Ein Blogger von RORATE CÆLI führte mit Bischof Richard Williamson, einem der vier Bischöfe, die von Erzbischof Marcel Lefebvre 1988 für die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX) geweiht wurden, ein Interview. Wir veröffentlichen dieses Gespräch in eigener Übersetzung.
- Bischof Richard Williamson,
1958 Abitur, studierte
lateinische, griechische,
französische, deutsche und
englische Literatur und war
anschließend dreieinhalb Jahre im
Universitätsdienst tätig.
Danach war er einundeinhalb
Jahre Journalist und
siebeneinhalb Jahre
Gymnasiallehrer. Mitte der
sechziger Jahre konvertierte
Bischof Richard Williamson
zum katholischen Glauben. Er
erkannte, daß der Mensch sich
in einer Sackgasse befindet und
nur die katholische Kirche die
Probleme des Menschen richtig
definiert und dem Menschen
Lösungen aufzeigt. 1976 wurde
er zum Priester und am 30.Juni
1988 zum Bischof geweiht. - Bild: Jens Falk
Eure Exzellenz, wer hat auf Sie den größten Einfluß ausgeübt, abgesehen vom Erzbischof und möglicherweise Ihrer Mutter?
Wahrscheinlich Beethoven. Die Königin Mary Tudor sagte, daß, wenn man ihr Herz nach ihrem Tod öffnen würde, man darin den Namen Calais geschrieben fände. Calais war die letzte englische Besitzung in Frankreich, und die ging verloren unter ihrer Regierung. Ebenso würde man in meinem Herzen, wenn ich gestorben bin und man es öffnete, darin den Namen Beethoven geschrieben finden. Er war von sehr großem Einfluß. Seine Musik, das heißt nicht seine Person.
Dieses Brustkreuz, woher stammt es? Es sieht aus, als ob es in jüngster Zeit hergestellt wurde.
Nein, es ist alt. Ich glaube, es kommt aus Kanada, ein Amerikaner gab es mir. Schauen Sie hier, die Details sind Ahornblätter.
Wie würden Sie Romanitas definieren?
Ich glaube, es ist das Wissen um die Wege Roms und die Liebe zu den Wegen Roms, welche einen veranlaßt, instinktiv in einer bestimmten Weise zu handeln, in Übereinstimmung mit den Interessen der Kirche. Aber seit dem Vatikanum II ist Romanitas gefährlich, weil es einen veranlaßt, in Übereinstimmung mit der neuen Kirche, die nicht katholisch – nicht eigentlich katholisch ist, zu handeln.
Wie sind Sie persönlich auf dem Laufenden über die Vorgänge in Rom? Und um ein aktuelles Beispiel aufzugreifen von etwas, was sich gerade in Rom tut: Die Ernennung des Kardinal Antonelli von Florenz, ein bekannter Unterstützer der Tradition, zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Familie…
Um die Wahrheit zu sagen, ich verfolge die Vorgänge in Rom nicht allzusehr. Ich denke, es ist ein Kampf im Gange, dieser Kampf ist schon seit langem im Gang, aber ich glaube, die Freimaurer halten die Hebel der Macht, und ich glaube, sie werden sie nicht loslassen. Oh ja, sie halten sie noch, das ist zumindest meine Meinung.
Welche Art von Kontakten haben Sie zu anderen traditionellen Gemeinschaften?
Persönlich habe ich nicht allzuviele Kontakte, aber die Priesterbruderschaft ist über ihren Hauptsitz in Menzingen in regelmäßigen Kontakt mit verschiedenen traditionellen Gruppen, besonders in Europa. In Südamerika, wo ich stationiert bin, gibt es nicht viele solcher Gruppen, und ich komme selten mit ihnen zusammen, fast überhaupt nicht.
In Ihrer Vorlesung erwähnten Sie, daß das Niveau der Ausbildung in den Geisteswissenschaften ein Problem war in den Seminarien. Es kommen junge Männer in die Seminarien, die manchmal kaum irgendeine nennenswerte Ausbildung in den Geisteswissenschaften haben. Wie handhaben Sie so eine Situation?
In den Vereinigten Staaten und in Argentinien war ich verantwortlich für die Einführung des hier sogenannten „Jahres der Geisteswissenschaften“, was ein einleitendes Jahr altmodischer Geisteswissenschaften ist. Die jungen Männer studieren etwas Katechismus, eine große Menge Latein, ihre eigene Grammatik, die sie nicht mehr kennen. Die Grammatik ihrer eigenen Sprache – Spanisch in Südamerika und Englisch in den USA – wird ihnen offenbar nicht mehr gelehrt. Grammatik, wissen Sie, wird als faschistisch angesehen, weil sie strukturiert ist. Sie strukturiert die Denkweise, also muß man die Grammatik loswerden. Was zur Folge hat, daß die armen Kinder ihre Grammatik nicht mehr kennen. Grammatik, Geschichte, Literatur und etwas klassische Musik, sie wissen wenig über diese Dinge. So ein Jahr ist besser als nichts. Es ist nicht viel, klar, aber doch besser als nichts.
Wie wird den Seminaristen Liturgie gelehrt, außerhalb der täglichen Teilnahme an der Hl. Messe?
Es gibt einen Kurs in Liturgie. Die Geisteswissenschaften enthalten keine Liturgie, aber von da bis hin zum Seminar ist einer der kleineren Kurse in Liturgie. Es ist kein Hauptfach, aber es wird gelehrt. So lernen sie Theorie und Praxis. Es gibt einen Liturgiekurs zu Beginn der Seminare und an deren Ende.
Wenn jemand die Priesterbruderschaft in ihrer Spiritualität mit der alten Schule der Jesuiten vergleichen würde, wäre das passend?
Ja und nein. Man kann es vergleichen, aber andererseits ist die Situation der Kirche ganz anders und auch die Bedürfnisse sind ganz anders. Erzbischof Lefebvre sagte immer, daß die Spiritualität der Priesterbruderschaft die Hl. Messe ist. Die Spiritualität sind also die Ignatianischen Exerzitien. Das war das Exkalibur, mit dem der Hl. Ignatius seine Gesellschaft Jesu formte.
Wenn man trotzdem die beiden vergleicht, kann die Priesterbruderschaft, welche die Ignatianischen Exerzitien verwendet, nicht als Koinzidenz gelten?
Nein. Wir verwenden die Ignatianischen Exerzitien, wir verwenden auch die Summa Theologiae von St. Thomas von Aquin. Sie wissen ja, diese sind zwei klassische Mittel zur Katholischer Bildung. Man kann nichts Besseres bekommen als die Summa für die Denkweise und die Exerzitien für den Willen. Die Priesterbruderschaft macht Gebrauch von beidem, aber nichtsdestoweniger hat der Erzbischof gesagt, daß die Spiritualität [der Priesterbruderschaft] die Spiritualität der Messe sein soll. Die Messe ist das größte momentane Bedürfnis, denn das Zweite Vatikanum zerstörte die Messe – oder versuchte die Messe zu zerstören.
Kann man sagen, daß die Priesterbruderschaft als eine Gegenmaßnahme zum Zweiten Vatikanum gegründet wurde?
Man könnte es so sagen, ja.
Würde das nicht die Priesterbruderschaft recht beschränken, indem sie an einen zeitlichen Moment gebunden würde?
Nun, der Schaden des Zweiten Vatikanums ist im Begriff eine ziemlich lange Zeit zu dauern, daraus ergibt sich für die Priesterbruderschaft die Verpflichtung, für eine ziemlich lange Zeit gebraucht zu werden. Aber natürlich, am Ende der Strafe wird die Kirche wieder auf die Füße kommen. Und dann, vielleicht zum Glück, wird die Priesterbruderschaft nicht mehr benötigt und kann eines Tages in den „Ruhestand“ treten.
In Ihrer Vorlesung hörte es sich so an, als wenn Sie über die problematischen Laien klagten. Würden Sie nicht eher zustimmen, daß die ernstesten Probleme während der Kirchengeschichte durch den Klerus hervorgebracht wurden?
Wieder, ja und nein. Die einzige Lösung für die Probleme der Welt kommt durch einen guten Klerus, denn die einzige Lösung ist unser Herr Jesus Christus, denn ohne unseren Herrn ist die Sünde unauslöschlich. Nur unser Herr kann die Schuld bezahlen und die Sünde abwaschen. Nun, Jesus Christus erwählte die Kirche als Werkzeug, und die Kirche, das sind die Priester, die Priester leiten die Kirche. Deshalb, alles Gute kommt von guten Priestern. Dementsprechend kommt alles Übel ebenfalls durch den Klerus. Der lateinische Ausdruck dafür ist: omne malum ab clero. Man sagt, daß unten in der Hölle jede Seele auf eine andere zeige und sage: „Du bist schuld“. Und dann würde diese Seele auf die nächste zeigen und so weiter, und am Ende jeder Kette ist ein Priester. Schrecklicher Gedanke. Ich fürchte, eine Anzahl bedeutender Irrlehrer waren Priester, Nestor, Eutyches, Arius war Diakon, Luther… Das wirklich Böse kommt durch die Priester weil das wirklich Gute durch die Priester kommt. Wenn also der Teufel einen Priester gewinnen kann, mit ihm zusammenzuarbeiten, dann richtet er schrecklichen Schaden an.
In welchem Grad würden Sie sagen, daß Sie ihre Botschaft an verschiedene Zuhörer anpassen? Zum Beispiel, vor einigen Tagen äußerten Sie in einer Konferenz Ihre Anschauung über die amerikanische Verfassung. Das würde am ehesten Reaktionen hervorrufen wie auch, sagen wir, im Seminar in Winona.
Wenn man von der amerikanischen Verfassung spricht, muß man offensichtlich sehr vorsichtig sein in den Vereinigten Staaten. Wenn ich darüber in den USA sprechen würde, würde ich immer so sagen, wie ich denke, daß ich es auch dieses Mal sagte, daß alle wesentlichen Probleme der Vereinigten Staaten aus meinem Land kommen, aus England. Wenn Sie es so vorbereiten, können es die Amerikaner ein kleines bißchen leichter runterschlucken. Man muß sich offensichtlich teilweise an jede Zuhörerschaft anpassen, es gibt Dinge, die kann man vor den einen sagen, vor den anderen nicht, aber nichtsdestoweniger, die grundlegenden Dinge, die man sagt, müssen die gleichen sein.
Um an Ihre Aussagen über das öffentliche Praktizieren anderer Religionen anzuknüpfen, wie würde ein Verbieten desselben heutzutage in Katholischen Gesellschaften gehen?
Das würde so gut aufsteigen wie ein Bleiballon. Einfach weil die Leute heutzutage durchdrungen vom Ökumenismus sind, sie sind durchdrungen von der Idee, daß Wahrheit keine Rolle spielt. Alle Religionen, die machen, daß man sich gut fühlt, sind gut (werden für gut gehalten), deshalb ist es völlig unfair und ungerecht, irgendeine Religion zu verbieten. Es ist eben nicht „süß und nett“, es ist unmenschlich. Man kann es heute kaum tun, denn es würde nicht funktionieren. Dies ist ein Beispiel für, wie Sie sagen, Anpassung an jemandes Zuhörerschaft. Also, man kann es heute nicht sagen, die Leute sind zu krank. Wie wenn Sie einen sehr kranken Pflegefall vor sich haben, und da ist eine sehr starke Medizin, die Sie ihm gerne geben möchten, dann können Sie sie ihm aber nicht geben, weil er zu krank ist.
Manche Menschen sind zu krank für eine Operation, die sie brauchen, die Operation würde sie töten. Man muß etwas tun, was sie vertragen, den meisten Seelen kann man nur die Wahrheiten sagen, die sie schlucken können.
Also in den praktischen Angelegenheiten von heute ist es mehr ein Standpunkt als eine Empfehlung für die sofortige Umsetzung?
Es ist ein prinzipieller Standpunkt. Es ist ein klares Prinzip, das Klugheit in der Anwendung fordert. Die Anwendung dieses Prinzips erfordert Klugheit.
Wie wäre Ihre Vision einer Regelung und Normalisierung der Priesterbruderschaft, wenn es jemals dazu kommt?
Nun, der Erzbischof pflegte zu sagen, und er hatte schon recht, „Sobald Rom wieder zur Vernunft kommt, gibt es kein Problem mehr.“ In Rom erstellt man bereits Dokumente, sie wissen schon, wie sie es machen werden. Es ist Schreibarbeit, Schreibarbeit.
Könnten Sie abschließend noch etwas sagen zu den aktuellsten Vorgängen mit den Redemptoristen auf Papa Stronsay?
Es sieht nicht gut aus, es scheint als wären sie dabei, ein Abkommen mit dem modernistischen Rom zu treffen. Also meiner Meinung nach ist das keine gute Idee, denn sie werden genötigt werden, mehr oder weniger die Verteidigung des Glaubens aufzugeben. Mehr oder weniger.
Wie wird sich der Wandel, den Sie vorhersagen, zeigen?
Sie können das II. Vatikanum nicht mehr frei kritisieren, und sie werden unter Druck geraten, die neue Messe zu zelebrieren, oder wenigstens am Gründonnerstag mit dem lokalen Bischof an der modernen Messe teilnehmen.
Würden Sie es sogar als Verrat betrachten, wenn die Redemptoristen ihre Situation mit Rom regeln?
Verrat ist ein sehr starkes Wort. Ich unterscheide subjektiv und objektiv. Objektiv gesehen ist es, glaube ich, schwerwiegender als subjektiv. Subjektiv wage ich zu sagen, daß sie es gut meinen, eine gute Intention haben und aufrichtig sind. Aber objektiv, glaube ich, geben sie die wahren Anliegen des Glaubens preis, ja, sie geben im Wesentlichen die wahre Verteidigung des Glaubens auf, das würde ich sagen.
Sollte das als Ihre persönliche Meinung aufgefaßt werden oder als die Position der Priesterbruderschaft?
Ich denke daß eine Anzahl Leute in der Priesterbruderschaft diese Meinung teilt, ja, daß sie objektiv gesehen die wahre Verteidigung des Glaubens preisgeben. Eine Anzahl Leute in der Priesterbruderschaft würde diesen Standpunkt beziehen, und ich denke eine Anzahl Leute würde auch sagen, daß sie es nichtsdestoweniger gut meinen, daß sie aufrichtig sind, daß sie eine gute Intention haben, daß sie meinen, den Glauben zu verteidigen und nicht etwa die Verteidigung preiszugeben. Aber der Erzbischof war ziemlich streng gegen diejenigen, die die Tradition in diesen Jahren preisgeben, vor Jahren war er sehr streng.
Zu sagen, daß die Redemptoristen auf Papa Stronsay die Tradition preisgeben, könnte als genauso starke Behauptung wahrgenommen werden wie wenn man es Verrat nennen würde.
Ich habe nicht gesagt, daß sie die Tradition preisgeben, sondern ich sagte, daß sie die wahre Verteidigung der Tradition preisgeben, was ein kleiner Unterschied ist. Sie werden die Tradition immer noch in einem gewissen Umfang verteidigen, aber sie geben vollständig und wirklich die Verteidigung der Tradition auf.
Haben Sie etwas gelesen über die Argumentationsweise der Redemptoristen und wie sie ihre Lage betrachten?
Nein. Ich bin nicht auf dem Laufenden.
Aber doch sicher die Leute in der zentralen Führung, um mit der Materie sachgerecht umzugehen?
Natürlich. Ich bin nicht in der zentralen Führung, ich bin nicht an einem Hauptstandort. Ich bin in Südamerika, also kann ich den Sonnenschein genießen und eine Menge Probleme vergessen.
Aus den Englischen von Lucie Graf