von Joseph Schumacher
Von Interkommunion sprechen wir, wenn ein Angehöriger der einen Kirchengemeinschaft sich in einer anderen die heilige Kommunion oder das Abendmahl reichen läßt oder wenn in der einen Kirchengemeinschaft Angehörigen einer anderen Kirchengemeinschaft die heilige Kommunion oder das Abendmahl gereicht wird. Statt von Interkommunion spricht man hier auch von offener Kommunion. (Kardinal Joseph Höffner, Interkommunion. Zwölf Fragen und zwölf Antworten, Hrsg. vom Presseamt des Erzbistums Köln (Thesen und Themen, 2), Köln 1972, 1.)
Für die katholische Kirche war die Interkommunion mit den Gemeinschaften der Reformation stets undiskutabel. Dennoch wurde sie seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer wieder, teilweise in provokativer Weise, praktiziert.
Die ablehnende Haltung der katholischen Kirche zur Interkommunion ist in der Gegenwart ein besonderer Stein des Anstoßes. Sie steht indessen in engstem Zusammenhang mit der apostolischen Sukzession. Für die katholische Kirche kann es keine Interkommunion mit den Gemeinschaften der Reformation geben ohne die vorausgehende Anerkennung des geistlichen Amtes bei ihnen. Durch eine pragmatische Vereinbarung der Interkommunion würde diese Anerkennung via facti erfolgen. Möglicherweise ist deshalb auch der Druck auf die katholische Kirche so groß in diesem Punkt.
Interkommunion setzt den gleichen Glauben vorraus
Nach katholischem Verständnis setzt die Interkommunion grundsätzlich den gleichen Glauben an die Eucharistie voraus sowie die uneingeschränkte Kirchengemeinschaft, worin schließlich die Bejahung aller Dogmen der Kirche enthalten ist. Die Einheit kann und darf nur dokumentiert werden, wenn sie wirklich vorhanden ist. Das sagt einerseits die Vernunft, und das gebietet andererseits das Ethos der Wahrhaftigkeit. Das war schon immer die Überzeugung der Kirche. Das Ökumenismus-Dekret des II. Vatikanischen Konzils betont diese Selbstverständlichkeit aufs Neue mit großem Nachdruck. (Unitatis redintegratio, n. 8.)
Seit eh und je versteht die katholische Kirche die Eucharistie als den höchstmöglichen diesseitigen Ausdruck der inneren und der sichtbaren, der sakramentalen Einheit der Kirche. Es ist der beständige Glaube der Kirche, daß an dieser Feier weder die Sünder noch die Schismatiker noch die Häretiker teilnehmen können. (Leo Scheffczyk, Katholische Glaubenswelt. Wahrheit und Gestalt, Aschaffenburg 1978, 254.)
Der Ausschluß von der Eucharistie war in der Alten Kirche ein wesentlicher Bestandteil des Bußverfahrens. (Anton Ziegenaus, Umkehr – Versöhnung – Friede. Zu einer theologisch verantworteten Praxis von Bußgottesdienst und Beichte, Freiburg 1975, 19 ff; vgl. Leo Scheffczyk, Katholische Glaubenswelt. Wahrheit und Gestalt, Aschaffenburg 1978, 254.) Nicht weniger galt seit eh und je der Ausschluß von der Eucharistie für jene, „die wegen des Mangels an dem rechten Glauben oder der Nichtanerkennung der hierarchischen Führung von der aktiven Kirchengemeinschaft getrennt waren.“ (Leo Scheffczyk, Katholische Glaubenswelt. Wahrheit und Gestalt, Aschaffenburg 1978, 254.) Schon immer war es der Glaube der Kirche, daß das höchste Zeichen der Gemeinschaft in der Kirche von denen „nicht gesetzt werden kann, die auf der Ebene des sichtbar Zeichenhaften nicht die fundamentale und volle Kirchengliedschaft besitzen“ (Ebd., 254 f.) Dieser Grundsatz verwehrt es auch, „die Eucharistie etwa als Mittel zur Erreichung einer noch nicht vorhandenen höheren Einheit zu benutzen“, denn das „Höchste innerhalb einer Ordnung kann nicht Mittel zum Zweck für etwas angeblich Höheres werden, das es in der sichtbar zeichenhaften Ordnung nicht mehr geben kann“. (Ebd., 255) Die Feier der Eucharistie kann demnach nicht der „Ausgangspunkt der Gemeinschaft“ sein, sie setzt diese vielmehr als bereits existent voraus. (Enzyklika „Ecclesia de Eucharistie“, Nr. 35.)
Warum sollte ein Christ noch konvertieren?
Wenn die Interkommunion der Weg zur Einheit sein soll, ist das zum einen eine Absage an einen gemeinsamen Glauben, zum anderen wird dann die Einheit in das Gefühl verlegt. In beiden Fällen nimmt man die Glaubenszustimmung als die Basis des Christentums nicht mehr ernst.
Auch das ist zu bedenken: Warum sollte ein Christ noch konvertieren, wenn er seine religiöse Heimat unverbindlich hier oder dort haben kann?
Bedeutsamer aber noch ist es, daß die evangelische Lehre vom Abendmahl und die katholische Lehre von der Eucharistie sich wesentlich unterscheiden. Deshalb ist es schon falsch, von Abendmahlsgemeinschaft zu sprechen. Richtig muß es heißen: Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft oder – neutraler – Interkommunion. In jedem Fall sind das reformatorische Abendmahl und die katholische Eucharistiefeier, werden sie rite vollzogen, verschiedene Dinge, sind sie inkompatibel miteinander. Die Eucharistie ist ein Opfer, sie ist die sakramentale Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers. (Ebd., Nr. 11; vgl. Weltkatechismus Nr. 1362.) Die Konsekration bewirkt in der Feier der Eucharistie eine Transsubstantiation, das heißt eine Wesensverwandlung. Brot und Wein werden in den Leib und in das Blut Christi verwandelt. Infolgedessen werden die konsekrierten Elemente angebetet, müssen sie angebetet werden. Der Vollzug des eucharistischen Sakramentes setzt zudem die gültige Priesterweihe voraus. Und der Empfang der Opfergaben setzt den Gnadenstand voraus.
Nein: Es wird auch das Brot im Abendmahl nicht der Leib Christi, auch wenn es in den Worten, die beim Abendmahl gebraucht werden, als der Leib Christi bezeichnet wird“.
Im „Heidelberger Katechismus“ heißt es: „Werden denn Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandelt? Nein: Es wird auch das Brot im Abendmahl nicht der Leib Christi, auch wenn es in den Worten, die beim Abendmahl gebraucht werden, als der Leib Christi bezeichnet wird“. (Heidelberger Katechismus, Nr. 78; vgl. Evangelischer Erwachsenenkatechismus. Kursbuch des Glaubens, Gütersloh 4. Aufl. 1982, 1108 f.) Demgegenüber stellt der Weltkatechismus von 1993 fest: „Durch die Konsekration vollzieht sich die Wandlung (Transsubstantiation) von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi: Unter den konsekrierten Gestalten von Brot und Wein ist Christus selbst als Lebendiger und Verherrlichter wirklich, tatsächlich und substantiell gegenwärtig mit seinem Leib, seinem Blut, seiner Seele und seiner göttlichen Natur“. (Weltkatechismus, Nr. 1413; vgl. Leserbrief von Vikar Markus Pohl, 57299 Burbach in: „Die Tagespost“ vom 17. April 2003.) Das ist eine andere Sprache.
Nach den Reformatoren Zwingli (+ 1531) und Calvin (+ 1564) widerspricht es der Ehre und der Freiheit Gottes, sich an so irdische Dinge zu binden wie Brot und Wein. Für Zwingli sind Brot und Wein in keiner Weise Mittel der Gegenwart Christi, sind sie vielmehr Zeichen, die dem Christen helfen, sich an Christus zu erinnern und darin mit den anderen Glaubenden eins zu sein. Das bedeutet für ihn, daß das Abendmahl nichts anderes ist als ein Erinnerungs- und Gemeinschaftsmahl. Das „ist“ der Einsetzungsworte versteht Zwingli als „bedeutet“. Calvin teilt die Meinung Zwinglis, sofern der die Bindung Christi an irdische Dinge ablehnt, im Unterschied zu ihm lehrt er aber, daß Christus im Abendmahl gegenwärtig ist und den Gläubigen darin seine Gemeinschaft schenkt. Ist die Gegenwart Christi bei Zwingli nur noch zeichenhaft, so ist sie bei Calvin immerhin noch virtuell, das heißt der Kraft nach. (Vgl. Evangelischer Erwachsenenkatechismus. Kursbuch des Glaubens, Gütersloh 41982, 1108 f.)
Martin Luther (+ 1546) hielt demgegenüber an der leiblichen Gegenwart Christi im Abendmahl fest, lehnte aber die Transsubstantiationslehre ab. An ihre Stelle setzte er die Konsubstantiationslehre. Demgemäß sagt man im lutherischen Verständnis des Abendmahls: Christi Leib ist in, mit und unter dem Brot gegenwärtig. Luther bindet die Gültigkeit des Sakramentes allerdings nicht an das gültige Amt in der apostolischen Sukzession. Auch ist hier die Anbetung der Gaben des Abendmahls undenkbar. Desgleichen kann das Abendmahl hier nicht als Opfer bezeichnet werden. (Vgl. Ebd., 1109 ff.)
Nach der Lehre Luthers ist die Realpräsenz Christi in der Abendmahlsfeier von dem Augenblick an gegeben, in dem die Abendmahlsworte über Brot und Wein gesprochen werden, und sie dauert dann fort bis zum Ende der Feier. Die heutige lutherische Theologie bezeichnet diesen Modus der Präsenz als dynamische Präsenz. (Hoffmann, Der Ökumenismus heute. Geschichte-Kritik-Wegweisung, Stein am Rhein 1978, 113.)
Dagegen steht nach katholischer Überzeugung die Transsubstantiation, die Wesensverwandlung. Diese ist nicht ein „Erklärungsmodell“ unter anderen, sie ist vielmehr wesenhaft für das „Geheimnis des Glaubens“, und sie ist an das gültige Amt in apostolischer Sukzession gebunden und vergegenwärtigt das Kreuzesopfer Christi. (Vgl. Leo Scheffczyk, Leben der Kirche aus der Eucharistie. Klärende Worte zu einem zentralen Geheimnis des Glaubens. Die neue Enzyklika von Papst Johannes Paul II., in: „Die Tagespost“ vom 19. April 2003.)
Die heutige Glaubenskrise sei im Grunde „eine Krise des Glaubens an den auferstandenen Christus und folglich auch der Eucharistie“.
Der Schweizerische Bischof Kurt Koch kritisiert in der Schweizerischen Kirchenzeitung die „glaubensgefährdenden Thesen“ des Grazer Theologen Peter Trummer, der eine andere Eucharistielehre verkündet als die katholische, wenn er Front macht gegen die kirchliche Bindung der Eucharistie an die Vorsteherschaft des Priesters und gegen das priesterliche Weiheamt polemisiert. Nachdrücklich verweist Bischof Koch in diesem Zusammenhang darauf, daß das priesterliche Amt seine Wurzeln im Neuen Testament und in der frühkirchlichen Tradition hat, auch wenn es sich entwickelt hat und am Anfang noch nicht in allen Einzelzügen vorhanden war, wie es uns heute begegnet. Er betont mit besonderem Nachdruck, daß es keine Eucharistiefeier ohne die liturgische Vorsteherschaft des geweihten Priesters gebe und daß die Eucharistiefeier die sakramentale Feier der Gegenwart des auferstandenen Christus in seiner Kirche meine. Er erklärt, die heutige Glaubenskrise sei im Grunde „eine Krise des Glaubens an den auferstandenen Christus und folglich auch der Eucharistie“, bei der Eucharistie gehe es um das Herz der Kirche. (Vgl. „Die Tagespost“ vom 3. April 2003, Nr. 39.)
Ungeachtet der offiziellen Zurückweisung der Interkommunion durch die katholische Kirche und der inneren Logik dieser Zurückweisung ergeht von den nichtkatholischen christlichen Gruppierungen immer wieder die Einladung an die Katholiken, an ihrem Abendmahl teilzunehmen, zuweilen bedrängen ihre Vertreter die Katholiken gar in diesem Kontext. Abgesehen davon, daß diese Praxis nicht gerade von einer ehrlichen und respektvollen ökumenischen Gesinnung zeugt, ist sie im Grunde ein Angriff auf das eucharistische Sakrament und ebenso auf das Weihesakrament. Da ebnet man die entscheidenden Divergenzen via facti ein.
Wenn die reformatorischen Christen so sehr interessiert sind an der Kommuniongemeinschaft mit den Katholiken, so dürfte das auch deshalb der Fall sein, weil dadurch die Nichtanerkennung des reformatorischen Abendmahls durch die katholische Kirche unterlaufen und neutralisiert, das Abendmahl auf die Ebene der Eucharistie gehoben und schließlich auch das Amt der reformatorischen Gemeinschaften aufgewertet wird.
Das Drängen der Gemeinschaften der Reformation zur Interkommunion auch mit den Katholiken dürfte auch einer Strategie des Überlebens entspringen. Mit den Katholiken können die reformatorischen Christen ein neues Potential ansprechen.
Nicht zuletzt ist die Forderung der Interkommunion bedingt durch die Aushöhlung des Glaubens hüben und drüben, speziell des Glaubens an die Eucharistie bzw. an das Abendmahl. Dabei hat sich weithin das zwinglianische Symbolverständnis durchgesetzt, auch bei den Katholiken.
Ein gewisses Problem sind die Ausnahmen von dem Verbot der Interkommunion in der Kirche. In einer wenig disziplinierten Institution werden die Ausnahmen schnell zur Regel.
Grundsätzlich gilt, daß die Kirche ihre Sakramente nur jenen spenden kann, die ihr angehören. Das sagt schon die Vernunft. Daher muß jener, der die Sakramente der Kirche empfangen will, der Kirche angehören oder in sie eintreten. Ausnahmen davon gibt es deshalb für die katholische Kirche, weil das eucharistische Sakrament nicht nur Zeichen der Einheit ist, sondern auch Quelle der Gnade. (Unitatis redintegratio, Nr. 8; Ökumenisches Direktorium, Nr. 55.)
Einem nichtkatholischen Christen kann die Kommunion nur dann gespendet werden, wenn bei ihm ein schwerwiegendes geistliches Bedürfnis vorliegt im Hinblick auf sein Heil. (Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“, Nr. 45.) Dieses Faktum muß indessen fest stehen. Man kann es nicht, zumindest nicht im Allgemeinen, einfach voraussetzen. Zudem müssen bei ihm die rechte Disposition und der katholische Eucharistieglaube vorhanden und festgestellt worden sein. Ist diese Feststellung erfolgt, kann der Priester dem Nichtkatholiken auch das Bußsakrament und die Krankensalbung spenden, unter Umständen muß der betreffende Nichtkatholik dann auch das Bußsakrament gar empfangen. (Codex Iuris Canonici (1983), can. 844,  3–5; vgl. Ökumenisches Direktorium, Nr. 129 ff; Enzyklika „Ut unum sint“, Nr. 46.) Zu der Notlage gehört aber auch, was oftmals übersehen wird, daß der betreffende Nichtkatholik den Amtsträger der eigenen kirchlichen Gemeinschaft nicht aufsuchen kann.
Die Voraussetzung dafür, daß ein nichtkatholischer Christ die heilige Kommunion empfangen kann, ist ein irgendwie gearteter Notstand, und es muß der katholische Eucharistieglaube bei ihm gegeben sein. Ist dieser wirklich vorhanden, so impliziert er konsequenterweise eine Absage an das evangelische Abendmahl. Denn Beides kann nicht gültig sein. Hält aber ein Protestant das evangelische Abendmahl nicht für gültig, wohl aber die katholische Eucharistie, dann erhebt sich die Frage, warum er dann nicht in die katholische Kirche eintritt.
Ich bekenne mich faktisch zur katholischen Kirche, wenn ich in ihr die Sakramente empfange, speziell wenn ich in ihr das eucharistische Sakrament empfange. Das kann wiederum nur legitim sein, wenn ich mich konsequent zu dieser Kirche bekenne. Das heißt: Ich muß in sie eintreten und mir alle Glaubenswahrheiten, die sie bekennt, zu Eigen machen.
Dr. theol. habil. Joseph Schumacher ist Theologie-Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Grundlage des Artikel ist sein Vortrag „Warum keine Interkommunion?“ Der Vortrag kann hier als PDF abgerufen werden.