In der Diskussion um die Wiederaufnahme der vier 1988 von Erzbischof Marcel Lefebvre ohne Zustimmung des damaligen Papstes geweihten Bischöfe durch Papst Benedikt XVI. vermengen sich verschiedene Ebenen. Die Versöhnungsgeste des Heiligen Vaters und die Frage nach dem künftigen (und wohl auch bisherigen) Umgang mit den „Traditionalisten“ in der katholischen Kirche wird durch eine hitzige Polemik über ein Fernsehinterview von Bischof Richard Williamson, einem der vier Bischöfe, überschattet. Ein unvollständiger Überblick über den medialen Schlagabtausch in Italien.
Bereits am 23. Januar, als erste Indiskretionen über eine bevorstehende Aufhebung der Exkommunikation in den Medien auftauchten, forderte Oberrabbiner David Rosen, Vorsitzender des International Jewish Committee for Interreligious Consultations (IJCIC) und internationaler Direktor für interreligiöse Angelegenheiten des American Jewish Comitee (AJC) „mit Nachdruck vom Vatikan eine Bekräftigung seiner vorbehaltlosen Ablehnung und Verurteilung jeglicher Leugnung des Holocaust“. Gleichzeitig wurde bekräftigt, daß die „Versöhnung“ zwischen der Kirche und den Traditionalisten „eine alleinig kircheninterne Angelegenheit ist.“ Rosen war erst vor kurzem mit einer Delegation des IJCIC von Papst Benedikt XVI. im Vatikan empfangen worden.
Die Antwort folgte bereits am nächsten Tag mit einer Sondersendung von Radio Vatikan über das Lehramt Benedikts XVI. zur Shoah. Dabei wurde unterstrichen, daß dessen Pontifikat „von Anfang an durch eine besondere Aufmerksamkeit für das Judentum gekennzeichnet ist“. Bei seinem Besuch in Auschwitz am 28. Mai 2006 hatte der Papst wörtlich erklärt: „Mit der Zerstörung von Israel durch die Shoah wollten sie [die Nationalsozialisten] letzten Endes auch die Wurzeln ausreißen, aus denen der christliche Glaube erwächst, und sie endgültig durch einen selbstgemachten Glauben ersetzen, einen Glauben in der Macht des Menschen, des Starken“, wie die Associated Press berichtete.
Als der Pressesaal des Heiligen Stuhls am selben Tag die Aufhebung der Exkommunikation bekanntgab, bekräftigte Pressesprecher P. Federico Lombardi gleichzeitig, daß die Aufhebung „absolut nichts“ mit den Aussagen Williamsons zu tun hätten.
Während Ygal Palmor, Sprecher des israelischen Außenministeriums, Nachfragen von Journalisten mit einem „No comment“ quittierte und betonte, daß die Aufhebung der Exkommunikation „keine Frage ist, die das Verhältnis zwischen den beiden Staaten betrifft“, erklärte Oberrabbiner Rosen nun, daß der Vatikan „die Zukunft der historischen Versöhnung zwischen katholischer Kirche und jüdischem Volk gefährdet“. Unter Berufung auf Papst Johannes Paul II. warf Rosen dem Vatikan vor „die berührende und beeindruckende Zurückweisung und Verurteilung des Antisemitismus“ jenes Papstes „zu verhöhnen“.
Gleichzeitig warf er dem Vatikan vor, daß die Wiederaufnahme Williamsons „die ganze Kirche verunreinige“ und bezeichnete Williamson als „Antisemiten“ (AP). Vor allem erklärte er nun, daß es „nicht genüge“, daß der Vatikan seine bisherige klare Haltung bekräftige: „Es zählen nicht die Worte, sondern die Taten“, so Rosen.
Am folgenden Tag meldete sich auch der Oberabbiner von Rom, Riccardo Di Segni zu Wort und sprach zurückhaltend von „bedrohlichen Wolken, die sich über dem jüdisch-christlichen Dialog zusammenzuziehen scheinen“. Zur selben Zeit verbreitete Yad Vashem eine harte Stellungnahme: Es sei ein „Skandal, daß jemand von diesem Kirchenrang den Holocaust leugne. Die Leugnung des Holocaust beleidigt die Überlebenden, die Erinnerung der Opfer und die Gerechten unter den Nationen, die ihr Leben riskierten, um die Juden zu retten, es ist ein brutaler Angriff auf die Wahrheit“. Yad Vashem ist Zentrum einer seit Jahren anhaltenden Polemik rund um einen Kommentar, der dort unter einem Bild von Papst Pius XII. angebracht ist. Der Besuch der Gedenkstätte durch Papst Benedikt XVI. soll anläßlich seiner Reise im Mai in das Heilige Land geplant sein. Allerdings nicht ein Besuch des angegliederten Museums, in dem sich die umstrittene Kritik an Pius XII. befindet.
Abraham Foxman, Direktor der Anti-Defamation League (AdL), einer der bedeutendsten jüdischen Organisationen in den USA, ließ verlauten, daß die Aufhebung der Exkommunikation ein Zeichen dafür sei, „daß in der Kirche Platz für Negationisten“ sei. Der Rabbiner von Venedig, Elia Enrico Richetti, erklärte, daß der jüdisch-christliche Dialog unter Papst Benedikt um 50 Jahre zurückgeworfen worden sei.
Renzo Gattegna, der Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinden Italiens (UCEI) forderte eine „eindeutige Klärung“ und „eine positive Geste“.
In einer Rede vor dem ständigen Rat der italienischen Bischofskonferenz verurteilte deren Vorsitzender, Kardinal Angelo Bagnasco, entschieden die Angriffe auf den Papst: „Wir können die ungerechtfertigten Worte, die einige Vertreter der italienischen Rabbiner geäußert haben, sicher nicht gutheißen.“
Gleichzeitig äußerte er die Hoffnung, daß die Schwierigkeiten sich bald auflösen und bekräftigte, daß „wir Zeugen der herzlichen theologischen Haltung sind, die unverrückbar den Heiligen Vater zugunsten dieser Brüder [die Juden] bewegt. Gleichzeitig bekräftigte er erneut, daß es sich um eine „haltlose und unbegründete Privatmeinung“ Williamsons gehandelt habe, „für die wir unser Bedauern zum Ausdruck bringen. Die Stellungnahme Kardinal Bagnascos fand in den italienischen Medien großes Echo.
Am selben Tag publizierte der Osservatore Romano, die offiziöse Tageszeitung des Heiligen Stuhls, einen Gastkommentar der jüdischen Zeithistorikerin Anna Foa, in dem sie dem „Negationismus“ „ jedwede Berechtigung“ abspricht und als „Lüge“ bezeichnet, die „nicht nur die extreme nazistische Rechte“ betreffe, sondern auch „den extremen Pazifismus, den Antiamerikanismus, die Abneigung gegen die Moderne“. „Hinter dem Negationismus steckt nur ein Beweggrund, eine einzige Absicht: der Antisemitismus. Alles andere ist eine Lüge.“
Andrea Tornielli schrieb in der Tageszeitung Il Giornale zu den Angriffen auf den Heiligen Stuhl, daß die „zahlreichen Schritte der letzten Jahrzehnte wie vergessen scheinen“. „Begonnen“ habe die Klimaverschlechterung zwischen der Kirche und den Juden bereits vor Monaten mit der Ankündigung der italienischen Rabbiner, wegen des katholischen Karfreitagsgebets für die Juden nicht am diesjährigen „Tag des Judentums“, unmittelbar vor Beginn der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen teilzunehmen.
Ein Blick in die Kommentarseiten der Internetauftritte von italienischen Tageszeitungen und Fernsehsendern zeichnete ein wesentlich anderes Bild, als es viele Medienberichte erwarten ließen. Die Kommentarschreiber kritisierten wohl teilweise auch den Papst, wobei die Kritik häufig eine grundsätzliche Abneigung gegenüber der Kirche zum Ausdruck bringt. Die meisten Kommentatoren wiesen gleichzeitig die jüdischen Stellungnahmen als „unangebrachte Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten“ zurück, wie die Tageszeitung Libero berichtete.
Dennoch verstummte die Polemik nicht. Der Rabbiner Shlomo Bekhor ging gegenüber der Presseagentur ADNKronos vielmehr einen Schritt weiter und erklärte Richtung Papst: „Er kann nicht jemanden in seiner Mannschaft behalten, der dem Massenmord positiv gegenübersteht, und sagen, daß man mit diesem nicht einer Meinung sei, aber gleichzeitig mit ihm weiterspielen. Wenn Du mit ihm nicht einverstanden bist, mußt Du ihn aus der Mannschaft entfernen.“ In das gleiche Horn blies das Parteiorgan der italienischen Linksdemokraten, einer Nachfolgeorganisation der einstigen Kommunistischen Partei Italiens, vor allem in gesellschaftspolitischen und bioethischen Fragen häufig auf Konfrontationskurs mit dem kirchlichen Lehramt.
Am 29. Januar folgten noch Nachhutsgefechte. Dazu zählt nach einem internen Tauziehen im Oberrabbinat von Israel die Absage, im März an einem in Rom geplanten Treffen zwischen der für den Dialog mit den Juden zuständigen Kommission des Heiligen Stuhls und dem Oberrabbinat teilzunehmen, wie die Agentur ASCA berichtet.
In den zahlreichen politischen Stellungnahmen zum Tag ging einzig Gianfranco Fini, der Präsident der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments auf Williamson ein. Der letzte Vorsitzende der rechtsnationalen Alleanza Nazionale, der selbst jahrzehntelang in der neofaschistischen Partei Italiens aktiv war, bezeichnete Williamson als „niederträchtig“: „Negationistische Theorien sind immer niederträchtig, sie sind es aber noch mehr, wenn sie von einer Person mit kirchlichem Auftrag geäußert werden.“
Die „Ermahnungen“ von Kardinal Bagnasco veranlaßten Roms Oberrabbiner Di Segni am 27. Januar zu einer neuerlichen Wortmeldung, mit der sich der Ton verschärfte. „Wir sind erst am Anfang, Williamson ist nur die Spitze des Eisbergs“. Die jüdische Welt beunruhige „eine ganze theologische Idee, die die Positionen des Konzils gegenüber den Juden in Frage stellt. Deshalb braucht es wesentlich mehr, als nur einen einfachen Widerruf.“
Gleichzeitig erkannte er in den Worten des Vorsitzenden der Bischofskonferenz den Willen an, „eine kranke Idee total auszugrenzen“. Versöhnlicher gab sich der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde von Rom, Riccardo Pacifici: „Wir müssen nach vorne schauen. Ich bin überzeugt, daß der Dialog mit der Kirche heute mehr denn je notwendig ist. Wir durchleben komplizierte und angespannte Augenblicke, doch es ist notwendig, mit der Kirche gemeinsame Werte und Initiativen zu teilen, um ein entspanntes Klima im Land zu fördern.“
Gegen den medialen Strom schwamm die Tageszeitung der in Norditalien starken föderalistischen Lega Nord. Dort wurde ein Gastkommentar von Maurizio Ruggiero, dem Koordinator der Bewegung Sacrum Imperium veröffentlicht. Nach der Feststellung, daß die Kirche „immer Rassismus und Antisemitismus abgelehnt hat“, folgt eine längere historische Ausführung zum „Antijudaismus“, der „ganz eine andere Sache“ sei. Ruggiero geht dabei auf die „falsche jüdisch-talmudische Religion“ ein, „die nach der Ankunft des Retters keinen Sinn mehr“ habe.
Vor allem kritisiert er jene „linken Kreise“, die „vor wenigen Tagen, nach den Ereignissen von Gaza, auf den Straßen lauthals brüllten: ‚Es lebe Hamas, Juden in die Gaskammern!‘ “ und nun „den Papst und die Kirche angreifen“.
Zu diesem Zeitpunkt verfaßte Bischof Bernard Fellay, Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X. im deutschen Menzingen ein Schreiben an den Heiligen Vater, in welchem er sich von den Aussagen seines Mitbruders distanzierte und feststellte, daß sie „in keiner Weise die Position unserer Bruderschaft widerspiegeln“. Deshalb habe er Williamson „bis auf weiteres jegliche öffentliche Stellungnahme zu politischen oder historischen Fragen untersagt“.
Gleichzeitig bat er den Papst „und alle Menschen guten Willens“ um Verzeihung für die „dramatischen Folgen“ von Williamsons Aussagen. Ebenso brachte er sein Bedauern zum Ausdruck, daß diese „direkt unsere Bruderschaft getroffen haben und deren Mission diskreditieren“.
Am selben Tag zeigte sich der linksliberale Journalist Antonio Polito in der Tageszeitung Il Riformista „verwundert“ über „den Aufstand von Laizisten und Liberalen – Freunde Israels und der Juden so wie wir“ zugunsten einer Exkommunikation, mag es auch um eine Meinung gehen, die die „beschämemder aller Meinungen“ ist, wie er den Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn zitierte. Dabei erinnerte er an die „vielen Liberalen, darunter auch etliche jener, die nun die Aussagen Williamson zu Recht entschieden kritisieren, die seinerzeit die Verhaftung und Verurteilung des britischen Historikers David Irving nach dem Verbotsgesetz durch Österreich kritisierten“.
Der Zentralrat der Juden Deutschlands brach kurzzeitig die Beziehungen zur katholischen Kirche ab, wie dessen Vorsitzende Charlotte Knobloch gegenüber der Rheinischen Post erklärte, „um ein Zeichen zu setzen“.
Am 28. Januar erschien die Jerusalem Post mit der Nachricht, das Oberrabbinat von Israel habe dem Vatikan schriftlich den Abbruch der Beziehungen mitgeteilt und eine „öffentliche Entschuldigung“ gefordert. Die schwerwiegende Nachricht wurde umgehend von zahlreichen Medien weiterverbreitet.
Zu diesem Zeitpunkt äußerte sich Papst Benedikt XVI. bei der traditionellen Mittwochsaudienz und sprach den „jüdischen Brüdern“ seine „Solidarität“ aus und forderte, daß die Shoah „eine Mahnung gegen jede Unterdrückung und Negationismus“ sein möge. Damit war Klarheit geschaffen.
Die Meldung der Jerusalem Post sollte sich als nicht richtig erweisen. Der Generaldirektor des Oberrabbinats, Odet Wiener, bezeichnete die Rede des Papstes als „großen Schritt vorwärts zur Klärung der Frage“ und „als sehr wichtig für uns und für die ganze Welt“.
Der israelische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Mordechay Lewy, äußerte Genugtuung über die Rede und Roms Oberrabbiner sprach von „notwendigen und willkommenen Worten die zur Klärung vieler Mißverständnisse sowohl zum Negationismus als auch zum Konzil beitragen“.
Parallel dazu erklärte Wiener in einem Sky-Interview zu Williamson, daß „diese Person von jedem öffentlichen Ort zurückgewiesen werden müßte“.
Allerdings meldete sich am Nachmittag erneut David Rosen zu Wort, der auch Berater des israelischen Oberrabbinats ist: „Ohne eine Entschuldigung von Williamson oder eine Erklärung des Vatikans, daß er nicht mehr als Bischof in der Kirche akzeptiert wird solange er solche Meinungen äußert, bleibt die Situation zwiespältig.“
Der Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Müller, erklärte inzwischen Bischof Williamson in seiner Diözese zur persona non grata.
Am 29. Januar folgten noch Nachhutsgefechte. Dazu zählt nach einem internen Tauziehen im Oberrabbinat von Israel die Absage, an den in Rom zwischen der für den Dialog mit den Juden zuständigen Kommission des Heiligen Stuhls und dem Oberrabbinat, wie die Agentur ASCA berichtet.
(Giuseppe Nardi/JF)