Das Priesterbild der Zukunft – Warum die Erhebung des Hl. Vianney zum Patron der Priester abgeblasen wurde


(Rom) Die im letz­ten Augen­blick erfolg­te „Ent­thro­nung“ des hei­li­gen Pfar­rers von Ars als Patron der Prie­ster wirft eine Rei­he von Fra­gen auf. Papst Bene­dikt XVI. woll­te den Hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney zum Abschluß des Annus Sacer­do­ta­lis für alle Prie­ster zum Vor­bild und Patron erheben.

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Noch am 10. Juni teil­te das Büro für die lit­ur­gi­schen Fei­ern des Hei­li­gen Vaters mit:  „Ein gro­ßer Wand­tep­pich mit dem Bild des Hei­li­gen Kura­ten von Ars wird an der Haupt­log­gia der Peters­ba­si­li­ka aus­ge­hängt. Der Hei­li­ge Johan­nes Maria Vian­ney stand im Mit­tel­punkt des Prie­ster­jah­res und zu die­sem Anlaß wird er vom Hei­li­gen Vater zum Patron aller Prie­ster erhoben.“

Der rie­si­ge Wand­tep­pich mit dem Bild des Hei­li­gen wur­de tat­säch­lich am Don­ners­tag abend aus­ge­hängt, als sich der Papst mit Tau­sen­den von Prie­stern auf dem Peters­platz zu einer Gebets­vi­gil ver­sam­mel­te, eben­so am Frei­tag vor­mit­tag zur Eucha­ri­stie­fei­er am Hoch­fest des Her­zens Jesu.

Was also war in den 48 Stun­den zuvor gesche­hen, daß die Aus­ru­fung zum Patron aller Prie­ster nicht statt­fand? Fides et for­ma ver­such­te die Etap­pen des als „Kri­mi“ bezeich­ne­ten Vor­gan­ges nachzuzeichnen.

Noch am 9. Juni hat­te der Osser­va­to­re Roma­no eine Stel­lung­nah­me des päpst­li­chen Zere­mo­nien­mei­ster Msgr. Gui­do Mari­ni ver­öf­fent­licht, der­zu­fol­ge der Hei­li­ge Vian­ney am 11. Juni „von Bene­dikt XVI. zum Patron aller Prie­ster aus­ge­ru­fen wird“.

Doch blicken wir noch wei­ter zurück. Die Erhe­bung eines Hei­li­gen zum Patron wird nor­ma­ler­wei­se mit einem Motu pro­prio des Pap­stes bekannt­ge­ge­ben. Die Vor­be­rei­tung für die­ses Doku­ment lag in der Hand der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on. Ent­spre­chend gab am 16. März 2009 das Pres­se­amt des Hei­li­gen Stuhls anläß­lich einer Ple­nar­sit­zung der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on bekannt: „Wäh­rend des Jubel­jah­res wird Bene­dikt XVI. den Hei­li­gen Johan­nes M. Vian­ney zum ‚Patron aller Prie­ster der Welt‘ erhe­ben. Wei­ters wird das ‚Direk­to­ri­um für die Beicht­vä­ter und geist­li­chen Assi­sten­ten‘ zusam­men mit einer Text­samm­lung des Hei­li­gen Vaters zu grund­le­gen­den The­men des Lebens und der prie­ster­li­chen Mis­si­on in unse­rer Zeit veröffentlicht.“

Eben­so gab Radio Vati­kan am 16. März 2009 bekannt, daß der Papst den hei­li­gen Kura­ten von Ars zum Patron der Prie­ster pro­kla­mie­ren wird.

Am 17. Juni 2009 gab Kar­di­nal Hum­mes der katho­li­schen Tages­zei­tung Avve­ni­re ein Inter­view, in dem er mit eini­ger Zurück­hal­tung sag­te, daß das Annus Sacer­do­ta­lis aus Anlaß des 150. Todes­ta­ges des Hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney aus­ge­ru­fen wur­de, einer vor­bild­li­chen Prie­ster­ge­stalt, die seit lan­ger Zeit Patron der Pfar­rer ist und „wahr­schein­lich“ vom Papst zum Patron aller Prie­ster erho­ben wird.

Am 8. Juni 2010 berich­te­te Radio Vati­kan von einem Tref­fen der Prie­ster der Gemein­schaft Rin­no­va­men­to del­lo Spi­ri­to (Erneue­rung des Gei­stes) in der päpst­li­chen Late­ran­ba­si­li­ka: „Don­ners­tag abend wer­den die Prie­ster auf dem Peters­platz mit Bene­dikt XVI. an einer Gebets­vi­gil teil­neh­men, wäh­rend der Papst am dar­auf­fol­gen­den Tag ein fei­er­li­ches Hoch­amt zele­brie­ren wird, bei dem er den Kura­ten von Ars zum Patron aller Prie­ster ausruft.“

Am Abend des 10. Juni erin­ner­te der (offen­sicht­lich nicht unter­rich­te­te) Prie­ster, der bei der Gebets­vi­gil des Pap­stes mit den Prie­stern als Spre­cher fun­gier­te, noch dar­an, daß der Papst am näch­sten Mor­gen den fran­zö­si­schen Hei­li­gen zum Patron aller Prie­ster erhe­ben werde.

Was geschah also zwi­schen dem 8. und dem 10. Juni 2010?

Wenig glaub­wür­dig klingt die Recht­fer­ti­gung von Pad­re Lom­bar­di, dem Lei­ter des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes, die er am Abend des 11. Juni gegen­über der Agen­tur ASCA äußer­te: „In Wirk­lich­keit hat es der Hei­li­ge Vater vor­ge­zo­gen, obwohl er das Prie­ster­jahr anläß­lich des 150. Todes­ta­ges des Hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney aus­ge­ru­fen hat, dem hei­li­gen Kura­ten von Ars des­sen beson­de­ren Titel eines Patrons der Pfar­rer zu erhal­ten, da dies sei­nem eigent­li­chen Wir­ken ent­sprach, wäh­rend es vie­le ande­re Prie­ster­ge­stal­ten gibt, die für jene Anre­gung und Vor­bild sein kön­nen, die zahl­rei­che ande­re For­men des prie­ster­li­chen Dien­stes ausüben.“

Es genügt ein Ver­gleich mit der Pre­digt Papst Bene­dikts XVI. vom 11. Juni auf dem Peters­platz: „Das Prie­ster­jahr, das wir began­gen haben, 150 Jah­re nach dem Tod des hei­li­gen Kura­ten von Ars, dem Vor­bild des prie­ster­li­chen Dien­stes in unse­rer Welt, geht zu Ende.“

Wäh­rend P. Lom­bar­di den Hei­li­gen Vian­ney nur als ein Vor­bild unter „vie­len“ dar­stell­te, sprach der Papst von „dem“ Vor­bild für den Prie­ster in unse­rer Welt.

Die fran­zö­si­sche Agen­tur I‑Media berich­te­te unter Beru­fung auf Quel­len im Vati­kan, daß die Absa­ge erfolgt sei, weil der Hei­li­ge von Ars „weder aus­rei­chend reprä­sen­ta­tiv sei für das Prie­ster­tum des 21. Jahr­hun­derts noch aus­rei­chend uni­ver­sal“. Zudem wider­spieg­le er „nicht voll­stän­dig die Gestalt des Prie­sters von heu­te im Zeit­al­ter der Medi­en“. Anders aus­ge­drückt: Da der Hei­li­ge bereits vor 150 Jah­ren starb, benutz­te er weder Com­pu­ter noch Inter­net, was ihn offen­bar als Vor­bild für den Prie­ster von heu­te und mor­gen disqualifiziere.

Papst Bene­dikt XVI. hin­ge­gen sprach im Lau­fe des Prie­ster­jah­res immer wie­der über Hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney und bezeich­ne­te ihn jedes Mal als Vor­bild für die Prie­ster, so daß die Erhe­bung zum Patron der Prie­ster eine gera­de­zu logi­sche Fol­ge die­ses päpst­li­chen Wil­lens gewe­sen wäre.

Es scheint wenig glaub­wür­dig, daß man im Vati­kan erst in den letz­ten 48 Stun­den vor der Bekannt­ga­be der Erhe­bung ent­deck­te, daß der Hei­li­ge „wenig reprä­sen­ta­tiv“ und euro­zen­trisch sein könn­te. Fides et For­ma wirft daher die Fra­ge auf, wer die Initia­ti­ve des Pap­stes „sabo­tier­te“: „Wer ist der Vor­ge­setz­te von Pad­re Lom­bar­di? Wer ist der Fil­ter zwi­schen dem Hei­li­gen Vater und dem Kle­rus? Schon sind die Ver­ant­wort­li­chen gefun­den.“ Kon­kret ist damit das Staats­se­kre­ta­ri­at gemeint.

Mes­sa in lati­no nennt die­se Anspie­lung „sehr wahr­schein­lich begrün­det“. Es bleibt die Fra­ge im Raum ste­hen, wes­halb die­ses Dik­aste­ri­um der römi­schen Kurie die erklär­te Absicht des Pap­stes kon­ter­ka­rie­ren soll­te, den Prie­stern ein gro­ßes Vor­bild zu schen­ken, an dem sich der heu­ti­ge und künf­ti­ge Kle­rus aus­rich­ten kann? Erst gar nicht zu spre­chen von der Pein­lich­keit, der man den Hei­li­gen Vater aus­setz­te,  eine bis zuletzt ange­kün­dig­te Aus­ru­fung, ohne plau­si­ble Grund­an­ga­be so kurz­fri­stig zurück­neh­men zu müssen.

Zur Reka­pi­tu­la­ti­on: Am 10. Juni wur­de an der Haupt­log­gia des Peters­doms der rie­si­ge Wand­tep­pich mit der Dar­stel­lung des hei­li­gen Kura­ten von Ars aus­ge­hängt, wie es bei Hei­lig­spre­chun­gen üblich ist. Papst Bene­dikt XVI. ver­wen­de­te am 11. Juni bei der Eucha­ri­stie­fei­er auf dem Peters­platz den Kelch des Hei­li­gen. Der Papst ver­faß­te sei­ne Pre­digt zum Anlaß. Was fehlt, war das Motu pro­prio für die Verlautbarung.

Pao­lo Roda­ri, Vati­ka­nist von Il Foglio, nennt „büro­kra­ti­sche Pro­ble­me“. Das offi­zi­el­le Doku­ment zur Erhe­bung des Hei­li­gen zum Patron aller Prie­ster sei nicht recht­zei­tig fer­tig gewor­den. Dar­an hät­te die plan­mä­ßi­ge Aus­ru­fung kaum schei­tern müs­sen. Im Vati­kan wer­den häu­fig Doku­men­te rück­da­tiert bzw. erst zu einem spä­te­ren Zeit­punkt veröffentlich.

Andrea Tor­ni­el­li, Vati­ka­nist von Il Giorn­a­le bringt die von ihm selbst mit wenig Über­zeu­gung vor­ge­tra­ge­ne Hypo­the­se ins Spiel, daß „nicht-euro­päi­sche Bischofs­kon­fe­ren­zen“ sich über die Wahl eines Hei­li­gen des „alten Kon­ti­nents“ beklagt hät­ten. Doch dem Epi­sko­pat der Drit­ten Welt kann man weder in die­ser noch in ande­rer Hin­sicht kaum vor­wer­fen, „ras­si­stisch“ gesinnt zu sein. Abge­se­hen davon, fehlt ihm das nöti­ge Gewicht für ein sol­ches Veto. Wer hin­ge­gen das Sagen hat, ist nach wie vor der euro­päi­sche Epi­sko­pat, nicht zuletzt der deut­sche, wo sich die theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten kon­zen­trie­ren und vor allem das Geld. Es ist kein Geheim­nis, daß z.B. Bra­si­li­en, kirch­lich gespro­chen, eine deut­sche „Kolo­nie“ ist. Die deut­schen Bischö­fe, Hilfs- und Mis­si­ons­wer­ke beein­flus­sen die bra­si­lia­ni­schen Diö­ze­sen Dank der nach wie vor üppi­gen Kir­chen­steu­er­ein­nah­men. Soll­te also je ein anti-euro­zen­tri­scher Pro­test von Bra­si­li­en aus­ge­hen, darf man getrost davon aus­ge­hen, daß die Anre­gung dazu von einem euro­päi­schen Kopf stammt.

Wer auch immer die Initia­ti­ve des Pap­stes hin­ter­trei­ben und Bene­dikt XVI. öffent­lich und vor allem vor den Prie­stern bloß­stel­len woll­te, der Grund dafür dürf­te in der Bedeu­tung lie­gen, die der beab­sich­ti­gen Erhe­bung des Hei­li­gen zukommt. Es geht um die Fra­ge, wel­ches Prie­ster­bild für die Zukunft prä­gend sein soll. Papst Bene­dikt XVI. woll­te allen Prie­stern, vor allem auch den künf­ti­gen, den Hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney als Modell und Vor­bild  nahelegen.

Der Kurat von Ars gilt vie­len als „tra­di­tio­na­li­sti­scher“ Prie­ster ante lit­teram. Die Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on pfle­gen daher sei­ne Ver­eh­rung, den sie neben gro­ßen Gestal­ten wie den Hl. Pius V., den Hl. Pius X. und den Hl. Tho­mas von Aquin nen­nen. Die Per­so­nal­prä­la­tur von Cam­pos trägt sei­nen Namen. Sein tie­fes geist­li­ches Leben, sei­ne inne­ren Kämp­fe mit den Dämo­nen, die inten­si­ven Gebets­zei­ten und sei­ne rast­lo­se Tätig­keit als Beicht­va­ter wer­den von glau­bens­treu­en Grup­pen eben­so geschätzt, wie sie von pro­gres­si­ven belä­chelt oder offen abge­lehnt wer­den. Für jenen Teil des west­li­chen Kle­rus, der unaus­ge­spro­chen im Kon­ku­bi­nat lebt, die Sakra­men­te ver­küm­mern läßt und das Prie­ster­tum nicht als Nach­fol­ge Chri­sti und damit Gegen­ent­wurf zur Welt, son­dern als inte­gra­ti­ven Teil der­sel­ben und rei­nen Dienst­lei­stungs­be­ruf sieht, dürf­te das Vor­bild des Hei­li­gen Prie­sters Vian­ney eher apo­tro­päi­sche Wir­kung haben.

Auf­schluß für das Rin­gen, das hin­ter den Kulis­sen im Gan­ge ist, könn­te daher ein Bei­trag in der fran­zö­si­schen katho­li­schen Tages­zei­tung La Croix geben, dem Organ der fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz. Am 17. Juni 2009 stand dort geschrie­ben: „Der Kurat von Ars als Vor­bild für die Prie­ster des 21. Jahr­hun­derts? Mit der Ankün­di­gung eines Prie­ster­jah­res im März 2009 über­rasch­te Bene­dikt XVI. in dop­pel­ter Hin­sicht. Einer­seits weil nur weni­ge Per­so­nen vor­ab infor­miert waren, auch im Vati­kan. Ande­rer­seits weil er die­ses Prie­ster­jahr unter das Patro­nat von Jean-Marie Vian­ney stell­te, des­sen 150. Todes­jahr began­gen wird.

Die Wahl die­ses Land­prie­sters des 19. Jahr­hun­derts, von dem die eif­ri­ge Volks­fröm­mig­keit den Opfer­geist und den Kampf gegen die Dämo­nen schätzt, über­rascht doch. Was soll das Bei­spiel des Jean-Marie Vian­ney und sein typi­sches Pro­fil eines Prie­sters des Kon­zils von Tri­ent brin­gen nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil, das den Lai­en ihren Platz in der Kir­che zuer­kannt hat, und nach der Beru­fungs­kri­se, die vor allem Euro­pa erlebt,  und die die Prie­ster zwingt, ihre Rol­le und ihre Beru­fung zu über­den­ken? Was sol­len die jun­gen Prie­ster dar­in fin­den, um auf die Her­aus­for­de­run­gen der urba­nen und säku­la­ri­sier­ten Gesell­schaft von heu­te zu antworten?“

(Giu­sep­pe Nar­di, Bild: Myre­lin­got /​ flickr​.com)

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