Ethik, Moral und Religion. Hintergründe zum Berliner Kulturkampf


von Josef Bordat

Anzei­ge

In Ber­lin tobt ein Kul­tur­kampf um den Reli­gi­ons­un­ter­richt. Soll die­ser (wie bis­her) nach­mit­tags und unbe­no­tet ein Schat­ten­da­sein fri­sten, wäh­rend der Ethik­un­ter­richt als Pflicht­pro­gramm erteilt wird oder soll es (wie dies die Initia­ti­ve „Pro Reli“ durch­set­zen will) einen Wahl­pflicht­be­reich Ethik/​Religion geben, wo sich jede Schü­le­rin und jeder Schü­ler ihren bzw. sei­nen Unter­richt aus­su­chen kann. Die Wer­te­ver­mitt­lung bleibt dabei all­ge­mein­ver­bind­lich, die Art und Wei­se vari­iert. Eini­ge Hin­ter­grün­de die­ses Kulturkampfs.

I Der Unter­schied zwi­schen Ethik und Moral

Phi­lo­so­phie und Lebens­welt haben oft nicht viel mit­ein­an­der zu tun. Bei der Ethik als Teil­dis­zi­plin der prak­ti­schen Phi­lo­so­phie ist das anders: Ihr ist gera­de dar­an gele­gen, die kol­lek­ti­ven und indi­vi­du­el­len Mora­l­ent­wür­fe im All­tag der Men­schen kri­tisch zu unter­su­chen. Damit ist zugleich etwas über den Unter­schied zwi­schen Ethik und Moral gesagt, über Begrif­fe, die häu­fig fälsch­li­cher­wei­se syn­onym gebraucht werden.

Es geht bei Ethik und Moral um zwei Ebe­nen des Dis­kur­ses über mensch­li­ches Ver­hal­ten: Die Ethik stellt Bedin­gun­gen der Mög­lich­keit einer mora­li­schen Beur­tei­lung die­ses Ver­hal­tens auf, die Moral­theo­rien. Davon gibt es eine gan­ze Men­ge, die man nach bestimm­ten Kri­te­ri­en ord­nen kann, zumeist nach den Prin­zi­pi­en, die ihnen zugrun­de lie­gen („Stre­ben“, „Sol­len“). Moral­theo­rien ihrer­seits lie­fern ver­nünf­ti­ge Beur­tei­lungs­kri­te­ri­en für den­je­ni­gen, der sie aner­kennt. Ein Mensch han­delt dann im kon­kre­ten Fall mora­lisch, wenn er sich im Ein­klang mit dem all­ge­mei­nen Prin­zip der Moral­theo­rie befin­det. Spre­chen wir über Ethik, dann suchen wir Feh­ler in den Moral­theo­rien, indem wir ihre Prin­zi­pi­en auf Begrif­fe wie Ver­all­ge­mei­ner­bar­keit, logi­sche Kohä­renz, Ver­ein­bar­keit mit ande­ren nor­ma­ti­ven Syste­men (Wis­sen­schaft, Recht, Reli­gi­on usw.) etc. bezie­hen; urtei­len wir hin­ge­gen über Moral, suchen wir Feh­ler im kon­kre­ten Ver­hal­ten eines Men­schen (im Hin­blick auf eine aner­kann­te Moraltheorie).

Mora­li­sche Sach­fra­gen („Ist es mora­lisch gut, Ter­ro­ri­sten vor der Aus­übung ihrer Arbeit zu töten?“, „Ist es mora­lisch gut, außer­halb des Ehe­stan­des sexu­el­le Bezie­hun­gen zu unter­hal­ten“?, „Ist es mora­lisch gut, Pflanzen/​Tiere/​Menschen zu klo­nen?“ usw.) las­sen sich bezo­gen auf eine Moral­theo­rie beant­wor­ten (Fra­ge zwei in Bezug auf die Moral­leh­re der katho­li­schen Kir­che etwa mit einem deut­li­chen „Nein!“). Ethi­sche Refle­xi­on hat nun die Auf­ga­be, die Moral­theo­rie, die zu die­ser Ant­wort führt, zu analysieren.

Zunächst müß­te dazu – ich blei­be im Bei­spiel – die moral­theo­re­ti­sche Argu­men­ta­ti­on selbst unter­sucht, also der Fra­ge nach­ge­gan­gen wer­den, wie sich das Prin­zip einer spe­zi­el­len Moral­leh­re (hier: der Sexu­al­mo­ral) in die Struk­tur der grund­le­gen­den Prin­zi­pi­en der katho­li­schen Moral­leh­re ein­bet­tet (also: in das Men­schen­bild) und ob die Spe­zi­al­norm inner­halb die­ses Nor­men­sy­stems rich­tig abge­lei­tet ist. Hier geht es um die Begrün­det­heit von Unter-Sät­zen (ein­zel­ne Prin­zi­pi­en) aus Ober-Sät­zen (Grund­prin­zi­pi­en) inner­halb einer Moral­theo­rie, also um deren inne­re Kohä­renz. Es wäre fer­ner zu prü­fen, ob das dem „Nein!“ im Bei­spiel zugrun­de lie­gen­de Prin­zip („Men­schen soll­ten außer­halb des Ehe­stan­des kei­ne sexu­el­len Bezie­hun­gen unter­hal­ten.“) über­haupt ein­sich­tig ist (etwa durch Ver­gleich mit ande­ren, kon­kur­rie­ren­den Moral­theo­rien, die abge­schwäch­te oder gar gegen­tei­li­ge Prin­zi­pi­en beinhal­ten, gewon­nen aus einem System abwei­chen­der Grund­prin­zi­pi­en, in die sich die in Fra­ge ste­hen­de Spe­zi­al­norm nicht ein­pas­sen läßt) und/​oder ver­ein­bar ist mit neu­en wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen in der Anthropologie.

Phi­lo­so­phi­sche Ethik ist also in erster Linie argu­men­ta­ti­ons­theo­re­ti­sche Ana­ly­se, oder anders: Es ist die Auf­ga­be der Ethik, unse­ren Moral­vor­stel­lun­gen auf den Grund zu gehen.

Eber­hard Schocken­hoff unter­schei­det in sei­ner „Grund­le­gung der Ethik“ Ethik und Moral nicht so streng wie ich, denn er kon­sta­tiert, daß Ethik und Moral „an sich gleich­be­deu­tend sind“ (ety­mo­lo­gisch: das eine geht auf das Grie­chi­sche, das ande­re auf das Latei­ni­sche Wort für „Gewohn­heit“, „Sit­te“, „Brauch“ zurück). Ande­rer­seits muß er natür­lich auch fest­stel­len, daß „sich auch im wis­sen­schaft­li­chen Sprach­ge­brauch eine Unter­schei­dung zwi­schen ihnen durch­ge­setzt [hat]“, und zwar der­art, daß „Ethik die Refle­xi­ons­form der Moral oder die theo­re­ti­sche Beschäf­ti­gung mit mora­li­schen Fra­gen“ sei und „Moral das geleb­te Ethos von Indi­vi­du­en oder gesell­schaft­li­chen Grup­pen“ [1]Eber­hard Schocken­hoff: Grund­le­gung der Ethik. Ein theo­lo­gi­scher Ent­wurf. Frei­burg i. Br. (Her­der) 2007, S. 19.

II Die christ­li­che Reli­gi­on im Ver­hält­nis zu Ethik und Moral

Ihm geht es im Grun­de viel­mehr um ein ande­res The­ma, das eben­falls auch die­sen Kurs betrifft: das Ver­hält­nis von christ­li­cher Reli­gi­on und Ethik bzw. Moral. Dabei warnt er vor einer funk­tio­na­li­sti­schen Reduk­ti­on der Reli­gi­on auf eine Art sozia­len Kitt, der Mora­li­tät bestärkt und ver­weist auf die dop­pel­te Bedeu­tung von Reli­gi­on, die einer­seits in ihrem Wert für die Gesell­schaft, aber eben auch in der Dimen­si­on der Erlö­sung für den Ein­zel­nen liegt – und das unter­schei­det sie eben von kan­ti­a­ni­scher oder ari­sto­te­li­scher Ethik.

Schocken­hoff bringt die­se zwei Ebe­nen der Reli­gi­on deut­lich zum Aus­druck, wenn er sagt: „Wo Reli­gi­on in erster Linie als gesell­schaft­li­ches Kom­pen­sa­ti­ons­un­ter­neh­men für den Erhalt mora­li­scher Res­sour­cen oder zum Aus­gleich dies­be­züg­li­cher Defi­zi­te geschätzt wird, ist von dem, wor­auf es im Chri­sten­tum eigent­lich ankommt, noch gar nicht die Rede. Das erste Wort sei­ner Bot­schaft sind nicht die For­de­run­gen der Moral oder ihre Ansprü­che im gesell­schaft­li­chen Zusam­men­le­ben der Men­schen, viel­mehr ste­hen die bedin­gungs­lo­se Pro­kla­ma­ti­on des Heils, die Offen­ba­rung der Lie­be Got­tes und die Zusa­ge von Ver­ge­bung, Ret­tung und Erlö­sung des Men­schen in ihrem Zen­trum. Umge­kehrt redu­ziert das Pro­gramm eines ethik­frei­en Chri­sten­tums, das in eso­te­ri­schen Krei­sen wie­der attrak­tiv erscheint, das Evan­ge­li­um auf ein­zel­ne Ver­satz­stücke der christ­li­chen Tra­di­ti­on, die ent­spre­chend den indi­vi­du­el­len Sinn­be­dürf­nis­sen sei­ner Anhän­ger zur frei­en Aus­wahl ange­bo­ten sind. Auf die­se Wei­se kann das Chri­sten­tum im Lebens­ge­fühl der Post­mo­der­ne aber allen­falls eine gesell­schaft­li­che Nischen­exi­stenz für sich rekla­mie­ren, die sei­nem Selbst­ver­ständ­nis nicht weni­ger wider­spricht als die umge­kehr­te Reduk­ti­on auf die Rol­le einer funk­tio­na­len Erhal­tungs­stra­te­gie im Dienst der Moral.“ [2]a. a. O., S. 16

Ein rein pri­va­tes, „ethik­fer­nes“ Chri­sten­tum ver­fehlt also den eigent­li­chen Auf­trag, den das Evan­ge­li­um den Men­schen in der Nach­fol­ge Jesu erteilt. Das Chri­sten­tum gehört in die Öffent­lich­keit und muß sich mit den ethi­schen und den mora­li­schen Ansät­zen der Zeit beschäf­ti­gen, obgleich es immer mehr ist und bleibt als ein Räd­chen im Getrie­be gesell­schaft­li­cher Abläu­fe, für des­sen rei­bungs­lo­ses Funk­tio­nie­ren es etwa zu sor­gen hät­te. Das Chri­sten­tum ent­wickelt sich in der Span­nung von einer­seits pri­va­ter Erfah­rungs­qua­li­tät und ande­rer­seits dem Auf­trag zu öffent­li­chem Wir­ken, von einer­seits Hoff­ung und Ver­trau­en auf bzw. Glau­be an Erlö­sung und Heil und ande­rer­seits dem Wis­sen um die mora­li­schen Defi­zi­te der Welt, in der wir leben. Chri­sten sind sich einer­seits der Not­wen­dig­keit zur Welt­ge­wandt­heit bewußt, um sich ande­rer­seits jedoch von einer spi­ri­tu­el­len Dimen­si­on jen­seits die­ser Welt getra­gen zu füh­len. Somit erschöp­fen sich die aus der theo­lo­gi­schen Ethik des Pro­te­stan­tis­mus bzw. der katho­li­schen Moral­theo­lo­gie erwach­se­nen Lösungs­an­ge­bo­te für die Fra­gen der Zeit nicht in der Imma­nenz der empi­risch erfahr­ba­ren Welt, son­dern wei­sen auf eine Ebe­ne der Tran­szen­denz hin, die es eben­falls zu berück­sich­ti­gen gilt. Christ­li­che Ethik bean­sprucht bei­des: die Phy­sik und die Meta­phy­sik, die Kau­sa­li­tät und die Fina­li­tät. Nur so las­sen sich abstrak­te ethi­sche Refle­xio­nen und kon­kre­te mora­li­sche Vor­stel­lun­gen zu einer wirk­li­chen Denk- und Lebens­pra­xis abrun­den, die dem Men­schen gerecht wird.

III Pro Reli – Ein aktu­el­les Fallbeispiel

Daß dies in unse­rer säku­la­ren Gesell­schaft nicht unum­strit­ten bleibt, zeigt sich an der der­zeit in Ber­lin ent­flamm­ten Debat­te um die Initia­ti­ve Pro Reli. Dazu vier Bemerkungen.

  1. Geg­ner der Initia­ti­ve behaup­ten, wir bräuch­ten in einer Stadt der ver­schie­de­nen Mora­li­tä­ten eine gemein­sa­me Ethik als „Klam­mer“. Befür­wor­ter der Initia­ti­ve ver­wei­sen dar­auf, daß man die Ethik in Gestalt des „huma­ni­sti­schen Ethik­un­ter­richts“ nicht als eine sol­che ver­ste­hen kann, son­dern eben auch nur als eine spe­zi­fi­sche Mora­li­tät. Von Geg­nern der Initia­ti­ve wird oft die „Neu­tra­li­tät“ des Ethik­un­ter­richts gelobt, sie spre­chen im Zusam­men­hang mit dem Ethik­un­ter­richt von einem „neu­tra­len Wer­te­fach“. Befür­wor­ter der Initia­ti­ve mei­nen dage­gen: Neu­tra­li­tät – das ist nichts wei­ter als Eti­ket­ten­schwin­del und der Aus­druck „neu­tra­les Wer­te­fach“ eine con­tra­dic­tio in adiecto.Frage: Wird der Ethik­un­ter­richt dem Anspruch einer rein ana­ly­ti­schen (ergo: „neu­tra­len“) Ethik gerecht? Ant­wort: Nein, da der Ethik­un­ter­richt aus­drück­lich als „wer­te­ver­mit­teln­der“ Unter­richt ange­legt ist. Als ein sol­ches „Wer­te­fach“ kann er gar nicht „neu­tral“ sein!

    Im übri­gen kann auch die Ethik selbst nicht „neu­tral“ sein, sowie sie um eine Refle­xi­on der par­ti­ku­la­ren mora­li­schen Stand­punk­te bemüht ist, um dar­aus schließ­lich eine Prä­fe­renz für den einen oder ande­ren Stand­punkt abzu­lei­ten. Woll­te Ethik „neu­tral“ sein, ver­blie­be sie etwa bei der blo­ßen Auf­stel­lung der zu ver­mit­teln­den Wer­te, ohne bestimm­te Wer­te zu favo­ri­sie­ren. Das kann man natür­lich machen. Dann sagt man, wel­che Wer­te ver­tritt ein Faschist, wel­che ein Kom­mu­nist, wel­che ein Christ usw. bzw. wel­che Wer­te soll­te er ver­tre­ten, gemes­sen an sei­ner Welt­an­schau­ung. Und dann sagt man: Sucht euch etwas aus! Es dürf­te klar sein, daß das weit hin­ter den ana­ly­ti­schen Mög­lich­kei­ten der Ethik und hin­ter dem Auf­trag des Ethik­un­ter­richts zurück­bleibt, ja, im eigent­li­chen Sin­ne gar kei­ne Ethik wäre, weil die­se, so wol­len wir sie zumin­dest ver­ste­hen, immer auch nor­ma­tiv und nicht rein deskrip­tiv ist. Bloß: Das wäre wenig­stens „neu­tral“!

    Zur Ver­deut­li­chung: Selbst das kri­ti­sche Kom­men­tie­ren etwa des faschi­sti­schen Wer­te­sy­stems geschieht mit Rück­sicht auf eine Refle­xi­ons­fo­lie, die ihrer­seits par­tei­isch ist und eben nicht selbst­ver­ständ­lich, obgleich sie wohl von 99% der Men­schen akzep­tiert wird, aber eben nicht von allen, sonst hät­ten wir ja das Pro­blem­feld „faschi­sti­sches Wer­te­sy­stem“ nicht.

    Ethik ist inso­weit immer ten­den­zi­ös, sie kann ari­sto­te­lisch oder kan­ti­a­nisch, teleo­lo­gisch oder deon­to­lo­gisch, inten­tio­na­li­stisch oder kon­se­quen­tia­li­stisch sein. Aus dem gewähl­ten Ansatz erge­ben sich dann sehr unter­schied­li­che Urtei­le über die mora­li­sche Güte von Hand­lun­gen, die sich zu „Wer­ten“ und „Wert­sy­ste­men“ akku­mu­lie­ren las­sen. Selbst bei sehr weit ver­brei­te­ten und all­ge­mein aner­kann­ten Meta-Nor­men wie der „Gol­de­nen Regel“, fin­det man – ein­her­ge­hend mit dem jewei­li­gen Stand­punkt des Ethi­kers – sehr unter­schied­li­che Einschätzungen.

    Oft wird die Ver­nunft als die Instanz genannt, die letz­te Ent­schei­dun­gen der Ethik über die Qua­li­tät von Moral­vor­stel­lun­gen zu fäl­len habe. Dazu müß­te aber die Fra­ge geklärt wer­den, um wel­che Ver­nunft es sich han­deln soll und wer auf wel­cher Grund­la­ge beur­tei­len soll, daß es sich um die „rich­ti­ge“ Ver­nunft han­delt. Zudem wäre zu fra­gen, ob Ver­nunft nicht viel­mehr bloß ein Mit­tel zur Deu­tung von Sach­ver­hal­ten ist, ohne je den Stel­len­wert eines objek­ti­ven, von allen glei­cher­ma­ßen ver­stan­de­nen Zwecks zu erlangen.

  2. Anschluß­fra­ge: Wenn der Ethik­un­ter­richt schon nicht „neu­tral“ ist (sein kann!), ist er dann wenig­stens „neu­tra­ler“ als der kon­fes­sio­nel­le Reli­gi­ons­un­ter­richt?

    Daß die Wer­te­ver­mitt­lung im Reli­gi­ons-Unter­richt nicht neu­tral sein kann, liegt dar­in begrün­det, daß Reli­gio­nen nicht neu­tral sind, son­dern von den Gläu­bi­gen stets die Ein­nah­me von Posi­tio­nen erwar­ten (im Chri­sten­tum etwa die Befol­gung der lex nova Jesu: „Lie­bet ein­an­der, wie ich euch geliebt habe.“).

    Ob der Ethik­un­ter­richt eine (bestimm­te) Moral lehrt, die genau­so eine Posi­tio­nie­rung vom Schü­ler erwar­tet, hängt sehr stark von der Beset­zung des Lehr­per­so­nals ab, so wie übri­gens auch der Reli­gi­ons­un­ter­richt – abhän­gig von der Lehr­kraft – apo­lo­ge­tisch oder kri­tisch sein kann. Fest steht aber: „Huma­ni­stisch-athe­isti­sche Moral­leh­re“ ist genau­so welt­an­schau­lich geprägt wie katho­li­sche Moral­theo­lo­gie. Wenn Ethik an Ber­li­ner Schu­len v. a. von Leh­rern unter­rich­tet wür­de, die Religion(en) kri­tisch, der Bekennt­nis­lo­sig­keit aber wohl­wol­lend gegen­über­ste­hen, bis hin zu Men­schen, die sich in ihrer Mei­nungs­bil­dung beein­flus­sen las­sen vom Reli­gi­ons­haß der „neu­en Athe­isten“, dann wäre wohl nicht zu erwar­ten, daß der Ethik­un­ter­richt sich noch signi­fi­kant von einer „huma­ni­stisch-athe­isti­schen Moral­leh­re“ unterscheidet.

    Es drängt sich für Ber­lin genau die­ser Ver­dacht auf, schaut man sich die Unter­stüt­zer­krei­se des Ethik­un­ter­richts und die Vehe­menz ihrer Kri­tik an Pro Reli an. Ich kann mich des Ein­drucks nicht erweh­ren, daß der Ethik­un­ter­richt tat­säch­lich Bekennt­nis­frei­heit als Welt­an­schau­ung leh­ren soll, was ja durch­aus berech­tigt ist, soweit man eben als Schü­ler die Mög­lich­keit hat, die­sem Unter­richt fern zu blei­ben, wenn einem die dort ver­tre­te­ne Welt­an­schau­ung fern ist. Das gilt ja seit jeher auch für den Reli­gi­ons­un­ter­richt, der offen und ehr­lich ein Bekennt­nis ver­mit­telt und sich immer nur als Ange­bot ver­stand und ver­steht, nie­mals als Pflicht­ver­an­stal­tung. Staat­lich pro­te­gier­te und aggres­siv ver­mit­tel­te Bekennt­nis­lo­sig­keit ist eben auch ein Bekennt­nis und hat in die­sem Zusam­men­hang den glei­chen Stel­len­wert wie Katho­li­zis­mus oder Pro­te­stan­tis­mus. Inso­weit sind die „Pro­duk­te“ Reli und Ethik hin­sicht­lich ihres Gehalts an welt­an­schau­li­chem Impe­tus durch­aus ver­gleich­bar und kön­nen nicht auf­ge­zwun­gen wer­den, ohne zugleich Grund­prin­zi­pi­en unse­rer libe­ra­len Gesell­schafts­ord­nung zu ver­let­zen, näm­lich die Ent­schei­dungs­frei­heit für oder gegen eine bestimm­te Welt­an­schau­ung oder Reli­gi­on und damit auch die Frei­heit, sich für oder gegen eine apo­lo­ge­ti­sche Prä­sen­ta­ti­on unter­schied­li­cher Bekennt­nis­se zu ent­schei­den, was immer dann der Fall sein dürf­te zumal, wenn man der Ansicht ist, ein über­zeu­gen­des Bekennt­nis gefun­den zu haben.

    Es drängt sich zudem der Ein­druck auf, der Senat wol­le in erster Linie nicht Ethik an Schu­len för­dern, son­dern Reli­gi­on an sel­bi­gen unter­bin­den, jeden­falls soweit der Reli­gi­ons­un­ter­richt einen Platz im ordent­li­chen Cur­ri­cu­lum bean­sprucht und sei­ne Ver­drän­gung in den Nach­mit­tag, als unbe­no­te­tes Zusatz­an­ge­bot, nicht hin­neh­men will. Einen Staat, der Reli­gi­on nur gnä­dig dul­det, statt sie als Ele­ment sei­ner eige­nen Kon­sti­tu­ti­on zu begrei­fen, kann man kir­chen- und chri­sten­tums­feind­lich nen­nen. Oder kurz­sich­tig, denn das Hin­aus­drän­gen von Reli­gi­on aus der Schu­le (und damit auf lan­ge Sicht aus der gan­zen Gesell­schaft) bestärkt nur die Fun­da­men­ta­li­sten in ihrer Hal­tung, daß mit die­sem Staat sel­bi­ger nicht zu machen sei.

    Ich glau­be, daß dar­in der tie­fe­re Sinn der Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Reli- und Ethik-Frak­ti­on zu suchen ist, denn was wirk­lich mit der Pflicht zum Ethik­un­ter­richt bei gleich­zei­ti­ger Distanz zur Reli­gi­on bezweckt wird, kann erst durch eine Ana­ly­se der Hin­ter­grün­de rich­tig bemes­sen wer­den. Schaut man sich die Aus­ein­an­der­set­zung in ein­schlä­gi­gen Inter­net­an­ge­bo­ten an, so wird schnell klar, wor­um es eigent­lich geht: Reli­gi­on soll nach Mei­nung vie­ler Men­schen aus den Unter­stüt­zer­krei­sen des Ethik­un­ter­richts in unse­rer Gesell­schaft kei­ne Rol­le mehr spie­len. Äuße­run­gen, die auf reli­giö­sen Über­zeu­gun­gen fußen und Wert­pro­fi­le, die sich auf Quel­len jen­seits des empi­risch Erfahr­ba­ren bezie­hen, sol­len aus dem Dis­kurs aus­schei­den, weil sie im Rah­men des vor­herr­schen­den natu­ra­li­sti­schen Deu­tungs­mu­sters, das als ein­zi­ges für gül­tig gehal­ten wird, „unzu­läs­sig“ sind. Kon­kret: Die Kir­chen bzw. ihre Ver­tre­ter sol­len aus den Ethik-Gre­mi­en her­aus­ge­drängt wer­den, weil sie – salopp for­mu­liert – eh nur den Fort­schritt auf­hal­ten und von der Sache kei­ne Ahnung haben. Reli­giö­se Äuße­run­gen, so sie denn im Rah­men der ver­blie­be­nen Mei­nungs­frei­heit gesche­hen, auf­grund derer sie (noch) unver­meid­bar sind, sol­len mit „Lach­sal­ven“ (so in den „zehn Ange­bo­ten“ des „huma­ni­sti­schen Mani­fests“ der Giord­a­no Bru­no Stif­tung) quit­tiert wer­den. Ob auf die­ser Basis ein Dia­log statt­fin­den kann, ist höchst frag­lich, gilt doch prin­zi­pi­el­ler Respekt vor der Hal­tung des Ande­ren, das Aus­hal­ten sei­ner Anders­ar­tig­keit (Tole­ranz) zurecht als Bedin­gung für inter­re­li­giö­se und ‑kul­tu­rel­le Gesprä­che. Doch Respekt soll es nur noch gegen­über den Posi­tio­nen geben, die sich dem Natu­ra­lis­mus unter­wer­fen und dann auch nur inso­weit, als sie in des­sen empi­ri­sti­schem Metho­den­ka­non satis­fak­ti­ons­fä­hig sind. Die Gren­zen des Tole­rier­ba­ren sind die Gren­zen der eige­nen Welt­an­schau­ung. Alles ande­re ist „Unsinn“. Jür­gen Haber­mas, einer der renom­mier­te­sten Phi­lo­so­phen der Gegen­wart, wird in den ein­schlä­gi­gen Krei­sen schon als „ewig­gest­rig“ bezeich­net, weil er sich für eine gleich­be­rech­tig­te Teil­ha­be von Reli­gi­on an ethi­schen (und ande­ren) gesell­schaft­li­chen Dis­kur­sen stark macht. Da das nun so gar nicht in die Rhe­to­rik von der „Pri­vat­an­ge­le­gen­heit Reli­gi­on“ paßt, muß der Den­ker Haber­mas, der über jeden Ver­dacht kon­fes­sio­nel­ler Par­tei­nah­me erha­ben ist, kur­zer­hand dis­kre­di­tiert wer­den, damit die eif­rig­sten Unter­stüt­zer­grup­pen des Ethik­un­ter­richts sich wei­ter­hin eine reli­gi­ons­lo­se Gesell­schaft zim­mern zu kön­nen, in der nie­mand mehr ihre Krei­se stört. Daß Reli­gi­on als Pri­vat­an­ge­le­gen­heit dem Wesen des Chri­sten­tums wider­spricht, habe ich oben bereits mit Schocken­hoff deut­lich gemacht. Somit ist der Kon­flikt vor­pro­gram­miert, der nur dadurch ent­schärft wer­den kann, daß man bei­de Sei­ten zu ihrem Recht (und ihrem Unter­richt) kom­men läßt. Doch was am Ende als – zuge­ge­ben – höchst sub­jek­ti­ver, gleich­wohl jedoch prä­gen­der Ein­druck vom „Pro Ethik“-Lager übrig bleibt, ist zunächst und vor allem das Bild einer star­ken Abnei­gung gegen alles Reli­giö­se bei gleich­zei­ti­ger Wis­sen­schafts­gläu­big­keit, die als die ein­zig heu­te noch ver­tret­ba­re Welt­an­schau­ung weit­ge­hend unre­flek­tiert über alles gestellt wird. Wenn über­haupt, dann wird die eige­ne, als „auf­klä­re­risch“ ver­stan­de­ne Posi­ti­on nur sehr bedingt einer schwa­chen Selbst­kri­tik unter­zo­gen, ein Rekurs auf die satt­sam bekann­te Ver­nunft­kri­tik der „Dia­lek­tik der Auf­klä­rung“ fin­det dabei sel­ten statt.

    Es besteht vor die­sem Hin­ter­grund die Gefahr, daß der Ethik­un­ter­richt im Ergeb­nis eher auf huma­ni­stisch-athe­isti­sche Mani­pu­la­ti­on hin­aus­läuft als jene neu­tral-inte­gra­ti­ve Refle­xi­ons­schu­le zu bie­ten, die mit der Insti­tu­ti­on „Ethik­un­ter­richt“ vor­geb­lich ein­ge­rich­tet wer­den soll­te. Dabei ist gegen ten­den­ziö­se Unter­wei­sung gar nichts zu sagen, im Gegen­teil: Wer­te­ver­mitt­lung mit nicht bloß deskrip­ti­ven, son­dern auch nor­ma­ti­ven Ele­men­ten wird, wie ich schon aus­führ­te, ohne Par­tei­nah­me nicht funk­tio­nie­ren, nur soll­ten die Erzie­hungs­be­rech­tig­ten bzw. die reli­gi­ons­mün­di­gen Schü­ler ent­schei­den, in wel­che Rich­tung es für sie jeweils gehen soll, nicht der Staat, der dies ein­mal für alle und, wie es scheint, auch ein- für alle­mal fest­le­gen woll­te. Daß man sich der Teil­nah­me an einer Wer­te­ver­mitt­lung, die immer unter bestimm­ten Vor­zei­chen steht – sei­en sie nun von einem reli­giö­sen oder einem nicht-reli­giö­sen Bekennt­nis geprägt – nicht ent­zie­hen kön­nen soll, zeigt mei­ner Ansicht nach deut­lich, daß das jet­zi­ge Modell tota­li­tä­re Züge trägt.

  3. Eine ganz ande­re Fra­ge ist jedoch fol­gen­de: Was sol­len Schü­le­rin­nen und Schü­ler eigent­lich im Reli­gi­ons- bzw. Ethik­un­ter­richt ler­nen? Sol­len sie über ethi­sche Begrün­dungs­mo­del­le Bescheid wis­sen oder auf der Grund­la­ge ihres spe­zi­fi­schen anthro­po­lo­gi­schen und welt­an­schau­li­chen Aus­gangs­punkts, den sie schon haben, aber noch festi­gen und ent­wickeln müs­sen, eine spe­zi­fi­sche Mora­li­tät for­men? Ich mei­ne, zunächst ein­mal Letz­te­res. Kein Dieb – sei er katho­lisch, isla­misch oder athe­istisch erzo­gen – läßt sich etwa von Kants Ein­wand, daß die Maxi­me, die uns zur Hand­lung „Dieb­stahl“ führt, ver­nünf­ti­ger­wei­se nicht ver­all­ge­mei­ne­rungs­fä­hig ist, von eben die­sem Dieb­stahl abhal­ten, son­dern nur von einer Mora­li­tät, die erfah­ren und erwor­ben wird, durch Lebens­pra­xis und Vor­bil­der. Dabei spielt die Welt­an­schau­ung (sei die reli­gi­ös oder nicht-reli­gi­ös) und das Men­schen­bild eine ent­schei­den­de Rol­le, nicht jedoch das Fak­ten­wis­sen zu ethi­schen Begrün­dungs­mo­del­len. Ethi­sche Refle­xi­on allein macht den Men­schen nicht gut, mal ganz abge­se­hen davon, daß sie auch nie­mals wird klä­ren kön­nen, was genau damit gemeint ist – „gut“.

    Damit jun­ge Men­schen eine Mora­li­tät ent­wickeln kön­nen, brau­chen sie authen­ti­sche Wer­te­ver­mitt­lung in einem Unter­richt mit glaub­wür­di­gen Leh­re­rin­nen und Leh­rern, der ihre spe­zi­fi­sche Anthro­po­lo­gie und Welt­an­schau­ung auf­greift, denn die Anthro­po­lo­gie (das Men­schen­bild) geht der Ethik vor­aus, wie an vie­len mora­li­schen Pro­ble­men unse­rer Zeit deut­lich wird. Die Ant­wort auf die Fra­ge „Was ist der Mensch?“ bestimmt die Ant­wort auf vie­le mora­li­sche Fra­gen. Ob jemand den Men­schen als „Lust­erhö­hungs-Leid­ver­mei­dungs­ma­schi­ne“ begreift oder als Geschöpf Got­tes, hat unmit­tel­bar Aus­wir­kun­gen dar­auf, ob sie oder er die For­schung mit embryo­na­len Stamm­zel­len, Abtrei­bun­gen, das Töten gei­stig behin­der­ter Babys oder Medi­ka­men­ten­tests an Wach­ko­ma­pa­ti­en­ten befür­wor­tet oder ablehnt. Die ethi­schen Argu­men­te funk­tio­nie­ren in die­sen Fäl­len nur ein­ge­denk der Anthro­po­lo­gie, nur im Licht des jewei­li­gen Menschenbilds.

    Die Fra­ge „Was ist der Mensch?“ muß aber jede und jeder beant­wor­ten, die als Leh­re­rin im Ethik­un­ter­richt oder als Leh­rer im Reli­gi­ons­un­ter­richt tätig ist. Mit der Ant­wort ist nicht nur ein Men­schen­bild, son­dern auch eine bestimm­te Welt­sicht ver­bun­den, weil die Anthro­po­lo­gie ja auch die Bezie­hung des Men­schen zu Gott und zur Welt klärt. Was ein­ge­denk des­sen von „Neu­tra­li­tät“ des Ethik- bzw. Reli­gi­ons­un­ter­richts zu hal­ten ist, dürf­te nun end­gül­tig klar sei: Es gibt sie nicht!

  4. Ethi­sche Refle­xi­on ist unver­zicht­bar, wenn man sich klar macht, daß sie nie unab­hän­gig von Fest­le­gun­gen zum Men­schen­bild und zur Welt­an­schau­ung statt­fin­det. So ist es wich­tig, ethi­sche Posi­tio­nen zu ken­nen und vom eige­nen Stand­punkt aus zu bewer­ten. Die­sen eige­nen Stand­punkt muß man aber haben, um über­haupt wer­ten zu kön­nen. Um ihn aber haben zu kön­nen, muss man ihn erst ent­wickeln. Dafür braucht es auch die Hil­fe erfah­re­ner und kom­pe­ten­ter Leh­re­rin­nen und Lehrer.Wichtig ist fer­ner, die­sen Stand­punkt nicht zum Dog­ma ver­kru­sten zu las­sen, son­dern sich durch über­zeu­gen­de Argu­men­te und ande­re Per­spek­ti­ven auf den Men­schen und sei­ne Mora­li­tät anspre­chen und ver­än­dern zu las­sen. Es geht durch­aus dar­um, (reli­giö­se) Tugen­den und Wer­te kri­tisch zu hin­ter­fra­gen, auch im Hin­blick auf eine säku­la­re Staats­kon­zep­ti­on (Wie ver­hal­ten sich Gna­de und Barm­her­zig­keit zu Recht und Gerech­tig­keit? etc.). Das ist eine wich­ti­ge Auf­ga­be der phi­lo­so­phi­schen Refle­xi­on, die für nicht­re­li­giö­se Men­schen in den Ethik­un­ter­richt, für reli­giö­se Men­schen jedoch in den Reli­gi­ons­un­ter­richt gehört, weil sie nur dort vor dem Hin­ter­grund des jewei­li­gen welt­an­schau­li­chen Stand­punkts, der als Refle­xi­ons­flä­che dient, sinn­voll statt­fin­den kann.

    In Ber­lin leben wir mit dem „Fak­tum der Plu­ra­li­tät“ (Rawls), was über­all sicht- und spür­bar ist und damit auch in einer Stadt diver­ser Mora­li­tä­ten. Nun ist aber gera­de nicht der Ein­heits­un­ter­richt die Lösung für die­se schwie­ri­ge Situa­ti­on, wie ich zu zei­gen ver­sucht habe, son­dern die tole­ran­te Ermög­li­chung des Selbst­ver­ständ­li­chen, näm­lich im Rah­men der Schul­aus­bil­dung die eige­ne Reli­gi­on und Kul­tur ken­nen und vor die­sem Hin­ter­grund ein Wer­te­sy­stem auf­bau­en, zugleich aber auch die ande­ren Reli­gio­nen und Kul­tu­ren mit Bezug zum eige­nen Stand­punkt ver­ste­hen zu ler­nen. War­um soll­te die­se Viel­falt gera­de in der Schu­le ihr Ende fin­den? War­um soll Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Chan­ce genom­men wer­den, eine Tole­ranz zu erler­nen, die wirk­lich ver­in­ner­licht und damit prak­tisch wirk­sam wer­den kann, weil sie im je eige­nen Wer­te­sy­stem begrün­det wird? War­um also soll­te gera­de im welt­an­schau­li­chen Bereich, zu dem Reli­gio­si­tät und dezi­dier­te „Nicht-Reli­gio­si­tät“ glei­cher­ma­ßen zäh­len, in einem Bereich, wo es um die Grund­la­gen mensch­li­cher Lebens­for­men geht, in einem Bereich, auf den nicht gegen den erklär­ten Wil­len des Men­schen grund­los Ein­fluß genom­men wer­den darf, in einem Bereich, in dem mit­hin jede und jeder selbst ent­schei­den soll­te, was sie oder er an sich her­an­las­sen möch­te, war­um soll­te also gera­de da eine Ein­heits­kul­tur in den öffent­li­chen Schu­len Ein­zug hal­ten, die zudem durch das Auf­drän­gen einer bestimm­ten Welt­an­schau­ung („Bekennt­nis­lo­sig­keit“) die welt­an­schau­li­che Neu­tra­li­tät des Staa­tes ver­letzt und sich durch das sub­ti­le Unter­drücken ande­rer Welt­an­schau­un­gen offen­kun­dig im Kon­flikt mit dem Grund­recht auf Reli­gi­ons- und Bekennt­nis­frei­heit befin­det? Offe­ne Fra­gen, die nur vor dem Hin­ter­grund der spe­zi­fi­schen Prä­fe­ren­zen derer zu beant­wor­ten sind, die momen­tan in Ber­lin regie­ren. Und das ist als Recht­fer­ti­gung unzureichend.

In die­sem Sin­ne ist die For­de­rung nach ech­ter Wahl­frei­heit und damit die Resti­tu­ti­on des Reli­gi­ons­un­ter­richts als Alter­na­ti­ve zum Ethik­un­ter­richt berech­tigt und unter­stüt­zens­wert. Und das übri­gens auch des­halb, weil Kon­kur­renz das Geschäft belebt: Ein Wahl­pflicht­be­reich führ­te nicht nur zur Frei­heit der Ent­schei­dung, son­dern auch zu einem qua­li­ta­tiv bes­se­ren Unter­richt (zumin­dest im Bemü­hen dar­um!), sowohl in „Ethik“ (als Unter­richts­fach) als auch in Religionslehre.

Wei­te­re Tex­te des Autors:

Zu I.:
Ethik im 21. Jahr­hun­dert. Edi­to­ri­al zum Schwer­punkt 2008. In: Mar­bur­ger Forum. Bei­trä­ge zur gei­sti­gen Situa­ti­on der Gegen­wart. Jg. 9 (2008), Nr. 1.
https://www.philosophia-online.de/mafo/heft2008‑1/Bor_EthEd.htm

Das rech­te Han­deln. Bemer­kun­gen zur phi­lo­so­phi­schen Ethik. In: Recen­seo. Tex­te zu Kunst und Philosophie.
https://​www​.recen​seo​.de/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​i​d​=​1​3​2​&​k​a​t​e​g​o​r​i​e​=​a​r​t​i​k​e​l​&​n​a​v​=​I​n​h​alt

Zu II.:
Braucht Wer­ter­zie­hung Reli­gi­on? Annä­he­rung an eine Kern­fra­ge der Moral­päd­ago­gik. In: Die Neue Lese-Home­page. News­feeds, Tex­te und mehr.
https://​www​.holy​.or​.at/​c​o​u​n​t​.​p​h​p​?​i​d​=​800

Zu III.:
Ech­te Wahl­frei­heit ermög­li­chen! Zum Start der Kam­pa­gne „Pro Reli“ in Ber­lin. In: Netz­zei­tung – Rea­ders Edition.
https://​www​.rea​ders​-edi​ti​on​.de/​2​0​0​8​/​0​9​/​2​2​/​e​c​h​t​e​-​w​a​h​l​f​r​e​i​h​e​i​t​-​e​r​m​o​e​g​l​i​c​h​e​n​-​z​u​m​-​s​t​a​r​t​-​d​e​r​-​k​a​m​p​a​g​n​e​-​p​r​o​-​r​e​l​i​-​i​n​-​b​e​r​l​in/

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1 Eber­hard Schocken­hoff: Grund­le­gung der Ethik. Ein theo­lo­gi­scher Ent­wurf. Frei­burg i. Br. (Her­der) 2007, S. 19
2 a. a. O., S. 16
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