Die Diskussion um die alte oder neue Messe in erster Linie eine Glaubensfrage


Die Got­tes­dienst­be­su­cher sind ent­we­der alt, oder noch ziem­lich jung. Beson­ders jun­ge Fami­li­en besu­chen die Mes­sen der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. Katho­li­sches befrag­te den inno­va­ti­ven Wis­sen­schafts­ver­le­ger Dr. Wolf­gang Mül­ler zur gest­ri­gen Ver­öf­fent­li­chung des Motu pro­prio Sum­morum Pontificum. 

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War­um ist es wich­tig für Sie und Ihre Fami­lie bei der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. zu praktizieren?

Die Prie­ster­bru­der­schaft geht kom­pro­miß­los den katho­li­schen Weg – im Gegen­satz zu vie­len ande­ren, die hier und da auch die alte Mes­se fei­ern, sich anson­sten aber ger­ne vom Moder­nis­mus ver­ein­nah­men lassen.

Was sind für Sie die wesent­li­chen Unter­schie­de zwi­schen alter und neu­er Liturgie?

Die neue Lit­ur­gie ist homo­zen­triert – von Men­schen für Men­schen gemacht. In einer Zeit, in der der Mensch sowie­so im Mit­tel­punkt des Den­kens steht, ist das durch­aus ver­ständ­lich. Schließ­lich will man aller­orts Frie­den, Wohl­stand, Frei­heit. Und am Ende dann das Para­dies auf Erden. Also muß auch der Got­tes­dienst dem Men­schen gewid­met sein.

Die alte Lit­ur­gie ist theo­zen­triert – Gott steht hier im Mit­tel­punkt. Er wird ange­be­tet, er wird ver­ehrt, mit ihm geht der Mensch ins Zwiegespräch.

Geht es nur um Lit­ur­gie, oder auch um den Glauben?

Im Grun­de geht es gar nicht um die Lit­ur­gien, son­dern allei­ne um den Glau­ben. Denn jeder Glau­be for­dert sei­ne Lit­ur­gie. Die Dis­kus­si­on um die alte oder neue Mes­se ist also in erster Linie eine Glau­bens­fra­ge. Für einen gläu­bi­gen Tra­di­tio­na­li­sten ergibt sich sei­ne Anbe­tungs­form somit zwangs­wei­se, für einen Moder­ni­sten auch.

Wer­den Sie die Mes­sen der Prie­ster­bru­der­schaft nun nicht mehr besu­chen, wenn mit dem Motu pro­prio die alte Mes­se frei­ge­ben wird?

Eine gute Idee! Dann könn­te ich end­lich unse­ren Orts­pfar­rer ken­nen­ler­nen… . Nein, gewiß nicht. Die Prie­ster­bru­der­schaft ver­kör­pert in all ihrer mensch­li­chen Schwä­che auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se die katho­li­sche Kir­che. In mei­ner Pfar­re hin­ge­gen müß­te ich das wirk­lich Katho­li­sche suchen und wür­de es am Ende doch nicht finden.

Erfah­ren sie als Fami­lie im beruf­li­chen und pri­va­ten Umfeld eher Unter­stüt­zung oder eher Unver­ständ­nis in Ihrer Hal­tung zur alten Mes­se und zur Priesterbruderschaft?

Ich wür­de sagen: Unver­ständ­nis in einem sehr posi­ti­ven Sin­ne. Auf den ersten Blick ver­steht man nicht, wor­um es geht, ist aber den­noch inter­es­siert. Zumin­dest, so weit es sich um den moder­nen Men­schen han­delt, der kaum noch einen Got­tes­be­zug in sei­ner Bio­gra­phie auf­wei­sen kann. Kommt man dann mit den Men­schen ins Gespräch, eröff­nen sich oft­mals tief­grei­fen­de Gedan­ken, die zei­gen, daß Sören Kier­ke­gaard recht hat wenn er sagt, daß jeder Mensch reli­gi­ös ange­legt ist.

Die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. hat als sehr klei­ne Gemein­schaft mit dem Motu pro­prio etwas sehr gro­ßes erreicht. Füh­len Sie sich in Ihrer Hal­tung bestätigt?

Zunächst möch­te ich sagen, daß es vor allem eine Lei­stung von Erz­bi­schof Lefeb­v­re war, dem Grün­der der Prie­ster­bru­der­schaft. Wäre er in eini­gen wirk­lich histo­risch zu nen­nen­den Momen­ten nur mini­mal von sei­nem Weg abge­wi­chen, gäbe es heu­te kei­ne Bru­der­schaft, kein Motu pro­prio. Den­ken Sie nur an die Grün­dung des Semi­nars in Eco­ne oder die uner­laub­ten Bischofs­wei­hen 1988. Hät­te Lefeb­v­re damals ande­re Ent­schei­dun­gen getrof­fen, wärs das wohl für lan­ge Zeit gewe­sen. Es ist schon tief beein­druckend, daß der lie­be Gott in bestimm­ten Momen­ten die Zukunft der Kir­che immer wie­der in die Hän­de ein­zel­ner, groß­ar­ti­ger Men­schen legt.

Aber kom­men wir auf Ihre Fra­ge zurück. Sicher­lich fühlt man sich in sei­ner Hal­tung bestärkt ange­sichts der Ent­schei­dung aus Rom. Dabei ist es wich­tig zu wis­sen, daß zu Beginn der Bru­der­schaft die wesent­li­chen Erneue­rer davon aus­gin­gen, das die Fra­ge der latei­ni­schen Mes­se sich „bio­lo­gisch“ klä­ren wird. Sprich: die Alten ster­ben bald und mit ihnen die alte Mes­se. Wenn Sie heu­te aller­dings die Besu­cher der alten und der neu­en Mes­se ver­glei­chen, wer­den sie fest­stel­len: die Jun­gen sind bei der alten, die Alten bei der jun­gen Mes­se. Inso­fern stim­me ich der bio­lo­gi­schen The­se zu. In spä­te­stens ein bis zwei Gene­ra­tio­nen wird man sagen: Stell Dir vor, es ist Frie­dens­gruß und neben Dir kein wei­trer Fuß.

Die Prie­ster­bru­der­schaft – und damit möch­te ich Ihre Fra­ge erwei­tern – ist mit dem gest­ri­gen päpst­li­chen Erlaß in einer ganz beson­de­ren Wei­se bestä­tigt wor­den. Denn der Papst schreibt im Begleit­brief zum Motu pro­prio, daß die alte Mes­se nie ver­bo­ten war, eine Hal­tung die die Prie­ster­bru­der­schaft immer ver­tre­ten hat. Hier wird auch eine gewis­se Absur­di­tät des Sum­morum Pon­ti­fi­cum deut­lich: Der Papst erlaubt eine Meß­form, von der er selbst behaup­tet, sie sei nie ver­bo­ten gewesen.

Natür­lich reicht er mit dem gest­ri­gen Tage der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. in beson­de­rer Wei­se die Hand zum Dia­log über die viel wich­ti­ge­ren Fra­gen, die bei­de tren­nen. Die ande­ren tra­di­tio­nel­len Ver­ei­ni­gun­gen, neh­men Sie z. B. die Petrus­bru­der­schaft oder das Insti­tut Phil­ip Neri in Ber­lin spie­len im Grun­de kei­ne Rol­le. Sie die­nen und dien­ten immer nur als Staf­fa­ge für den Vati­kan. Was man will, sind die Lefebvristen.

(Jens Falk)

Erzbischof Marcel Lefebvre
Erz­bi­schof Mar­cel Lefebvre
Foto: For­rest

Mar­cel Lefeb­v­re wur­de 1905 in Tour­co­ing, im Nor­den von Frank­reich, gebo­ren. 1923 trat er ins fran­zö­si­sche Prie­ster­se­mi­nar in Rom ein.

Er pro­mo­viert in Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie an der Päpst­li­chen Gre­go­ria­ni­schen Uni­ver­si­tät und wird am 21. Sep­tem­ber 1929 zum Prie­ster geweiht. Nach einem Jahr als Kaplan in einem Arbei­ter­vor­ort von Lil­le, tritt er ins Novi­zi­at der Mis­si­ons­kon­gre­ga­ti­on der Väter vom Hei­li­gen Gei­stes ein.

Am 8. Sep­tem­ber 1932, nach sei­ner Ordens­pro­feß, wird er nach Gabun in die Mis­si­on ent­sandt. Im Jahr 1945 wird er Obe­rer des Scho­la­stikats von Mor­tain in Frank­reich, dann zwei Jah­re spä­ter Apo­sto­li­scher Vikar von Dakar im Sene­gal. Am 18. Sep­tem­ber 1947 wur­de Mar­cel Lefeb­v­re zum Bischof geweiht und 1948 zum apo­sto­li­schen Dele­gier­ten für das fran­zö­sisch­spra­chi­ge Schwarz­afri­ka ernannt. 1955 wird er Erz­bi­schof von Dakar. 1960 wird er zum päpst­li­chen Thron­as­si­sten­ten ernannt und Mit­glied der Vor­be­rei­tungs­kom­mis­si­on des zwei­ten Vati­ka­ni­schen Konzils.

Im Jah­re 1962 wird er Bischof von Tul­le in Frank­reich und Bera­ter der Kon­gre­ga­ti­on für die Aus­brei­tung des Glau­bens. Am 26. Juli des glei­chen Jah­res wird er zum Gene­ral­obe­ren der Kon­gre­ga­ti­on der Väter vom Hei­li­gen Geist gewählt, die mehr als 5000 Mit­glie­der in der gan­zen Welt zählt. 1968, beim außer­or­dent­li­chen Kapi­tel, des aggior­na­men­to der Kon­gre­ga­ti­on der Väter vom Hei­li­gen Geist, tritt er als Gene­ral­obe­ren zurück und geht nach Rom. Dort führt er ein beschei­de­nes Leben in einer klei­nen Pen­si­on, die von Ordens­schwe­stern geführt wird, bis jun­ge Leu­te zu ihm kom­men, die ihn bit­ten, ihre prie­ster­li­che Beru­fung zu führen.

1970 grün­det, er mit der Zustim­mung von Bischof Charrià¨re, Bischof von Frei­burg in der Schweiz, die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. Im Jah­re 1974 fin­det eine Apo­sto­li­sche Visi­ta­ti­on des Semi­nars in Ecà´ne statt. Die bei­den Besu­cher geben Äuße­run­gen von sich, wel­che den Glau­ben der Semi­na­ri­sten zutiefst ver­let­zen. Bei die­ser Gele­gen­heit ver­faßt Erz­bi­schof Lefeb­v­re eine Erklä­rung, datiert auf den 21. Novem­ber 1974, die mit den Wor­ten: „Wir hän­gen mit gan­zem Her­zen, mit unse­rer gan­zen See­le am katho­li­schen Rom“, beginnt. Die­ses Doku­ment, weit ver­brei­tet, löst den Pro­zeß aus, der am 6. Mai 1975 zur Auf­he­bung der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. führte.

Erz­bi­schof Lefeb­v­re lehn­te stets die Recht­mä­ßig­keit die­ser Auf­he­bung ab, wel­che, nach sei­nem Urteil, meh­re­re wich­ti­ge Prin­zi­pi­en des kano­ni­schen Rech­tes ver­letz­te, und wel­che ihren Grund allein in der Anhäng­lich­keit der Mit­glie­der der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. am über­lie­fer­ten Glau­ben und der Lit­ur­gie begrün­det hat.

Am 29. Juni 1976 ver­leiht er die prie­ster­li­che Wei­he an 13 Kan­di­da­ten, trotz des römi­schen Ver­bo­tes. Dies führt zu einer Amts­ent­he­bung a divi­nis am 1. Juli 1976.

Es folg­ten vie­le Kon­tro­ver­sen, zahl­rei­che Kon­tak­te mit der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, Audi­en­zen mit Paul VI. im Jah­re 1976, mit Johan­nes Paul II. im Jah­re 1978. Im Jah­re 1988, nach­dem Kar­di­nal Gagnon in der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. eine kano­ni­sche Visi­ta­ti­on durch­ge­führt hat­te, unter­schrieb Erz­bi­schof Lefeb­v­re am 5. Mai ein Ver­trags­pro­to­koll; er zog jedoch am dar­auf­fol­gen­den Tag sei­ne Unter­schrift zurück.

Am 30. Juni 1988 weih­te Erz­bi­schof Lefeb­v­re zusam­men mit Bischof de Castro May­er aus Cam­pos (Bra­si­li­en), vier Bischö­fe: die sechs Bischö­fe wur­den dar­auf exkommuniziert.

Erz­bi­schof Lefeb­v­re erteil­te die­sen Weih­bi­schö­fen der Prie­ster­bru­der­schaft weder eine Juris­dik­ti­on noch eine kano­ni­sche Mis­si­on. Sie wur­den ein­zig und allein für die Spen­dung der Sakra­men­te der Fir­mung und der Prie­ster­wei­he im alten Ritus geweiht. Die­se vier Bischö­fe unter­ste­hen dem Gene­ral­obe­ren der Prie­ster­bru­der­schaft und haben kein festes Ter­ri­to­ri­um, auch kei­ne spe­zi­el­le Kir­chen­ge­mein­de. Außer­halb ihrer Rei­sen für die Spen­dung der Fir­mun­gen und Prie­ster­wei­hen erfüll­ten sie ledig­lich prie­ster­li­che Funktionen.

Der Grün­der der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. ver­brach­te sei­ne letz­ten Lebens­jah­re im Semi­nar in Ecà´ne. Er starb am 25. März 1991 in Mar­tigny. Er wur­de in Ecà´ne beigesetzt.

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