Olaf ist verunsichert. Er steht kurz vor einem Beratungsgespräch im Offizialat (kirchliches Gericht), wegen einer möglichen Annullierung (Nichtigkeitserklärung) seiner geschiedenen Ehe. Nur eineinviertel Jahr war er verheiratet, als die Beziehung in die Brüche ging. „Ich möchte mich darauf vorbereiten. Hat jemand Erfahrungen hierzu“, schreibt er in einem Internetforum. Moderator Andreas macht ihm Mut: „In der Regel sind die sehr zuvorkommend und, wenn beide Eheleute die Annullierung begehren, auch relativ problemlos.“ Forums-Mitglied Pettersilia widerspricht: „Bei meinem Bruder soll die Ehe auch annulliert werden. Also, problemlos würd ich das nicht nennen… Wie’s aussieht, geht die erste Instanz ohne Probleme durch, obwohl seine Ex alles dransetzt, damit das nicht klappt.“ Aber Wolfgang Becker, der in demselben Forum mitdiskutiert, ermuntert Olaf: „Ehe annullieren lassen, ist wohl das was Du versuchst. Das geht nicht nur bei „Königs“ (wie zuletzt Caroline von Monaco) sondern bei allen. Es müssen dazu aber bestimmte Punkte erfüllt sein, hier gilt Kirchen- und nicht weltliches Gesetz.“
- Mal eben gelassen seine Ehe anullieren lassen
Foto: Pixelquelle
Der Würzburger Diözesanrichter Klaus Schmalzl erklärt im Gespräch welche Punkte da zum Beispiel eine Rolle spielen: „Die Kirche kann eine Ehe annullieren und damit feststellen, daß zur Zeit der Heirat keine gültige Ehe geschlossen wurde, weil das katholische Verständnis bestimmte Mindestanforderungen im Hinblick auf den Ehewillen und auf die Ehefähigkeit vorsieht.“ Mit Schuldvorwürfen an eine Gegenseite hat also das kirchliche Verfahren nichts zu tun. Nach kirchlichem Verständnis gleicht die Ehe einem Vertrag, der in bestimmten Fällen ungültig sein kann, wie bei privaten Rechtsgeschäften. Geht der Mann fremd, ändert das an und für sich nichts an der Gültigkeit der Ehe. Sieht er jedoch nicht ein, mit einer langjährigen heimlichen Geliebten zu brechen, obwohl er „die Andere“ heiratet, schließt er damit die Treue grundsätzlich aus. Ist dies beweisbar, kann im Scheidungsfall der „Ausschluß der Treue“ als Ehenichtigkeitsgrund vorgebracht werden. Ebenso leicht kann eine Ehe annulliert werden, wenn mindestens einer von beiden nie Kinder haben möchte, deswegen konsequent verhütet und auch noch im Freundeskreis lautstark verkündet, „nervige Gören“ wolle er nicht in die Welt setzen. Das nennen die Kirchenrechtler dann „Ausschluß der Nachkommenschaft“.
Auch der angekündigte Vorsatz, den Partner etwa im Falle von Krankheit, Armut oder vor übergehender Untreue zu verlassen, kann als „Ausschluß der Unauflöslichkeit“ die Feststellung, die Ehe sei ungültig, begründen. „Ebenso schließt auch derjenige keinen gültigen kirchlichen Ehevertrag, der zur Zeit der Heirat psychisch-seelisch so sehr belastet ist, daß er letztlich unfähig ist, eine partnerschaftliche Ehe im Sinne einer umfassenden Lebens und Liebesgemeinschaft zu begründen“, ergänzt Klaus Schmalzl, der tiefgreifende Alkoholprobleme und schwere Depressionen als Beispiele nennt.
Die Beweise, Partei- oder Zeugenaussagen sind aber nicht immer so eindeutig wie ein psychologisches Gutachten. Daran kann ein Verfahren auch scheitern oder zumindest langwierig werden, denn die Offizialate stellen hohe Anforderungen: „Jedes Annullierungsverfahren ist ein Beweisverfahren. Das bedeutet, daß solange an der Gültigkeit der Ehe festzuhalten ist, bis das Gegenteil zweifelsfrei bewiesen ist“, betont Schmalzl.
Möglicherweise erschwert die Ex-Ehefrau des Bruders von Pettersilia, der im Internetforum über deren Verhalten im Verfahren klagt, dies durch zögerliche oder ungenaue Angaben vor dem Kirchengericht. Eigentlich müßte es aber auch in ihrem Interesse sein, wieder in Weiß heiraten zu können, so denn die Ehe tatsächlich ungültig war. Klaus Schmalzl, der die Hälfte seiner Arbeitszeit auch noch die Ehe‑, Familien- und Lebensberatungsstelle im fränkischen Tauberbischofsheim leitet, nennt Gründe, warum sich manche Partner gegen das Verfahren sperren. „Die Parteien müssen klar wissen, daß es im Annullierungsverfahren weder um die Klärung der Schuldfrage, noch um das Auslöschen der gemeinsamen Lebensgeschichte geht.“ Seelische Wunden müßten zunächst einmal vernarben und vor allem dürfe die klagende Partei den Ex-Mann oder die Ex-Frau mit dem Prozeß nicht überfahren: „Wir empfehlen allen Antragstellern, vor Einreichung des Antrags den geschiedenen Partner vorab darüber zu informieren.“
Und auch mit dem häufigen Vorurteil, es handele sich bei der Annullierung um das Privileg monegassischer Prinzessinnen, räumt Schmalzl auf: „In der Praxis der kirchlichen Gerichte aber stellen Menschen quer durch alle Bildungsschichten den Antrag.“ Auch die Kosten seien „überschaubar“: „In der Regel übersteigen diese nicht die Gesamtsumme von 250 Euro.“ Etwaige Gutachten müssen jedoch extra bezahlt werden: Bei Pettersilias Bruder kamen deswegen 450 Euro hinzu.
Diözesanrichter Klaus Schmalzl über den Ablauf des Verfahrens: „Wenn sich jemand nach einem ausführlichen und unverbindlichen Informationsgespräch beim Bischöflichen Offizialat entscheidet, die Annullierung seiner geschiedenen Ehe zu beantragen, reicht er beim kirchlichen Gericht hierzu eine Klageschrift ein unter Angabe des möglichen Ehenichtigkeitsgrundes und der Zeugen. Nach der Phase der Beweiserhebung mit der eidlichen Befragung der Parteien und der Zeugen fertigt der Ehebandverteidiger seine Stellungnahme an und drei kirchliche Richter entscheiden in Mehrheitsentscheidung, ob die Ehe annulliert werden kann oder nicht. Wenn dann die zweite Instanz ein positives Urteil der ersten Instanz bestätigt, steht beiden Parteien eine neue kirchliche Eheschließung offen.“
Siehe auch:
Eine ausgezeichnete Übersicht über den Prozeß und die Ehenichtigkeitsgründe hat die Diözese Bozen-Brixen ins Internet gestellt.
Den Beitrag haben wir freundlicherweise aus dem PUR-Magazin, Heft 3 übernommen, das heute erschien.
Weitere Schwerpunktthemen des Heftes:
- Sind Hausfrauen die neuen „Rabenmütter“
- Interview mit Minister Steffen Flath über Krippenideologie