Verschollene „Fideles laicos“ in Papstbulle zur Konzilseinberufung – Offene Fragen zum Konzil


Humanae salutis Bulle zur Konzilseinberufung: 50 Jahre Konzil - Klärung offener Fragen nach wie vor ausständig(Vati­kan) Gestern wur­de im Vati­kan eine ori­gi­nal­ge­treue Nach­bil­dung der hand­ge­schrie­be­nen Kon­sti­tu­ti­on Hum­a­nae salu­t­a­ris vor­ge­stellt, mit der Papst Johan­nes XXIII. am 25. Dezem­ber 1961 das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil ein­be­rief. Dabei wur­de auf das Feh­len der Fide­les lai­cos hin­ge­wie­sen. Zwei Wor­te, die gläu­bi­gen Lai­en, die im Ent­wurf ent­hal­ten waren, in der offi­zi­el­len Aus­ga­be der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on jedoch fehlen.

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Ver­ant­wort­lich für die­se Weg­las­sung sei wohl, wie es gestern hieß, der damals 32 Jah­re alte Arri­go Bra­vi gewe­sen, der als Schrei­ber und Minia­tu­rist am päpst­li­chen Sekre­ta­ri­at für die Bre­ven an die Für­sten beschäf­tigt war.

Die kost­ba­re Neu­aus­ga­be der Bul­le Hum­a­nae salu­tis wur­de vom Vati­ka­ni­schen Geheim­ar­chiv als fünf­te Ver­öf­fent­li­chung der Rei­he Exem­pla­ria prae­tio­sa her­aus­ge­ge­ben. Die Publi­ka­tio­nen in limi­tier­ter Aus­ga­be sind für Samm­ler bestimmt. Mit dem Erlös wird die Restau­rie­rung beson­ders wert­vol­ler und rarer Doku­men­te des Geheim­ar­chivs finanziert.

An der Vor­stel­lung nah­men der Domi­ni­ka­ner Kuri­en­erz­bi­schof Jean-Luis Bru­gues, Archi­var und Biblio­the­kar der Hei­li­gen Römi­schen Kir­che, der Barn­abit Kuri­en­bi­schof Ser­gio Paga­no, Prä­fekt des Geheim­ar­chivs und der pro­gres­si­ve, wenn auch unor­tho­do­xe Kir­chen­hi­sto­ri­ker Alber­to Mel­lo­ni aus der Schu­le von Bolo­gna und Direk­tor der Stif­tung für Reli­gi­ons­wis­sen­schaf­ten in Bolo­gna teil. Prä­fekt Paga­no ist Ver­fas­ser einer Stu­die über die Bul­le, deren Ent­ste­hungs­ge­schich­te und die ver­schie­de­nen Ent­wür­fe bis zur Endfassung.

Unterschiedliche Korrekturansätze: hie Rücksicht auf Atheisten, Ungläubige, andere Christen, da auf innerkirchliche Folgen

Da alle Ent­wür­fe und Kor­rek­tu­ren erhal­ten geblie­ben sind, so Paga­no, sei es mög­lich die gesam­te Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Doku­ments zu rekon­stru­ie­ren. Das Doku­ment wer­de zwar immer als Apo­sto­li­sche Kon­sti­tu­ti­on bezeich­net und ist auch so über­schrie­ben, sei jedoch in Wirk­lich­keit mehr eine Päpst­li­che Bul­le. „Am Abend bevor der Papst sie unter­zeich­ne­te, wur­de der Text mit den letz­ten Kor­rek­tu­ren an den Osser­va­to­re Roma­no und an die Apo­sto­li­sche Kanz­lei geschickt. In der vom Osser­va­to­re ver­öf­fent­lich­ten Aus­ga­be sind die fide­les lai­cos ent­hal­ten. In der prunk­vol­len Ori­gi­nal­hand­schrift feh­len die bei­den Wor­te, dort ist nur von chri­sti­fi­de­les die Rede.“

Zur Vor­ge­schich­te des Doku­ments führ­te Kuri­en­erz­bi­schof Paga­no aus, daß es vor allem zwei Per­so­nen im Umfeld des Pap­stes gab, die Kor­rek­tu­ren vor­nah­men. Der Sekre­tär von Johan­nes XXIII., Loris Capo­vil­la, war beson­ders dar­auf bedacht, „Aus­drücke zu gebrau­chen, die nicht die Sen­si­bi­li­tät der Athe­isten, der Ungläu­bi­gen, der christ­li­chen Brü­der ande­rer Kon­fes­sio­nen brüs­kie­ren“, so Paga­no. Die Kor­rek­tu­ren von Kuri­en­erz­bi­schof Peri­c­le Feli­ce, dem Gene­ral­se­kre­tär der Kom­mis­si­on für die Vor­be­rei­tung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils zeig­ten hin­ge­gen sei­ne ganz ande­re Sor­ge, die nicht Kir­chen­fer­nen galt, son­dern der Kir­che „wegen der kir­chen­in­ter­nen Aus­wir­kun­gen und dem Ver­hält­nis mit der Römi­schen Kurie“.

Mel­lo­ni erklär­te, daß in Hum­a­nae salu­tis ent­hal­ten sei, was sich Johan­nes XXIII. vom Kon­zil erwar­te­te. „Die Rede, mit der im Janu­ar 1959 Papst Ron­cal­li den ver­sam­mel­ten Kar­di­nä­len in der Basi­li­ka Sankt Paul vor den Mau­ern sei­ne Absicht ankün­dig­te, ein Kon­zil ein­zu­be­ru­fen, der Text der Bul­le und die Allo­cu­tio Gau­det Mater Eccle­sia vom 11. Okto­ber 1962, dem Tag, an dem das Kon­zil begann, zei­gen eine kohä­ren­te Ent­wick­lung. Bereits in der Bul­le fal­len eini­ge Aspek­te auf: ein erneu­er­tes Kli­ma der Zuver­sicht und der öku­me­ni­sche Hori­zont.“ Mel­lo­ni dank­te Paul VI., weil die­ser die Doku­men­te des Kon­zils sofort für die Wis­sen­schaft zugäng­lich machte.

Paganos Seitenhieb auf Benedikt XVI. und Konzilskritik: „unharmonische und seltsame Stimmen“

Auf die Fra­ge, wie es denn um Umset­zung und Aktua­li­tät des Zwei­ten Vati­ka­nums ste­he, setz­te der 1997 von Papst Johan­nes Paul II. ins Amt beru­fe­ne Paga­no einen Sei­ten­hieb gegen Papst Bene­dikt XVI. Er beton­te im Zusam­men­hang mit dem Zwei­ten Vati­ka­num vor allem die Lit­ur­gie­re­form und spiel­te auf „unhar­mo­ni­sche und selt­sa­me Stim­men“ an. Wört­lich sag­te er: „Wenn ich heu­te auf gewis­sen Altä­ren der Basi­li­ka die­se Bron­ze­ker­zen­leuch­ter sehe, die das Kreuz über­ra­gen, dann scheint mir, daß noch wenig von der Lit­ur­gie­kon­sti­tu­ti­on Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um ver­stan­den wur­de…“. Die Anspie­lung galt eini­gen Ent­schei­dun­gen zur lit­ur­gi­schen Erneue­rung, die das Pon­ti­fi­kat Bene­dikts XVI. prägten.

Das Geden­ken an die Eröff­nung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils vor 50 Jah­ren, das Papst Bene­dikt XVI. auch ange­sto­ßen hat, um die Klä­rung offe­ner Fra­gen vor­an­zu­brin­gen und einen seit einem hal­ben Jahr­hun­dert herr­schen­den kir­chen­in­ter­nen Kon­flikt zu been­den, hat bis­her noch wenig kon­kre­te Früch­te getra­gen. Dem Papst fällt die Auf­ga­be zu, eine Über­prü­fung des Kon­zils durch­zu­füh­ren, indem er des­sen Natur, ob pasto­ra­les oder dog­ma­ti­sches Kon­zil klärt und damit des­sen Rang und Anspruch klar umgrenzt oder auch ein­schränkt, um die nach­träg­li­che Ent­wick­lung zu einem „Super­kon­zil“ zu ver­mei­den, die man­che anstre­ben, als gäbe es in der Kir­che kei­ne ande­re Auto­ri­tät als eben die­ses Kon­zil und als sei die Zustim­mung zum Kon­zil ein Grad­mes­ser, ja der ent­schei­den­de Grad­mes­ser für die Katholizität.

50 Jahre Konzil: Klärung offener Fragen noch ausständig

Papst Bene­dikt XVI. war zur letz­ten Klä­rung nicht mehr bereit oder imstan­de. Auf sei­ne ihm eige­ne Art hat er jedoch eine Rei­he von Stich­wor­ten und Weg­wei­sern gelie­fert und wenn nicht direkt so indi­rekt auf ent­schei­den­de Fra­gen geant­wor­tet, vor allem durch die unzwei­deu­ti­ge Ver­wei­ge­rung, das Kon­zil zum „Super­dog­ma“ zu sti­li­sie­ren. Die Kern­fra­gen zu eini­gen Aus­sa­gen des Kon­zils sind aber wei­ter­hin unbe­ant­wor­tet. Eine ernst­haf­te Über­prü­fung der offe­nen Fra­gen zum Kon­zil, wie sie Bru­ne­ro Gherar­di­ni bereits 2009 in sei­nem Buch Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine zu füh­ren­de Dis­kus­si­on ein­for­der­te, steht nach wie vor aus. Unter ande­rem geht es dabei um Aus­sa­gen von Kon­zils­do­ku­men­ten, so Dignita­tis hum­a­nae zur Reli­gi­ons­frei­heit; Unita­tis red­in­te­gra­tio zur Öku­me­ne und Lumen gen­ti­um zur Kol­le­gia­li­tät. Die Prü­fung der umstrit­te­nen Aus­sa­gen im Licht der kirch­li­chen Tra­di­ti­on und dar­aus ablei­tend ihre Gewich­tung und Inter­pre­ta­ti­on ste­hen noch aus.

Die bis­her durch­ge­führ­ten Gedenk­ver­an­stal­tun­gen zum The­ma blie­ben weit­ge­hend an der Ober­flä­che. Die viel­stim­mi­ge Beru­fung auf das Kon­zil wirkt meist wie ein auf­ge­set­zes Ritu­al ohne tat­säch­li­che Ver­an­ke­rung. Auch die 2012 durch­ge­führ­ten Tagun­gen an der Late­ran­uni­ver­si­tät oder der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät San­ta Cro­ce brach­ten nicht die erhoff­te Ver­tie­fung des The­mas. Für 2013 ste­hen wei­te­re Tagun­gen auf dem Pro­gramm. Ein nicht unwe­sent­li­cher Bei­trag zum The­ma Lit­ur­gie darf von der Inter­na­tio­na­len Tagung Sacra Lit­ur­gia 2013. Cul­men et fons vitae et mis­sio­nis eccle­siae erwar­tet wer­den, die vom 25.–28. Juni in Rom stattfindet.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­ka­ni­sches Geheimarchiv/​Conciliaria

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