Zweifel am „deutschen Lourdes“


(Trier) Der Trie­rer Pro­fes­sor Bern­hard Schnei­der hält die angeb­li­chen Mari­en­er­schei­nun­gen der Jah­re 1876 und 1999 im saar­län­di­schen Mar­pin­gen nicht für echt. Das sag­te der Kir­chen­hi­sto­ri­ker in sei­nem Vor­trag „Das ‚deut­sche Lour­des’: Mar­pin­gen 1876“, den er am Diens­tag, 24. Juni im Rah­men einer Ring­vor­le­sung zur „Welt des Wun­der­ba­ren: Lour­des, Mari­en­er­schei­nun­gen, Wun­der und die Kunst“ an der Trie­rer Uni­ver­si­tät hielt. Schnei­der war Mit­glied der bischöf­li­chen Kom­mis­si­on, die von 1999 bis 2005 die Ereig­nis­se in Mar­pin­gen untersuchte.

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„Struk­tu­rell gibt es gro­ße Über­ein­stim­mun­gen zu den Erschei­nun­gen in Lour­des, trotz­dem gibt es gra­vie­ren­de Dif­fe­ren­zen zwi­schen bei­den“, urteil­te Schnei­der. So sei­en zwar bei­de Orte, Lour­des und Mar­pin­gen, pro­vin­zi­el­le und unbe­deu­ten­de Dör­fer gewe­sen und in bei­den Fäl­len sei von einer wei­ßen Dame die Rede gewe­sen, die in Lour­des einem Mäd­chen, in Mar­pin­gen drei jun­gen Mäd­chen erschie­nen sein soll. Doch anders als im Fall der Ber­na­dette Sou­bi­rous hät­ten die Mar­pin­g­er Gescheh­nis­se star­ke Zwei­fel auf­kom­men lassen.

So sei­en die angeb­li­chen Wun­der­hei­lun­gen medi­zi­nisch nicht nach­prüf­bar gewe­sen, und die Mari­en­er­schei­nun­gen sei­en nicht nur im Wald, son­dern auch in Häu­sern und in der Schu­le, ja selbst in einem Uhren­ka­sten auf­ge­tre­ten. Mar­ga­re­tha Kunz, eines der Mäd­chen, habe 1889 einer Ordens­schwe­ster gestan­den, daß die angeb­li­chen Erschei­nun­gen eine Lüge gewe­sen sei­en. Offen­bar hät­ten vor allem die Erwach­se­nen bei den Mäd­chen gro­ße Erwar­tun­gen geschürt. Der Wider­ruf der 1905 ver­stor­be­nen Frau und die zahl­rei­chen Unge­reimt­hei­ten sei­en „Fels­brocken gegen die Eta­blie­rung eines deut­schen Lour­des“ gewe­sen, sag­te Schneider.

Der Kir­chen­hi­sto­ri­ker wies auf die beson­de­re Zeit der ersten Gescheh­nis­se in Mar­pin­gen hin. In den als rück­stän­dig ange­se­he­nen katho­li­schen Regio­nen Preu­ßens sei gera­de wäh­rend der Zeit des Kul­tur­kamp­fes die Volks­fröm­mig­keit mit Wall­fahr­ten und Mari­en­ver­eh­rung auf­ge­blüht. Weil das Bis­tum Trier aber durch die Umstän­de – die preu­ßi­sche Regie­rung ließ den dama­li­gen Bischof Mat­thi­as Eber­hard ver­haf­ten und ins Gefäng­nis stecken – damals gelähmt gewe­sen sei, sei­en die Ereig­nis­se damals nicht rich­tig unter­sucht wor­den. „Das Bis­tum zeig­te sich sehr zag­haft in der Unter­su­chung der Vor­komm­nis­se“, sag­te Schnei­der. Auch der preu­ßi­schen Staats­ge­walt atte­stier­te Schnei­der Ver­sa­gen: So sei Mili­tär gegen die tau­sen­den Pil­ger und Schau­lu­sti­gen ein­ge­setzt wor­den und gegen die Betei­lig­ten habe der Staat Straf­ver­fah­ren wegen Betrugs ein­ge­lei­tet, die aber alle mit Frei­sprü­chen geen­det hät­ten. „Das Han­deln des repres­si­ven Staa­tes war Muni­ti­on für das Zen­trum, die Par­tei der Katho­li­ken, im par­la­men­ta­ri­schen Kampf gegen die Obrigkeiten.“

In der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on, bei der auch Anhän­ger der Echt­heits­theo­rie der Mar­pin­g­er Ereig­nis­se das Wort ergrif­fen, erin­ner­te Schnei­der dar­an, daß der ehe­ma­li­ge Bischof von Trier und jet­zi­ge Erz­bi­schof von Mün­chen, Dr. Rein­hard Marx, zwar in sei­nem Dekret vom Dezem­ber 2005 geschrie­ben habe: „Es steht nicht fest, daß den Ereig­nis­sen in Mar­pin­gen aus den Jah­ren 1876 und 1999 ein über­na­tür­li­cher Cha­rak­ter zukommt. Es bestehen schwer­wie­gen­de Grün­de, die es nicht erlau­ben, sie als über­na­tür­li­ches Gesche­hen anzu­er­ken­nen“. Doch sol­le der Ort Mar­pin­gen auch wei­ter­hin ein beson­de­rer Mari­en­wall­fahrts­ort bleiben.

(PM/​ JB)

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