von Jens Falk
Am 1. März hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien die Web-Seite www.babycaust.de auf den Index gesetzt. Dies gilt für das gesamte Web-Angebot und nicht nur für einzelne Abbildungen oder Texte, was durchaus ungewöhnlich ist. Die Indizierung bezieht sich z.B. auch auf die Linksammlung. Dort sind unter anderem die CDU-Initiative CDL, die Juristenvereinigung Lebensrecht und die Europäische Ärzteaktion aufgeführt, also eine kleine Liste des Who is who der Lebensrechtsbewegung. Diese Linksammlung soll nach dem Willen der Prüfstelle nur noch Interessenten über 18 Jahren zugänglich sein, wobei der Seitenbetreiber den Zugang mittels Altersprüfverfahren zu sichern habe.
Die besagte Web-Seite, die bis jetzt noch nicht vom Netz genommen wurde, ist unter dem Gesichtspunkt des Layouts und der Lesefreundlichkeit ein Desaster und keine professionelle journalistische Publikation. Das Web-Angebot dürfte kaum wahrgenommen werden, zumal die Web-Seite nicht gerade suchmaschinenfreundlich erstellt wurde, also Google und Co. Probleme haben, die Seite in ihren Suchindex aufzunehmen.
Wenn nun die Bundesoberbehörde mit einer pauschalen Indizierung einer kleinen Lebensrecht-Seite so stark gegen die Presse- und Meinungsfreiheit vorgehen möchte, erinnert dies sehr stark an Willkür, wie sie im National- und „DDR“- Sozialismus übliche Praxis war. Zudem ist die Frage zu stellen, wer eigentlich mit diesem Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit wirklich gemeint sein dürfte.
Die Willkür ist auch daran erkennbar, daß die Presse von der Bundesprüfstelle nicht erfährt, wer im Einzelnen an dem Prüfverfahren als Beisitzer beteiligt war. Im Gegensatz zu Gerichtsverhandlungen, bei denen bekannt ist, wer der Verhandlung vorsitzt, wurden die Namen der Indizierer nicht genannt. Vielleicht dient dies nur zur Verschleierung. So wird in dem Entscheidungsdokument, welches dem Betroffenen zugestellt wurde, als Beisitzer hinsichtlich Kirche Frau Margitta Neuwald-Golling (European Council of Wizo Federation) genannt. Ihr dürfte der christliche Glaube und die Kirche vermutlich völlig fremd sein.
In dem Verfahren selbst wurde durch den Rechtsbeistand des Verantwortlichen für das Web-Angebot, Rechtsanwalt Leo Lennartz, Befangenheitsanträge gegenüber drei Beisitzern gestellt; diese wurden von dem Gremium (inkl. der drei Betroffenen), das ein demokratisches rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten muß, willkürlich entschieden und verworfen.
Hauptstörfaktoren sind für den Antragsteller (die Kommission für Jugendschutz der Landesmedienanstalten) und die Prüfstelle der Begriff Babycaust und die Abbildungen, die durch Abtreibung ermordete Kinder zeigen. Angesicht der Kritik an den Abbildungen und der Begründung zur Indizierung entsteht der Eindruck, daß die Bundesprüfstelle zwar nicht ausdrücklich behauptet, die abgetriebenen Personen seien keine Menschen, aber offenbar davon ausgeht, es handle sich um unwertes Leben. Der Staat ist derzeit aktiv an der Abtreibung und damit am Unrecht beteiligt. Er finanziert durch Steuermittel die Ermordung und er stellt die Abtreibung straffrei, wenn eine Beratung nachgewiesen wird. Finanziert werden vom Staat nur jene Beratungsstellen, die Scheine zu Gunsten der Abtreibungsfreiheit ausstellen.
Die Seite Babycaust benennt radikal dieses Unrecht. Auf einfache Weise wird mit den Bildern und dem Wortspiel Baby und Holocaust der Staat an seine eigene Schuld und Verantwortung erinnert. Die Seite wirkt geschmacklos und es bereitet keinen Freude sie anzusehen; ebenso geschmacklos wie weitere Web-Seiten andere Genozide thematisieren. Wer möchte auch Geschmack an solchen Seiten finden?
Im Internet gibt es auf zahlreichen deutschsprachigen Web-Seiten Bilder von grausam getöteten Menschen. Von Menschen, die von jemanden zuvor als unwertes Leben eingestuft wurden. Es sind Bilder zu finden, die grausam ermordete Personen zeigen: Juden, Polen, Slawen, Katholiken, Protestanten und Kommunisten als Opfer des Nationalsozialismus. So befinden sich z.B. die Bilder von Armin T. Wegner im Internet, die den Völkermord an den Armeniern dokumentieren. Ebenso sind Fotos der jüngsten Völkermorde auf Web-Seiten zu finden. Gegen keins der Angebote geht die Bundesprüfstelle derzeit vor. Bei jedem Angebot könnte die Einschätzung des „Verrohens“ zutreffen. Bei einer Vielzahl der gezeigten Bilder auf Seiten, die einen Genozid dokumentieren, könnten Jugendliche potentiell dazu verleitet werden, sich am Leiden und Sterben des „unwerten Lebens“ zu ergötzen.
Papst Johannes Paul II. schrieb im Frühjahr 1996 den amerikanischen Bischöfen, er werde sich mit dem immer noch fortwährenden Baby-Holocaust nicht abfinden. Die Macher der Seite Babycaust befinden sich also in guter Gesellschaft, zumal auch Erzbischof Johannes Dyba öffentlich von Babycaust sprach.
Der Sekretär der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Angelo Amato, hat Abtreibung und Sterbehilfe im April 2007 als Formen von „Terrorismus“ bezeichnet. In einem Vortrag über das „Problem des Bösen“ bezichtigte er italienischen Tageszeitungen vom 24. April zufolge die Medien, derartige Gewalt „hinterlistig“ zu propagieren. Der langjährige Mitarbeiter des früheren Präfekten der Glaubenskongregation und heutigen Papstes warf der Presse vor, sie manipuliere „vorsätzlich die Sprache mit Begriffen, die die tragische Wirklichkeit verdecken“.
Mit der Entscheidung der Bundesprüfstelle ist genau dies gemeint: Die Begriffswahl von Medien und Journalisten, von Christen und Lebensrechtlern, die eben nicht vorsätzlich die tragische Wirklichkeit verdecken wollen, sondern die zutreffenderen Termini benutzen, wird angegriffen.
Den Staat und einen kleinen, aber einflußreichen, Teil der Gesellschaft stört es, daran erinnert zu werden, daß sie im großen Stil an der Vernichtung ungeborener und unschuldiger Menschen beteiligt sind bzw. die Beseitigung jener Menschen befürworten. Das dürfte wohl die eigentliche Motivation des ganzen Verfahrens sein.