Welt­ge­mein­schaft lösten, könn­ten die­sem Bei­spiel fol­gen. (Auch in die­sem Feld gibt es unter­schied­li­che Rich­tun­gen evan­ge­li­ka­len, klas­sisch angli­ka­ni­schen, pro- oder auch anti-römi­schen Zuschnitts.)

Die Smells and Bells Anglo­Ca­tho­lics, anders aus­ge­drückt die pro­gres­si­sti­schen Anglo­Ca­tho­lics, sind vor allem in der Ver­ei­ni­gung Affir­ming catho­li­cism zusam­men­ge­schlos­sen, wobei der Name aller­dings irre­füh­rend scheint. Ihr scheint auch der Erz­bi­schof von Can­ter­bu­ry, Rowan Wil­liams, nahe­zu­ste­hen. Sie gel­ten als Ästhe­ten und behal­ten fei­er­li­che Got­tes­dien­ste bei, die in vie­lem an die katho­li­sche, sogar an die triden­ti­ni­sche Lit­ur­gie erin­nern. Daher der Über­nah­me von Weih­rauch und Glocken. Aller­dings seg­ne­ten sie auch die „Ehe“ zwei­er homo­se­xu­el­ler angli­ka­ni­scher „Prie­ster“.

(Giu­sep­pe Nardi)

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