Der Bischof von Fulda, Heinz Josef Algermissen, hat sich in der Vergangenheit schon mehrfach kritisch mit Gentechnik, Genmanipulationen und dem Mißbrauch von Embryonen zu Forschungszwecken auseinandergesetzt. Heute veröffentlichte der Oberhirte eine Erklärung zur Stellungnahme des Nationalen Ethikrates „Zur Frage einer Änderung des Stammzellgesetzes“ vom 16. Juli 2007. Wir dokumentieren die Stellungsnahme von Bischof Algermissen.
Das von 14 Mitgliedern des Nationalen Ethikrates formulierte Mehrheitsvotum zum Deutschen Stammzellgesetz orientiert sich klar an den Forderungen der Wissenschaftler und der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Es hat eine weitere Liberalisierung und Aufweichung des Embryonenschutzes in unserem Land zur Folge.
Der Gesetzgeber hatte mit dem 1990 verabschiedeten Gesetz den Schutz menschlicher Embryonen vor Zerstörung und vor Nutzung zu Forschungszwecken verfolgt. Dieser Schutz wird schrittweise zur Disposition und in Frage gestellt.
Die hingenommene Aufweichung erinnert mich an das im Grunde gescheiterte so genannte Abtreibungsgesetz von 1995, das ursprünglich auch zum Ziel hatte, menschliches Leben zu schützen, aber durch die inkonsequenten Begriffe rechtswidrig ─ straffrei das Ziel verlor.
Die Forderung der Wissenschaftler und der Pharmaindustrie, jedwede Stichtagsregelung für den Import von embryonalen Stammzellen abzuschaffen, kommt der Erlaubnis einer Embryonen verbrauchenden Forschung nahe.
Die von der Mehrheit des Nationalen Ethikrates eingeläutete Liberalisierung und beabsichtigte völlige Freigabe der Stammzellforschung in Deutschland markiert neuerlich eine Abkehr von Wertentscheidungen, die bislang unsere Rechtsordnung mitbestimmten.
Folgende Fragen müssen in einem gesellschaftlichen Diskurs grundsätzlich zur Sprache gebracht werden: Sind wir uns noch einig, daß das Leben menschlicher Embryonen höher einzuschätzen ist als alle Forschungsfreiheit? Gibt es noch einen Konsens darüber, daß der Embryo, der bei solcherart Forschung mit Stammzellen getötet wird, ein wirklicher Mensch ist und nicht nur ein werdender Mensch? Dürfen Menschen verzweckt werden, um Forschungszwecke zu erfüllen?
Ich vermute, daß der von mir seit Jahren befürchtete Dammbruch in diesen Kernfragen längst eingetreten ist. Es ist Aufgabe eines Bischofs, angesichts dieser Gefahr zu intervenieren. Und dies tue ich gelegen oder ungelegen und nicht nur gelegentlich.
Fulda, 18. Juli 2007
+ Heinz Josef Algermissen
Bischof von Fulda“