Mario Palmaros letzter Aufsatz – „Kaspers Rede aus Stoff für weiße Fahne der Kapitulation gemacht“


Mario Palmaro, bereits durch die Krankheit gezeichnet, im Mai 2013 mit seiner Familie beim Empfang des Preises "Glauben & Kultur", der ihm verliehen wurde(Rom) „Wir brau­chen kei­ne Kir­che, die sich mit der Welt bewegt, son­dern eine Kir­che, die die Welt bewegt.“ Mit die­sen Wor­ten zitier­te der Rechts­phi­lo­soph Mario Pal­ma­ro vor weni­gen Tagen G.K. Che­ster­ton. Am Sonn­tag Abend ist Mario Pal­ma­ro nach lan­ger, schwe­rer Krank­heit gestor­ben. Bis zum letz­ten Augen­blick blieb er ein Strei­ter für sei­ne Katho­li­sche Kir­che. Aus die­sem Anlaß ver­öf­fent­li­chen wir sei­nen letz­ten Auf­satz, den er gemein­sam mit Ales­san­dro Gnoc­chi am 5. März in der Tages­zei­tung „Il Foglio“ veröffentlichte.
Wüß­te man nicht, daß Papst Fran­zis­kus sei­ne Anspra­che an die Pfar­rer der Diö­ze­se Rom erst am 6. März hielt, könn­te man den Auf­satz von Pal­ma­ro und Gnoc­chi als Ant­wort dar­auf ver­ste­hen. Eine Ant­wort ante even­tum.
Das Bild zeigt Mario Pal­ma­ro, bereits durch die Krank­heit gezeich­net, mit sei­ner Ehe­frau und den vier Kin­dern im Mai 2013, als ihm der Preis „Glau­ben & Kul­tur“ ver­lie­hen wurde.

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Sprache der Krise der Welt statt dogmatische und übernatürliche Wahrheit?

von Mario Pal­ma­ro und Ales­san­dro Gnocchi

Die Sakramente, Gnadenquell Chrsisti durch die KircheEin Feld­la­za­rett, in dem man den Kran­ken, Ver­letz­ten und Ster­ben­den sagt, daß es ihnen doch gut geht, so wie es ist. Von der Rück­kehr zum ursprüng­li­chen Gesund­heits­zu­stand ist kei­ne Rede, und von den Medi­ka­men­ten, beson­ders jenen, die dem Gau­men nicht zusa­gen, schon gar nicht. Will man die Papst Fran­zis­kus so teu­re Meta­pher, die durch Medi­en- und Pre­digt­fu­ror in das kol­lek­ti­ve katho­li­sche Gedächt­nis ein­ge­gan­gen ist, bei­be­hal­ten, kann man den Sinn des Refe­rats, mit dem Kar­di­nal Wal­ter Kas­per das Kon­si­sto­ri­um über die Fami­lie eröff­net hat, nicht anders defi­nie­ren. Es kön­nen kei­ne Zwei­fel bestehen, wenn er sagt: „Wir müs­sen aber ehr­lich sein und zuge­ben, daß sich zwi­schen der Leh­re der Kir­che über die Ehe und die Fami­lie und den geleb­ten Über­zeu­gun­gen vie­ler Chri­sten ein Abgrund auf­ge­tan hat“. Es gibt kei­nen Zwei­fel, weil sich sei­ne gesam­ten Über­le­gun­gen nicht dar­auf kon­zen­trie­ren, die aus der Her­de geflo­he­nen und ver­lo­re­nen Scha­fe wie­der­zu­fin­den und zurück­zu­füh­ren, und auch nicht auf die Grün­de, wes­halb sie ver­lo­ren­ge­gan­gen sind, son­dern auf die Not­wen­dig­keit, sich der neu­en Situa­ti­on anzu­pas­sen. Der Hirt soll nicht nur den Geruch sei­ner Scha­fe anneh­men, son­dern vor allem jener Scha­fe, die gegan­gen sind.

Nach Kaspers Rede kann sich niemand mehr der Illusion hingeben, alles sei in Ordnung

Daß in der Kir­che etwas Neu­es statt­fin­det, wur­de auch am Auf­se­hen deut­lich, den welt­weit der jour­na­li­sti­sche Knül­ler der Tages­zei­tung Il Foglio aus­lö­ste, die als erste den Text des Kar­di­nals voll­in­halt­lich ver­öf­fent­lich­te. Der Illu­si­on, daß alles ruhig und in Ord­nung ist, kann sich nur hin­ge­ben, wer die kon­ser­va­ti­ven und beru­hi­gen­den Tei­le von Kas­pers Rede in die Waag­scha­le legt und sich in Selbst­täu­schung ein­bil­det, daß sie zumin­dest ein Mil­li­gramm mehr aus­ma­chen als die inno­va­ti­ven und besorg­nis­er­re­gen­den Tei­le. So als wür­de nicht ein ein­zi­ger Schat­ten der Unord­nung genü­gen, den himm­li­schen Ursprung der Ord­nung zu stören.

Die Rede ist eine Mel­dung, die nicht nur die Medi­en betrifft, die ihrer Natur nach den Kin­dern hin­ter­her­lau­fen, die Hun­de bei­ßen und nicht den Hun­den, die Kin­der bei­ßen. Die Mel­dung betrifft auch die Gläu­bi­gen wel­chen Rangs und Stan­des auch immer und jede auf der Erde exi­stie­ren­de ver­nunft­be­gab­te Krea­tur, weil die Kir­che in allem was sie sagt, unter­schieds­los zu allen Men­schen spre­chen muß oder zumin­dest soll­te, indem sie immer und über­all die­sel­be Wahr­heit bezeugt. Wenn die Medi­en wegen eines Kin­des ein Freu­den­fest machen, das einen Hund beißt, ein­fach nur weil es etwas Neu­es ist, müs­sen die Gläu­bi­gen, die Anders­gläu­bi­gen, Agno­sti­ker und Athe­isten hin­ge­gen ver­ste­hen, ob die­ses Etwas gut oder schlecht ist. Sie kön­nen nicht ein­fach fei­ern, nur weil etwas neu ist.

Strategie der veränderten Praxis bei nichtssagender Beibehaltung des Buchstabens

Es genügt, zu schau­en, wer sich freut und fei­ert und wer nicht, um zu ver­ste­hen, daß Kar­di­nal Kas­per, den Papst Fran­zis­kus gleich beim ersten Ange­lus wegen sei­nes Buches „Barm­her­zig­keit“ als „einen Theo­lo­gen, der auf Draht ist, ein guter Theo­lo­ge“ bezeich­ne­te, dies­mal dem Hund einen ordent­li­chen Biß ver­setzt hat. Aus sei­nem Refe­rat tritt das Bild einer zukünf­ti­gen Kir­che her­vor, die völ­lig flüs­sig und bieg­sam ist und die immer weni­ger Ahnung von den Sakra­men­ten hat. Und es ist kein Zufall, daß mit den ersten Pin­sel­stri­chen zu die­sem Bild bei der Ehe ange­setzt wird, die von den hin­ter­li­stig­sten Begier­den ver­sucht und gegei­ßelt ist und daher am ver­wund­bar­sten ist. Aber abge­se­hen vom Inhalt ist vor allem auch die Metho­de besorg­nis­er­re­gend. Eine Mischung aus Unter­wer­fung unter die Begier­den der Welt und dem Wunsch, die Tore der unein­nehm­ba­ren Festung dem rasen­den Bela­ge­rer zu öff­nen. Man muß die beim Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil ange­wand­te Stra­te­gie wie­der­ho­len, sagt der Kar­di­nal see­len­ru­hig: „Das Kon­zil hat Türen geöff­net, ohne die ver­bind­li­che dog­ma­ti­sche Tra­di­ti­on zu ver­let­zen“. Es ist die Stra­te­gie, mit der die Ver­än­de­rung der Pra­xis hin­ter einer nichts­sa­gen­den Bei­be­hal­tung des Buch­sta­bens ver­steckt wird. Der Moder­nist Don Erne­sto Buo­nai­uti theo­re­ti­sier­te sie in einer regel­rech­ten Handlungsanleitung:

„Bis­her woll­te man Rom ohne Rom oder sogar gegen Rom refor­mie­ren. Man muß Rom mit Rom refor­mie­ren, indem man die Reform durch die Hän­de jener gehen läßt, die refor­miert wer­den sol­len. Das ist die wirk­li­che und unfehl­ba­re, aller­dings schwie­ri­ge Metho­de. Hoc opus, hic labor. […] Der äuße­re Kult wird fort­be­stehen wie die Hier­ar­chie, aber die Kir­che, da Lehr­mei­ste­rin der Sakra­men­te und ihrer Ord­nung, wird die Hier­ar­chie und den Kult gemäß der Zeit ändern: sie wird jene ein­fa­cher und libe­ra­ler machen und die­sen spi­ri­tu­el­ler; und so wird sie schritt­wei­se ein ortho­do­xer Pro­te­stan­tis­mus und nicht ein gewalt­tä­ti­ger, aggres­si­ver, revo­lu­tio­nä­rer und ungehorsamer.“

Zersetzende Pastoral stammt aus problematischer Lehre

Man muß Kar­di­nal Kas­per nicht die­sel­ben Inten­tio­nen Buo­nai­utis zuschrei­ben. Ande­re Zei­ten, ande­re Träu­me, ande­re Theo­rien, die jedoch die Pra­xis jeweils nach eige­nem Abbild und Gleich­nis for­men. Man muß den Mut und die intel­lek­tu­el­le Red­lich­keit haben und zuge­ben, daß die Pasto­ral, die­se talis­m­an­ähn­li­che Kon­zep­ti­on, die heu­te dazu dient, jedes Nach­ge­ben zu recht­fer­ti­gen, immer Toch­ter einer Leh­re ist. Es ist wahr, daß die Pra­xis, als Hom­mage an ihre auf­klä­re­ri­sche Her­kunft häu­fig eine nicht wach­sa­me Leh­re frißt. Es ist aber auch legi­tim, sich zu fra­gen, woher eine zer­set­zen­de Pasto­ral stammt, wenn nicht aus dem Schoß einer zumin­dest im Kern pro­ble­ma­ti­schen Lehre.

Wenn sich im Refe­rat Kas­pers auch vie­le Stel­len fin­den, die an sich kein Pro­blem dar­stel­len, kann man nicht leug­nen, daß jeder Absatz und jede Zei­le die Idee eines wider­na­tür­li­chen Dia­logs zwi­schen den Wer­ten der Welt und der christ­li­chen Moral atmet. Ein Tro­ja­ni­sches Pferd ist in die katho­li­sche Festung ein­ge­drun­gen, das gleich­zei­tig Zweck und Mit­tel zum Zweck ist. Der eine wie das ande­re haben sich zusam­men­ge­schlos­sen in ihrem Werk der Zer­stö­rung der Vor­stel­lun­gen von Natur und Per­son, die von ihrem Ursprung an die Theo­lo­gie charakterisierten.

Wahre Natur des Menschen ist es, keine Natur zu haben?

Das inzwi­schen auch in der katho­li­schen Kir­che vor­herr­schen­de Den­ken, das der Rede von Kar­di­nal Kas­per zugrun­de­liegt, wur­de von Enri­co Chia­v­ac­ci in einer Zei­le des 1973 ver­öf­fent­lich­ten Lexi­kon der Moral­theo­lo­gie vor­weg­ge­nom­men: „Die wah­re Natur des Men­schen ist es, kei­ne Natur zu haben“. Dar­aus folgt, daß die Moral von der meta­phy­si­schen Grund­le­gung der mensch­li­chen Natur auto­nom wird und daß die Lie­be, nur auf rein phy­si­scher Ebe­ne ver­stan­den, zur ein­zi­gen Regel des mensch­li­chen Ver­hal­tens wird.

Rober­to de Mat­tei schrieb diesbezüglich:

„Die neu­en Mora­li­sten, die von jeman­dem als ‘Por­no­theo­lo­gen’ bezeich­net wur­den, ersetz­ten die Objek­ti­vi­tät des Natur­rechts durch die ‚Per­son‘, ver­stan­den als pla­nen­der Wil­len, los­ge­löst von jeder nor­ma­ti­ven Bin­dung und ein­ge­taucht in einen histo­risch-kul­tu­rel­len Kon­text, oder anders gesagt, in eine Situa­ti­ons­ethik. Und da der Sex einen inte­gra­len Bestand­teil der Per­son dar­stellt, indem die Rol­le der Sexua­li­tät als ‚pri­mä­re Funk­ti­on des per­sön­li­chen Wachs­tums‘ bezeich­net wird, auch weil, laut ihrer Aus­sa­ge, das Kon­zil lehr­te, daß nur in der dia­lo­gi­schen Bezie­hung mit dem ande­ren der Mensch sich ver­wirk­licht, zitier­ten sie in die­sem Zusam­men­hang die Vor­stel­lung, laut der ‚ich den ande­ren brau­che, um ich selbst zu sein‘, gegrün­det auf die Num­mer 24 von Gau­di­um et Spes, der Magna Char­ta des nach­kon­zi­lia­ren Progressismus.“

1966 ver­öf­fent­lich­te die Fran­zö­si­sche Bischofs­kon­fe­renz die „Docu­men­ta­ti­on catho­li­que“, in der das ein­zig Katho­li­sche der Titel war, und mit der das Ende der klas­si­schen Theo­lo­gie ver­kün­det wur­de. Die fran­zö­si­schen Bischö­fe sagten:

„Nach dem Kon­zil ver­langt die Chri­sto­lo­gie eine beson­de­re Auf­merk­sam­keit. In der Theo­lo­gie geht es zum Bei­spiel um die Not­wen­dig­keit, die grund­le­gen­den Kon­zep­te der Natur und der Per­son bei­zu­be­hal­ten. Dies­be­züg­lich wirft die moder­ne Phi­lo­so­phie neue Pro­ble­me auf: die Bedeu­tung der Begrif­fe ‚Natur‘ und ‚Per­son‘ ist für einen phi­lo­so­phi­schen Geist eine ande­re als jene des 5. Jahr­hun­derts oder des Tho­mis­mus. […] Wel­che Kon­zep­te von Natur und Per­son sol­len gebraucht wer­den, damit sie für unse­re Zeit­ge­nos­sen die Wahr­heit der dog­ma­ti­schen Defi­ni­tio­nen aus­drücken können?“

Das End­ergeb­nis die­ser Prä­mis­se konn­te nur die Unmög­lich­keit sein, Zugang zur Wahr­heit der dog­ma­ti­schen Defi­ni­tio­nen zu fin­den, von denen die fran­zö­si­schen Bischö­fe den Wor­ten nach sag­ten, daß sie ihnen noch am Her­zen lag.

Der Angriff auf die Theo­lo­gie des 5. Jahr­hun­derts und den Tho­mis­mus geschah nicht zufäl­lig, bedeu­te­te er doch, die Defi­ni­ti­on von Per­son zu zer­stö­ren, die von Boe­ti­us for­mu­liert und dann unter ande­rem vom Hei­li­gen Tho­mas auf­ge­grif­fen wur­de. „Per­so­na est ratio­na­lis naturae indi­vi­dua sub­stan­tia“, sag­te Boe­ti­us. “Die Per­son ist die indi­vi­du­el­le Sub­stanz von ver­nunft­be­gab­ter Natur.“

Rede Kaspers ist aus dem Stoff der weißen Fahne für die Kapitulation

Die Rede von Kar­di­nal Kas­per ist aus dem Stoff gemacht, der sich dafür eig­net, als wei­ße Fah­ne in der bela­ger­ten Zita­del­le Got­tes geschenkt zu wer­den. Zu behaup­ten, daß man auf die moder­nen Kate­go­rien des Den­kens und der Sit­ten zurück­grei­fen müs­se, heißt, die not­wen­di­ge Ver­mitt­lung von Vor­stel­lun­gen und einer Spra­che, die auf „natür­li­che“ Wei­se wahr sind, zu unterschlagen.

Die Wahr­heit ist nicht nur dog­ma­tisch und über­na­tür­lich, so wie die Wahr­heit der Dog­men nicht der ein­zi­ge Fix­punkt ist, den es im katho­li­schen Den­ken zu bewah­ren gilt. Es gibt eine „natür­li­che“ Wahr­heit der Spra­che und der Kon­zep­te, die auch für die aus­schließ­lich reli­giö­sen Zwecke abso­lut unver­zicht­bar ist. Des­halb kön­nen die klas­si­schen Vor­stel­lun­gen von Natur und Per­son nicht unge­straft mit den moder­nen ver­tauscht werden.

Man kann nicht den Hege­lia­nern die Wahr­heit der Dog­men mit den Hegel­schen Begrif­fen erklä­ren, den Car­te­sia­nern mit jenen Des­car­tes, den Kan­ti­a­nern mit jenen Kants, den Mar­xi­sten, indem man die mar­xi­sti­schen Begrif­fe ver­wen­det und so wei­ter, weil die moder­ne Phi­lo­so­phie essen­ti­ell anti­na­tür­lich ist und die Gna­de auf die Natur wirkt, nicht auf die Antinatur.

Jean Madiran und das Phänomen des theologischen Debakels

In sei­nem Buch „Die Häre­sie des 20. Jahr­hun­derts“ bezeich­net Jean Madiran die­ses Phä­no­men als theo­lo­gi­sches Deba­kel, das „sich auf die Phan­ta­sie stützt. Es ist eine Mytho­lo­gie. Es geht nicht von einer fal­schen Vor­stel­lung zwi­schen Natur und Gna­de aus, son­dern von einer radi­ka­len Bestrei­tung der natür­li­chen Ord­nung, was auch ein Bestrei­ten der über­na­tür­li­chen Ord­nung nach sich zieht. Es grün­det nicht auf einem Aspekt der Rea­li­tät, indem es ande­re Aspek­te ent­wer­tet oder ent­stellt: es befin­det sich voll­kom­men außer­halb jeder Rea­li­tät in einem ideo­lo­gisch-ver­ba­len Lim­bus. Es bestrei­tet die natür­li­che Rea­li­tät nicht und betrügt sich auch nicht: es weist sie zurück, es lenkt die See­len von ihr weg, um sie anders­wo hin­zu­len­ken, ins Nichts.“

Das Grund­ele­ment die­ses Han­delns ist, wie in der Hand­lungs­an­wei­sung Buo­nai­utis beschrie­ben, der Angriff auf das Sakra­ment, auf das, was in der Welt das Zei­chen des Gött­li­chen ist, der Gegen­wart Got­tes unter den Men­schen; das, was letzt­lich Prin­zip und Garan­tie der irdi­schen Ord­nung ist, weil es die von der gött­li­chen Ord­nung her­kom­men­den Gna­den ver­mit­telt. Daher ist es das Ziel, in die katho­li­sche Theo­lo­gie ein­zu­drin­gen und sie bis in die Wur­zeln zu pervertieren.

„Abschaffung“ der Sünde knebelt und erstickt katholische Theologie

Die wirk­li­chen Kno­ten, die die katho­li­sche Theo­lo­gie kne­beln und ersticken, sind die Abschaf­fung der Sün­de und die Tren­nung von Glau­ben und Sakra­men­ten. Das Sakra­ment ist gleich­zei­tig Auf­la­ge und Mit­tel, um die Geschöp­fe vor dem Sün­di­gen zu bewah­ren. Das ist das grund­le­gen­de, aber ver­ges­se­ne und ver­nach­läs­sig­te The­ma: die Sün­de. Das ist der Skan­dal, die Schan­de, ohne die der Mensch nicht ver­stan­den wer­den kann. Es ist schon in Ord­nung: das Oster­ge­heim­nis, die Auf­er­ste­hung, der Tri­umph des weg­ge­roll­ten Stei­nes. Aber es gibt kei­ne Garan­tie, daß unse­re See­len vor dem unab­wend­ba­ren Tod bewahrt wer­den. Die Sün­de bringt das Geheim­nis der ewi­gen Ver­damm­nis mit sich.

An die­ser Stel­le tritt zusam­men mit der Fleisch­wer­dung das Sakra­ment in die Geschich­te ein, das Geheim­nis, das gleich­zei­tig grund­le­gend für die Ret­tung des Men­schen aus sei­nem Zustand als Sün­der ist. Eine Kir­che ohne Sakra­men­te ist schlicht­weg undenk­bar, ein Nie­mands­land, oder wenn es gut geht, ein Feld­la­za­rett, wo sich jeder selbst ret­tet. Die Dis­kus­si­on rund um die Zulas­sung der wie­der­ver­hei­ra­tet geschie­de­nen Paa­re zur Kom­mu­ni­on ist zer­mür­bend und in gewis­ser Wei­se sogar absurd. Die eigent­li­che Fra­ge ist viel ein­fa­cher: Wovon soll der Mensch sich ret­ten? Wovon aber soll er sich ret­ten, wenn man pre­digt oder zu ver­ste­hen gibt, daß die Höl­le nicht exi­stiert oder, wenn sie exi­stiert, leer ist?

Christus ließ sich nicht kreuzigen, um uns vor Krieg, Armut und einer gescheiterten Ehe zu retten

Chri­stus hat sich nicht kreu­zi­gen las­sen, um die Men­schen vor dem Krieg, der Armut, dem Neid, der schief­ge­gan­ge­nen Ehe oder der Trau­rig­keit zu ret­ten. Er hat es getan, um sie vor der ewi­gen Ver­damm­nis zu ret­ten. Und die Sakra­men­te sind das Gna­den­mit­tel, um aus die­ser schreck­li­chen Krank­heit her­aus­zu­kom­men. Der alte Kate­chis­mus des Hei­li­gen Pius X. erklär­te: „Die Sakra­men­te sind wirk­sa­me Zei­chen der Gna­de, ein­ge­setzt von Jesus Chri­stus um uns zu hei­li­gen.“ Und wei­ter, daß „sie wirk­sa­me Zei­chen der Gna­de sind, weil sie mit den spür­ba­ren Tei­len die­se unsicht­ba­re Gna­de bedeu­ten oder anzei­gen, die sie ver­lei­hen; und sie sind wirk­sa­me Zei­chen, weil sie die Gna­de, die sie bedeu­ten, wirk­lich verleihen“.

Als sie Jesus den Taub­stum­men brach­ten und baten, daß Er ihm die Hän­de auf­legt, leg­te Er sei­ne Fin­ger in die Augen und mit dem Spei­chel berühr­te Er sei­ne Zun­ge, dann rich­te­te Er sei­ne Augen zum Him­mel, seufz­te und sag­te „Effata“ und der Mann war gesund. Jesus, der Gott war, hät­te dem Taub­stum­men das Gehör und das Spre­chen mit einem ein­fa­chen Befehl sei­nes Wil­lens zurück­ge­ben kön­nen. Doch der Kon­takt der Fin­ger und des Spei­chels bedeu­te­te und ver­lieh wirk­lich die Gna­de der Hei­lung. Es war das Zei­chen des Sakra­ments, des Ein­tritts der Gna­de in das Leben des Man­nes, das die Hand­lun­gen und die Mate­rie des All­tags in Ritus ver­wan­delt. Die Kir­che wird bis an ihr Ende nicht dar­auf ver­zich­ten kön­nen, außer unter Stra­fe ihres Endes. In einer Welt, die der zugleich fleisch­li­chen und geist­li­chen Ver­an­ke­rung der Sakra­men­te beraubt ist, kann die Sün­de nicht mehr besiegt wer­den, weil sie nicht mehr als das erkannt und bekämpft wird, was sie ist. Und der Mensch ver­irrt sich, jeder ist nie­mand, und, wie Mar­shall McLu­han sagt, „könn­te der größ­te Staats­mann mit einem Lakai­en ver­wech­selt wer­den. In lit­ur­gi­schen Begrif­fen bedeu­tet der Ver­lust der Iden­ti­tät den Ver­lust der reli­giö­sen Beru­fung, und die mora­li­sche Per­mis­si­vi­tät bedeu­tet den Ver­lust, die Not­wen­dig­keit der Beich­te zu erken­nen. Dort, wo vie­le zur Beich­te gin­gen und ver­hält­nis­mä­ßig weni­ge zur Kom­mu­ni­on, beich­ten nun sehr weni­ge, wäh­rend vie­le zur Kom­mu­ni­on gehen“.

„Wir brauchen eine Kirche, die die Welt bewegt“

Wie G.K. Che­ster­ton sag­te, mag eine sol­che Kir­che der Welt gefal­len, aber sie tut ihr nichts Gutes:

„Die Kir­che kann sich nicht mit der Zeit bewe­gen, ganz ein­fach des­halb, weil die Zeit sich nicht bewegt. Die Kir­che kann sich nur mit der Zeit beschmut­zen und kor­rum­pie­ren und mit der Zeit stin­ken. (…) Und die Kir­che hat die Auf­ga­be, das gan­ze Licht und die gan­ze Frei­heit zu ret­ten, die geret­tet wer­den kann, jener Macht der Welt zu wider­ste­hen, die hin­ab­zieht, und bes­se­re Tage zu erwarten.
Eine wah­re Kir­che möch­te sicher all das tun, aber eine wah­re Kir­che kann viel mehr tun. Sie kann in die­sen Zei­ten des Obsku­ran­tis­mus etwas mehr tun, als zur Zeit der Aus­saat. Sie kann der Welt das wirk­li­che Gegen­teil der Fin­ster­nis sein. Sie kann ihre Idea­le in einem sol­chen anzie­hen­den und über­ra­schen­den Kon­trast zum unmensch­li­chen Abgrund der Zeit prä­sen­tie­ren, daß sie mit einem Schlag die Men­schen zu einer der mora­li­schen Revo­lu­tio­nen der Geschich­te inspi­riert, so daß die heu­te leben­den Men­schen nicht vom Tod berührt wer­den, bis sie nicht die Rück­kehr der Gerech­tig­keit gese­hen haben.
Wir brau­chen, wie hin­ge­gen die Zei­tun­gen sagen, kei­ne Kir­che, die sich mit der Welt bewegt. Wir brau­chen eine Kir­che, die die Welt bewegt.“

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Fede & Cultura

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