von Michaela Koller
Die Promihysterie um die vor rund zehn Jahren tödlich verunglückte englische Prinzessin Diana nimmt kein Ende. In diesen Tagen ist ihr Gesicht wieder auf allen Zeitungskästen zu sehen, zumal ihrer Todesursache erneut gerichtlich nachgegangen wird. Rund 15 Millionen Euro soll diese Untersuchung den britischen Steuerzahler kosten, der sich oftmals nicht einmal persönlich eine Zahnfüllung leisten kann. Die Dauer-Beschäftigung mit der toten Prinzessin sowie das ständige Andichten einer Freundschaft zwischen ihr und der seligen Mutter Teresa offenbaren die offenbar weit verbreitete Sehnsucht nach Projektion; innere Leere macht sich breit, wo ein spirituelles Vakuum klafft.
Schon kurz nach Dianas Unfalltod in Paris zeigte die kollektive Trauer drastische Wirkung: In England wurde sogar ein Therapiewochenende für Patienten angeboten, die ihren Schmerz nicht ohne professionelle Hilfe verarbeiten konnten. Der anglikanische Erzbischof David Hope warnte in einem Zeitungskommentar vor einem Kult um die Tote. „Wir sollten aufpassen, daß wir sie nicht anbeten“, meinte er. „Anbetung sollte sich auf Gott konzentrieren, der sie geschaffen hat. Ihm sind goldene Herzen und ein goldener Verstand lieber als goldene Tempel.“ In einer Fernsehreportage wurde gezeigt, wie ein Reiseunternehmer auch deutsche Diana-Verehrer(innen) zu den Stationen ihres Lebens fährt, vom Geburtshaus über ihren Kindergarten und ihr Stadtpalais bis zum Gut Althorp, wo sie beerdigt ist. Die Teilnehmer blickten andächtig durch das Gitter um das Grundstück hinüber zum tempelartigen Diana-Museum nahe der Ruhestätte der Prinzessin. Der Moment war zu traurig für die Fans, denn es gab keine Eintrittskarten mehr.
Von der Verehrung Dianas profitiert der Reiseunternehmer. Seine Rolle erinnert an jene der Silberschmiede aus Ephesus, wo der Apostel Paulus predigte. In der Apostelgeschichte (19,23ff) heißt es: „Um jene Zeit aber wurde die neue Lehre Anlaß zu einem schweren Aufruhr. Denn ein Silberschmied namens Demetrius, der silberne Artemis-Tempel herstellte und den Künstlern viel zu verdienen gab, rief diese und die anderen damit beschäftigten Arbeiter zusammen und sagte: ‚Männer, ihr wißt, daß wir unseren Wohlstand diesem Gewerbe verdanken. Nun seht und hört ihr, daß dieser Paulus nicht nur in Ephesus, sondern fast in der ganzen Provinz Asien viele Leute verführt und aufgehetzt hat mit seiner Behauptung, die mit Händen gemachten Götter seien keine Götter. So kommt nicht nur unser Geschäft in Verruf, sondern auch dem Heiligtum der großen Göttin Artemis droht Gefahr, nicht mehr zu gelten, ja sie selbst, die von der ganzen Provinz Asien und von der ganzen Welt verehrt wird, wird ihre Hoheit verlieren.’ Als sie das hörten, wurden sie wütend und schrien: ‚Groß ist die Artemis von Ephesus.“ Die ganze Stadt geriet in Aufruhr…“ Viele Menschen in Ephesus kamen ins Theater und priesen dort stundenlang die Göttin Artemis, so lange, bis keiner mehr so genau wußte, warum sich die so eine Menge Menschen eigentlich versammelt hatte.
en Zusammenhang zwischen der verunglückten Prinzessin von Wales und der Artemis stellte sogar Bruder der Ex-Kronprinzgemahlin, Graf Spencer, bei ihrer Trauerfeier her. Zur Erinnerung: Er bezeichnete seine Schwester Diana damals als „gejagt“, um dann auf die gleichnamige Jagdgöttin zu sprechen zu kommen. Diese war keine andere als Artemis, die die alten Römer als Jagdgöttin Diana verehrten. Die massenpsychotische Trauer um Lady Diana ereignete sich ähnlich wie der hysterische Massenauflauf in Ephesus. Irgendwann wußte kaum noch jemand, warum der Tod einer Frau, die man nur als Ikone aus den Medien kennt, so betroffen machen sollte und warum es derart wichtig ist, Millionen von Euro in Ermittlungen in ihrer Causa zu stecken. Fest steht, daß sich viele „Silberschmiede“ sich vor und erst recht seit ihrem Autounfall eine goldene Nase verdienen: Neben Gerichtsgutachtern, Biographen, Fotographen, Verlagshäusern, Fernsehanstalten, Medienagenturen. Sie entfachen mit Foto- und Filmberichten sowie endlosen und heuchlerischen Scheindebatten über Persönlichkeitsrechte einen beispielhaften Dauer-Kult. Noch immer halten sie mit angeblichen Enthüllungen über ihr Leben und ihren Tod die „Di-Fans“ in Atem und verdienen bestens.
Wie die Silberschmiede das Götzenheiligtum der Artemis zu hüten bedacht waren, so polieren einige Medien am Image Dianas. Galt die Ex-Frau des englischen Thronfolgers Wochen kurz vor ihrem Tod noch in denselben Redaktionsstuben als hysterisch und kaufsüchtig, so wurde sie nach ihrem Unfall mit der katholischen Ordensschwester und zwischenzeitlich seliggesprochenen Mutter Teresa oder der österreichischen Kaiserin Elisabeth in einen Zusammenhang gebracht oder gar verglichen. Auf den Vergleich mit Sisi angesprochen, meinte der Sohn des letzten österreichischen Kaisers, Otto von Habsburg: „…um Gottes Willen! Also darüber reden wir überhaupt nicht. Das sind Leute, die vollkommen auf ein anderes Gebiet gehören.“ Er hat recht, hier geht es nicht um ernsthafte Bezüge, sondern um Namedropping, Teil des Gewerbes, dem so viele Silberschmiede ihren Wohlstand zu verdanken haben.