(Washington) Am Freitag ist der emeritierte Erzbischof von Chicago, Francis Eugene Kardinal George im Alter von 78 Jahren gestorben. Seit Jahren kämpfte er mit einer Krebserkrankung.
Der 1937 in Chicago (Illinois) geborene George gehörte dem katholischen Missionsorden der Oblati Mariae Immaculatae (Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria, OMI) an. Der Kardinal gehörte zu den Wählern von Papst Benedikt XVI.
Dem Orden trat er 1957 bei, absolvierte seine philosophischen und theologischen Studien an der Universität Ottawa in Kanada. 1963 wurde er für seinen Orden zum Priester geweiht. Anschließend erwarb er ein Lizentiat an der Katholischen Universität von America in Washington D.C. und ein Doktorat in Theologie an der Universität von Tulane in New Orleans (Lousiana).
Generalvikar der Oblatenmissionare und erster einheimischer Erzbischof von Chicago
1973/1974 war er Provinzial der Oblatenprovinz des Mittleren Westens in Saint Paul (Minnesota). Anschließend wurde er unter dem frankokanadischen Generaloberen Fernand Jetté zum Generalvikar seines Ordens und als solcher nach Rom an das Generalhaus geschickt. Nach 12 Jahren kehrte George 1986 in die USA zurück, wurde Leiter des Cambridge Studienzentrums für Glauben und Kultur in Massachusetts und erwarb gleichzeitig an der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom ein Doktorat in Ekklesiologie.
Johannes Paul II. ernannte ihn 1990 zum Bischof von Yakima im Staat Washington. 1996 folgte die Beförderung auf den Erzbischofsstuhl von Portland im Staat Oregon und bereits im Jahr darauf die Erhebung zum Erzbischof von Chicago im Staat Illinois, einem der bedeutendsten Bischofssitze der USA, mit dem seit 1924 die Kardinalswürde verbunden ist. Obwohl nicht Diözesanpriester wurde er zum ersten einheimischen Bischof des 1843 errichteten Bistums Chicago, das 1880 zum Erzbistum erhoben wurde.
1998 wurde auch Erzbischof George zum Kardinal mit der Titularkirche San Bartolomeo all’Isola kreiert und nahm als solcher am Konklave von 2005 und 2013 teil.
In besonderer Weise setzte sich Kardinal George für die Seelsorge für behinderte Menschen ein. Seit 1990 gehörte er der entsprechenden Arbeitsgruppe der Amerikanischen Bischofskonferenz an.
Mißfallen über progressiven Außenseiter als Nachfolger
Am 20. September 2014 erfolgte seine Emeritierung durch Papst Franziskus und eine große Enttäuschung. Kardinal George machte kein Hehl daraus, mit dem von Franziskus ernannten Nachfolger nicht zufrieden zu sein. Der argentinische Papst sorgte mit der Ernennung von Bischof Blase Joseph Cupich, einem progressiven Außenseiter, für einen Paukenschlag, den der Oblate George mißbilligte.
Die Ernennung von Cupich auf einen der wichtigsten Bischofssitze wurde als radikaler Eingriff in den amerikanischen Episkopat gesehen. Als Versuch, dessen innere Geschlossenheit in seiner Ausrichtung, die er unter Benedikt XVI. erreicht hatte, aufzubrechen. Eine Entscheidung, die Franziskus im Alleingang an der Bischofskongregation vorbei traf. Unter dem deutschen Papst hatte Kardinal Raymond Burke ein entscheidendes Wort bei Bischofsernennungen mitzusprechen. Eine Mitsprache, die sich ausgesprochen wohltuend auf den US-Episkopat auswirkte. Ein Einfluß, dem Papst Franziskus – auf wessen Drängen hin auch immer – nach seiner Wahl schnell ein Ende setzte. Erzbischof Cupich wurde vom Papst allerdings noch nicht mit der Kardinalswürde bedacht. Vielleicht nur, weil Kardinal George noch nicht das 80. Lebensjahr vollendet hatte.
„Ist sich Franziskus der Konsequenzen nicht bewußt?“ – Die Frage, die nicht mehr gestellt werden konnte
Der Oblate der Unbefleckten kritisierte nicht seinen Nachfolger Cupich öffentlich, dafür aber Papst Franziskus. Pünktlich zum Ende seiner Amtszeit als Erzbischof von Chicago gab er am vergangenen 17. November dem Boston Globe ein ausführliches Interview. Themen waren auch das argentinische Pontifikat und die Bischofssynode über die Familie. Der Kardinal äußerte Verständnis, daß viele Menschen „besorgt“ seien.
Zur Bischofsynode sagte Kardinal George wörtlich: „Der Papst hat gesagt, daß er jede Frage gestellt sehen will, und so geschah es, also hat er bekommen, was er wollte, und nun muß er das in Ordnung bringen. […] Es stellt sich die Frage, warum er diese Dinge nicht selbst klarstellt. Warum ist es notwendig, daß Apologeten die Bürde haben, die beste Interpretation zu finden? Realisiert er nicht die Konsequenzen einiger seiner Stellungnahmen, oder sogar seiner Handlungen? Realisiert er nicht die Auswirkungen? Vielleicht nicht. Ich weiß nicht, ob er sich all der Konsequenzen bewußt ist, die einige der Dinge, die er gesagt und getan hat, nach sich ziehen und die für Zweifel im Verstand der Leute sorgen.“ Er wolle den Papst dies gerne fragen, sollte er je dazu die Gelegenheit haben, so George. Derzeit könne er wegen seiner Krebsbehandlung nicht reisen, sagte er dem Boston Globe.
Kardinal George sollte keine Gelegenheit mehr haben, Rom zu besuchen und dem Papst seine Frage stellen zu können.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoVaticana