(Bern) Der Schweizer Bundesrat, die Regierung des Alpenstaates, will im Zuge der Überarbeitung des Strafgesetzbuchs das Inzestverbot aufheben. Der Bundesrat begründet das Vorhaben mit der „geringen strafrechtlichen Bedeutung“ des Beischlafs zwischen Blutsverwandten. Es gebe jährlich nur drei bis vier Urteile wegen Inzests durch Schweizer Gerichte, wie eine offizielle Statistik für den Zeitraum zwischen 1984 und 2007 ergeben habe.
Es regt sich erheblicher Widerstand gegen das Vorhaben. Die bürgerlichen Parteien zeigen Unverständnis bis Empörung über das Vorhaben. Sie verweisen darauf, daß ein Straftatbestand nicht deshalb entkriminalisiert werden könne, weil er nur selten begangen wird. Auch Morde seien in der Schweiz ein seltener Straftatbestand und werden deshalb sicher nicht entkriminalisiert. Vor allem, so die Kritiker, müsse gerade bei einer solchen Straftat, die im familiären Kontext stattfinde, von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen werden. Die Entkriminalisierung sei deshalb das falsche Signal. Barbara Schmid Federer von der Christlichen Volkspartei (CVP) bezeichnete die Regierungsinitiative als „abstoßend“.
Ganz anderer Meinung zeigte sich Daniel Vischer von den Grünen, daß Inzest „eine moralische Frage sei, auf die man keine strafrechtliche Antwort geben könne“. Vischer fügte hinzu, daß er persönlich „nichts Schlechtes“ an einem einvernehmlichen Sexualkontakt zwischen zwei erwachsenen Blutsverwandten finden könne. Wenn jemand damit ethische Probleme habe, so sei zu bedenken, daß „das Strafgesetzbuch nicht dazu dient, Fragen der Moral zu klären“, so der Politiker der Grünen.
Genau darin liege aber der Haken, schrieb Gianfranco Amato. Das sei ein klarer Fall von „slippery slope“, wie die Engländer sagen. „Am Ende riskiert alles im Mixer relativistischer Rechtfertigungen sich aufzulösen, auch die Pädophilie, Kannibalismus, Nudismus usw.“
Seit den 70er Jahren gebe es ideologisch motivierte Versuche, Inzest im Namen der „sexuellen Befreiung“ salonfähig zu machen. Eine der ersten war Shulamith Firestone, eine jüdische Kanadierin und Ikone des radikalen Feminismus (sie war eine der Gründerinnen von New York Radical Women, Redstockings, New York Radical Feminists). In ihrem Bestseller The Dialectic of Sex (1970), einer „feministischen“ Zusammenfassung der Ideen von Sigmund Freud, Wilhelm Reich, Karl Marx, Friedrich Engels und Simone de Beauvoir, schrieb sie, daß durch die Auflösung der Familie und der Beseitigung des Inzest-Tabus und der sexuellen Repression (die unvermeidbare Folgen des Familienlebens seien), endlich etwas Neues entstehen würde.
Noch wesentlich deutlicher wurde der amerikanische Psychologe Wardell Baxter Pomeroy zum Inzest in seinem umstrittenen Buch A New Look at incest (1977). Darin propagierte er vor allem den Inzest zwischen Vätern und Töchter: „Der Inzest zwischen Erwachsenen und Kindern kann eine befriedigende und bereichernde Erfahrung sein … Der Inzest kann eine angenehme, harmlose und sogar bereichernde Erfahrung sein.“
Bezeichnend ist, so Amato, daß das Buch von Pomeroy vom größten internationalen Abtreibungslobbyisten, der International Planned Parenthood Federation (IPPF) empfohlen und verbreitet wird. Pomeroy war selbst ein namhaftes Mitglied des IPPF-Konzerns, der in 189 Ländern aktiv ist. Die IPPF erhält staatliche Subventionen für „Sonderprojekte“ von der Europäischen Kommission wie ebenso von den Vereinten Nationen aus deren „Bevölkerungsfonds“.
„Das ist das kulturelle Klima und die Feuerkraft“, die hinter der Förderung einer Entkriminalisierung des Inzests stehe, so Amato.
Das Wort Inzest kommt vom lateinischen In-castus (unrein), und wurde von allen Völkern und Kulturen zu allen Epochen abgelehnt. Ein Tabu, das vor allem zum Schutz der menschlichen Spezies mehr noch im soziologischen als im biologischen Sinn befolgt wird. Aus diesem Grund wurde Inzest auch von der katholischen Kirche immer verurteilt, weil mit ihm untrennbar die Zerstörung der familiären Beziehungen verbunden ist und weil er einen Verfall in einen tierischen Zustand bedeutet. Aus diesem Grund ist das Strafgesetzbuch ein durchaus richtiges und angemessenes Instrument, um sich vor dieser Bedrohung zu schützen.
In seiner Arbeit „Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft“ (1949) schrieb der französische, jüdische Anthropologe und Philosoph Claude Levi-Strauss zu diesem Thema, in dem er es in Verbindung mit der biologischen und der sozialen Existenz des Menschen stellte. Er kam dabei zum Schluß, daß „das Verbot des Inzest den entscheidenden Schritt bedeutet, dank dem und durch den und vor allem in dem sich der Übergang von der Natur zur Kultur verwirklicht“.
Levi-Strauss´ Schlußfolgerung macht deutlich, welchen „evolutionären Rückschritt“ die Enttabuisierer von heute im Namen des „Fortschritts“ anstreben.
(CulturaCattolica/Giuseppe Nardi)