Bei dem 1952 in Rom geborenen Journalisten und Fernsehmoderator Giuliano Ferrara handelt es sich in jeglicher Hinsicht um ein Schwergewicht. Das gilt nicht nur für die Pfunde, die er auf die Waage bringt, sondern weit mehr noch für sein geistiges Gewicht, das er als einer der bekanntesten und provokantesten Intellektuellen Italiens in die Waagschale der öffentlichen Debatte werfen kann. Als Sohn eines führenden kommunistischen Politikers lassen ihn seine atheistischen Eltern, so schreibt Ferrara über sich selbst, „bestenfalls aus Konvention“ taufen. Er nimmt 1968 an der Studentenrevolte teil und wird in den 70er Jahren Funktionär der kommunistischen Partei Italiens PCI. In den frühen 80er Jahren bricht er mit dem Kommunismus und nähert sich den Sozialisten unter Bettino Craxi an. 1989 wird er für die sozialistische Partei PSI in das Europaparlament gewählt.
Er wird Kolumnist des Corriere della Sera, der bedeutendsten Tageszeitung der Apenninenhalbinsel. Seit 1987 ist der brillante Rhetoriker und messerscharfe Analytiker auch als politischer Fernsehmoderator tätig, zunächst für das staatliche Fernsehen RAI, später für die Privatsendergruppe Mediaset von Silvio Berlusconi.
Nach dem Zusammenbruch des italienischen Parteiensystems Anfang der 90er Jahre und dem Einstieg Berlusconis in die politische Arena, schließt er sich – ohne Parteimitgliedschaft – dessen Mitte-rechts-Bündnis an und wird 1994 Minister und Regierungssprecher der ersten Regierung Berlusconi.
1996 gründet er die Tageszeitung Il Foglio, die er seither als Chefredakteur leitet. Seit 2002 moderiert er auch die von ihm entwickelte Polittalk-Sendung Otto e mezzo beim privaten Fernsehsender La7 mit durchschnittlich einer Million Zusehern.
Auf seiner politischen Wanderung wurde er von einem 68er zum Kommunisten, Sozialisten und schließlich zum Neokonservativen.
Seit den Attentaten auf das World Trade Center 2001 wurde er als überzeugter Laizist einer der bedeutendsten Wortführer einer Stärkung des christlich-jüdischen Erbes, in dem er die einzig brauchbare Antwort auf die islamistische Bedrohung sieht. Positionen der amerikanischen Neokonservativen entwickelt er dabei in einer „europäischen Lesart“ weiter. Konkret setzt er vor allem auf die katholische Kirche und den Papst.
Die berühmt gewordene Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. bezeichnete er als „Meilenstein“, denn im Kampf mit dem Islamismus sei der Feind Europas und des Westens nicht der Islam, sondern der Relativismus. Ferrara wendet sich gegen jene, die meinen, den „Kampf der Kulturen“ durch das Relativieren der eigenen Positionen und des eigenen Erbes noch verhindern zu können. Für Ferrara findet dieser „Kampf der Kulturen“ längst statt, wobei keineswegs gesichert sei, daß Europa siegreich daraus hervorgehen werde.
Von sich selbst sagt Ferrara „,kein Katholik“ zu sein, aber ein „frommer Atheist“, der an einen „persönlichen Gott“ glaube. Seinen Taufschein habe er „nie gesehen“ und wüßte auch nicht, „wo er ihn finden könnte“. Die Kirche betrachtet er aber als eine „Adoptivmutter“.
Für Ferrara wird der selbstzerstörerische Relativismus der modernen Gesellschaft in der Abtreibung, Eugenik und embryonalen Stammzellforschung besonders deutlich sichtbar.
(RP)