Das Geheimnis schauen


von Michae­la Koller

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Als kürz­lich zum zehn­ten Todes­tag Mut­ter Tere­sas ein Buch mit Brie­fen der Ordens­grün­de­rin an ihren Beicht­va­ter erschien, wit­ter­ten vie­le Medi­en und man­che Schmal­spur­theo­lo­gen schon einen Skan­dal: Das Bild der katho­li­schen Seli­gen müs­se wohl revi­diert wer­den, hieß es viel­fach. „Tief in mei­nem Innern ist nur Lee­re und Dun­kel­heit. Ich habe kei­nen Glau­ben – ich wage es nicht, die Wor­te und Gedan­ken aus­zu­spre­chen, die mich so unbe­schreib­lich lei­den las­sen“, lau­te­ten Mut­ter Tere­sas eige­ne Wor­te. Die Begrif­fe, wie Dun­kel­heit und Lei­den und gar schein­ba­re Got­tes­fer­ne sind aber in der christ­li­chen Tra­di­ti­on kei­nes­wegs unbe­kannt. Die 38-jäh­ri­ge pro­mo­vier­te Theo­lo­gin Hil­de­gard Gose­brink hat sich jetzt in ihrem neue­sten Buch Das Geheim­nis schau­en – Grund­kurs christ­li­che Mystik dan­kens­wer­ter­wei­se unter ande­rem die­ses The­mas im Kapi­tel Gott begeg­nen im Dun­kel der Nacht ange­nom­men. „Die Mei­ster und Mei­ste­rin­nen der christ­li­chen Tra­di­ti­on beto­nen immer wie­der, daß das geist­li­che Leben, in dem wir mit Chri­stus ver­wan­delt wer­den, nicht nur vol­ler süßer Momen­te ist, son­dern auch aus Dür­re und Dun­kel besteht – bis hin­ein in die Dun­kel­heit, in der man Gott ver­mißt“, schreibt Gose­brink und nennt Johan­nes vom Kreuz und Mecht­hild von Mag­de­burg als Zeu­gen die­ser Erfahrung.

Die Autorin bemüht sich in dem Buch sehr erfolg­reich, Mystik und Theo­lo­gie mit­ein­an­der zu ver­söh­nen: „Heu­te gibt es manch­mal die Ten­denz, Theo­lo­gie als ‚ver­kopft‘ und ‚lebens­fern‘ abzu­wer­ten, Mystik dage­gen als ‚ganz­heit­lich‘ und ‚erfah­rungs­be­zo­gen‘ über­zu­be­to­nen und bei­de gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len. Dabei haben wir in den Schrif­ten der monasti­schen Theo­lo­gen und Theo­lo­gin­nen qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Zeug­nis­se dafür, daß Erfah­rung und Den­ken nicht nur zusam­men­ge­hö­ren, son­dern ein­an­der ansto­ßen und ant­wor­ten“, lau­tet einer der zen­tra­len Sät­ze des 224-Sei­ten-star­ken Buchs.

From­me Ver­zückung bis hin zur Eksta­se, umwer­fen­de cha­ris­ma­ti­sche Kräf­te und reli­giö­se Visio­nen, alle die­se Phä­no­me­ne wer­den seit der Roman­tik mit dem Begriff Mystik ver­bun­den. Das sei ein zu enges Ver­ständ­nis die­ses Wor­te, meint Gose­brink. Sie blickt zurück in die Kir­chen­ge­schich­te und beweist anhand kon­kre­ter Erfah­run­gen und Erkennt­nis­se zahl­rei­cher bekann­te Mysti­ker, dar­un­ter Dio­ny­si­us, Mei­ster Eck­hart und Igna­ti­us von Loyo­la: Mystik als Got­tes­er­fah­rung steht weder im Gegen­satz zur Wirk­lich­keit, noch zum Ver­stan­des­ge­brauch oder, wie schon erwähnt, zur Theologie.

Gose­brink zeigt, abge­se­hen von der Erfah­rung schein­ba­rer Got­tes­fer­ne, wei­te­re Aspek­te der Mystik auf, dar­un­ter die Aus­ein­an­der­set­zung mit der tie­fe­ren Bedeu­tung der Hei­li­gen Schrift, Mystik als Wahr­neh­men von Ver­ant­wor­tung in der Welt sowie als Ursprung einer gefe­stig­ten reli­giö­sen Iden­ti­tät in einem ech­ten inter­re­li­giö­sen Dia­log. Da die Autorin seit Jah­ren in der theo­lo­gi­schen Erwach­se­nen­bil­dung tätig ist, schließt sich hin­ter jedem Kapi­tel ein didak­ti­scher Teil an, der jeweils auch Anlei­tun­gen zur Grup­pen­ar­beit enthält.

Hil­de­gard Gosebrink
Das Geheim­nis schauen
Grund­kurs christ­li­che Mystik
2007, 224 S., kart., 15,95 Eur.

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