Nach 54 Monaten herrscht in der Kirche ein „Klima der Angst und der Einschüchterung“


Prof. Claudio Pierantoni, Kardinal Gerhard Müller, Bischof René Henry Gracida erklären unabhängig voneinander, daß in der Kirche ein "Klima der Angst und der Einschüchterung" herrscht.
Prof. Claudio Pierantoni, Kardinal Gerhard Müller, Bischof René Henry Gracida erklären unabhängig voneinander, daß in der Kirche ein "Klima der Angst und der Einschüchterung" herrscht.

(Rom) Knapp mehr als 66 Mona­te dau­ert das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus. Es häu­fen sich Stim­men und Anzei­chen, daß er die Kir­che weit­ge­hend dis­zi­pli­niert habe: durch Einschüchterung.

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Stimmt es wirk­lich, daß sich in der katho­li­schen Kir­che kaum mehr jemand wagt, sei­ne Mei­nung zu äußern?

Sanktionen gegen Römische Kurie und Ortsbischöfe

Dis­zi­pli­nie­rungs­maß­nah­men von Papst Fran­zis­kus rich­te­ten sich von Anfang an gegen die Römi­sche Kurie und die Orts­kir­chen. Papst Fran­zis­kus ent­ließ höch­ste Dik­aste­ri­en­lei­ter an der Römi­schen Kurie und her­aus­ra­gen­de Diö­ze­san­bi­schö­fe. Der gewoll­te Neben­ef­fekt: Poten­ti­el­le Anders­den­ken­de soll­ten abge­schreckt und ein­ge­schüch­tert werden.

Kurz vor Weih­nach­ten 2014 ver­ab­reich­te Fran­zis­kus der Römi­schen Kurie unter gro­ßem media­lem Bei­werk eine schal­len­de „Weih­nachts­ohr­fei­ge“. Von kei­nem Papst ist eine so all­ge­mein gehal­te­ne, aber zugleich ver­nich­ten­de Kri­tik an den eige­nen Mit­ar­bei­tern bekannt. 15 „Krank­hei­ten“ hielt er der Kurie vor. Beob­ach­ter spre­chen von einer bei­spiel­lo­sen Akti­on, sich die Kurie gefü­gig zu machen.

Wer Fran­zis­kus kri­ti­siert oder irri­tiert muß mit Kon­se­quen­zen rech­nen, ließ Giu­sep­pe Rus­co­ni im April 2014 im Ber­li­ner Maga­zin Cice­ro durch­blicken. Der Schwei­zer Jour­na­list zitier­te anonym ein Kurienmitglied:

„Wenn damals einer den Mut gehabt hät­te, von sei­nem Stuhl auf­zu­ste­hen und die Sala Cle­men­ti­na zu ver­las­sen, dann – so den­ke ich – wären wir alle gegan­gen, von links bis rechts, Alte und Junge.“

Ein ver­nich­ten­des Urteil über die Vor­gangs­wei­se des amtie­ren­den Pap­stes. Doch es ist kei­ner auf­ge­stan­den. Ein Signal, daß Fran­zis­kus Stra­te­gie auf­geht. Je län­ger sie unbe­an­stan­det wir­ken kann, desto mehr Wirk­sam­keit kann sie entfalten.

Ende Novem­ber 2014 berich­te­te das Wochen­ma­ga­zin Focus, Fran­zis­kus habe an der Römi­schen Kurie ein „Kli­ma der Angst“ erzeugt.

Par­al­lel rich­te­ten sich demon­stra­ti­ve Straf­maß­nah­men auch gegen Orts­bi­schö­fe. Ein ekla­tan­ter Fall war die Abset­zung von Bischof Roge­l­io Livi­e­res von Ciu­dad del Este in Para­gu­ay. Ein Signal, das weit über Latein­ame­ri­ka hin­aus ver­stan­den wur­de. Fran­zis­kus mach­te unmiß­ver­ständ­lich klar, daß er bestimm­te, von ihm abge­lehn­te Krei­se in der Kir­che nicht nur ver­bal attackiert, son­dern sei­nen Wor­ten auch Taten fol­gen läßt.

Berg­o­glio will dabei die­se Krei­se nicht kate­go­risch eli­mi­nie­ren. Sie haben in sei­nem Kir­chen­ver­ständ­nis durch­aus Platz. Aller­dings unter Bedin­gun­gen. Sie sol­len kei­nen Ein­fluß auf die Ent­wick­lung der Kir­che haben und wer­den nur unter zwei Aspek­ten gedul­det: daß sie sich als Grup­pe unsicht­bar machen und als Ein­zel­per­so­nen in Gehor­sam auch einem Kurs unter­wer­fen, den sie inner­lich ablehnen.

Bald nach dem jüng­sten Kon­kla­ve tauch­ten Stim­men auf, die sag­ten, Jor­ge Mario Berg­o­glio sei sehr nach­tra­gen und ver­ges­se nichts. Straf­maß­nah­men erfol­gen in der Regel ohne jede Vor­ankün­di­gung und ohne Nen­nung von Grün­den. Eine offen­bar aus­ge­klü­gel­te Metho­de, die jede Dis­kus­si­on über Moti­ve und Hin­ter­grün­de zur angreif­ba­ren Spe­ku­la­ti­on machen. In die­sen Bereich fällt auch der mas­si­ve Ein­griff in den bis dahin blü­hen­den Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta. Die Ordens­lei­tung wur­de abge­setzt, ein päpst­li­cher Kom­mis­sar ein­ge­setzt, das Orden­scha­ris­ma zer­trüm­mert, doch mehr als vier Jah­re danach wur­den noch immer kei­ne Grün­de für die Straf­ak­ti­on genannt.

Prof. Pierantoni: „Sieben von zehn Personen haben Angst vor Repressalien“

Clau­dio Pier­an­to­ni, Pro­fes­sor für Patri­stik und Phi­lo­so­phie des Mit­tel­al­ters an der Uni­ver­si­tät von Chi­le und an der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Chi­le, zeich­ne­te am 29. Sep­tem­ber in einem Inter­view von Life­Si­teNews ein düste­res Bild. Er höre von vie­len Leu­ten, daß sie das Anlie­gen der Cor­rec­tio filia­lis unter­stüt­zen, aber sich nicht trau­en, die Zurecht­wei­sung zu unter­schrei­ben. Es gebe eine rea­le Angst vie­ler vor Ver­gel­tung, so der Uni­ver­so­täts­pro­fes­sor. Das las­se vor allem Leu­te, die für kirch­li­che Insti­tu­tio­nen tätig sind, erstar­ren. Sie wür­den nicht unbe­dingt eine Straf­ak­ti­on Roms fürch­ten, so Prof. Pier­an­to­ni. Es genü­ge ja schon die Sank­ti­on auf loka­ler Ebe­ne, wie die Ent­las­sung des bekann­ten katho­li­schen Phi­lo­so­phen Prof. Josef Sei­fert durch den Erz­bi­schof von Gra­na­da gezeigt habe.

„Ich schicke [die Cor­rec­tio filia­lis] zehn Per­so­nen zu und sie­ben von zehn ant­wor­ten mir, aus Angst vor Repres­sa­li­en nicht zu unterschreiben.“

Kardinal Müller: „Jeder Kritiker wird hinausgeschmissen“

Die Ein­schät­zung von Prof. Pier­an­to­ni wird von kei­nem gerin­ge­ren als Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler bestä­tigt, den Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen 30. Juni als Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on vor die Tür setz­te. Kar­di­nal Mül­ler sag­te fast zeit­gleich in einem Inter­view von Edward Pen­tin (Natio­nal Catho­lic Register):

„Jeder Kri­ti­ker von Amo­ris lae­ti­tia wird hinausgeschmissen.“

Die Mit­ar­bei­ter der Römi­schen Kurie „leben in gro­ßer Angst“, denn es herr­sche unter Fran­zis­kus eine „Atmo­sphä­re der Verdächtigung“.

„Wenn sie ein klei­nes oder harm­lo­ses Wort der Kri­tik äußern, wer­den das eini­ge Spio­ne direkt dem Hei­li­gen Vater wei­ter­sa­gen, und die fälsch­lich beschul­dig­ten Leu­te haben kei­ne Mög­lich­keit, sich zu verteidigen.“

Die­se Ein­schüch­te­rung herr­sche nicht nur an der Römi­schen Kurie, son­dern eben­so an den Theo­lo­gi­schen Fakultäten:

„Wenn jemand irgend­wel­che Bemer­kun­gen oder Fra­gen zu Amo­ris lae­ti­tia äußert, dann wird er hinausgeschmissen.“

Bischof Gracida: „Viele fürchten eine Vergeltung von Rom“

Genau das­sel­be sag­te am 26. Sep­tem­ber der eme­ri­tier­te Bischof René Hen­ry Gra­ci­da von Cor­pus Chri­sti in Texas. Mit sei­nen 94 Jah­ren hat­te er den Mut die Cor­rec­tio filia­lis wegen der Ver­brei­tung von Häre­si­en zu unter­zeich­nen. Zur Fra­ge, war­um sich ande­re Bischö­fe nicht trau­en wür­den, sag­te er:

„Vie­le sind ein­ge­schüch­tert und fürch­ten eine Ver­gel­tung aus Rom.“

Betrach­tet man die Reak­tio­nen von kon­ser­va­ti­ven und tra­di­tio­na­li­sti­schen Orden, Gemein­schaf­ten, Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven auf die Cor­rec­tio filia­lis im deut­schen Sprach­raum, scheint die­se Zustands­be­schrei­bung Bestä­ti­gung zu fin­den. Kaum jemand wagt sich aus der Deckung. Weg­ducken und Abtau­chen scheint die Devi­se zu lau­ten. In einer Aus­sendung der Akti­on Katho­lisch blei­ben vom ver­gan­ge­nen Sams­tag heißt es:

„Wie lei­der zu erwar­ten war, wird die Zurecht­wei­sung (Cor­rec­tio filia­lis) wegen der Ver­brei­tung von Häre­si­en ver­schwie­gen, allen­falls mar­gi­na­li­siert, und die Unter­zeich­ner wer­den dis­kre­di­tiert. Selbst die deut­schen Distrikt­sei­ten der Prie­ster­bru­der­schaf­ten St. Pius X. und St. Petrus schwei­gen wie auch die Inter­net­auf­trit­te des Insti­tuts Phil­ipp Neri, des Opus Dei usw., die das Doku­ment weder ver­öf­fent­li­chen noch eine Link set­zen. Was ver­ur­sacht die­se Schock­star­re, die im deut­schen Sprach­raum selbst tra­di­tio­nel­le Katho­li­ken erfaßt?“

Die Jun­ge Frei­heit zitier­te jüngst den Alt-68er und Sprin­ger-Jour­na­li­sten Tho­mas Schmid mit den Wor­ten, hin­ter dem jour­na­li­sti­schen Gleich­klang steckt

„kei­ne Absicht, kein Plan. Es ist auch kei­ne Machen­schaft. Viel­mehr sind Bequem­lich­keit, Oppor­tu­nis­mus, Her­den­trieb und der feste Wil­le am Werk, kei­nes­falls in gedank­li­che Sphä­ren vor­zu­drin­gen, in denen es unge­müt­lich wer­den könnte.“

Was für die weit­ge­hen­de Ein­heits­mei­nung im Bereich der Mas­sen­me­di­en gilt, scheint nach 54 Mona­ten des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus und den von ihm aus­ge­hen­den Signa­len auch inner­halb der katho­li­schen Kir­che ein Übri­ges zu tun.

Da Ein­schüch­te­rung nicht nur jeman­den braucht, der ein­schüch­tert, son­dern auch den, der sich ein­schüch­tern läßt, zei­gen die Dubia, die Cor­rec­tio filia­lis und die Hal­tung von Kar­di­nal Mül­ler, daß es auch anders geht.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Pho­to­mon­ta­ge MiL

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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