Für Pädophile „keine Gnade, niemals“ – Wie sich Papst Franziskus exkulpiert und der Vox populi nach dem Mund redet


Papst Franziskus und die Mitglieder der Kommission für den Schutz von Minderjährigen
Papst Franziskus und die Mitglieder der Kommission für den Schutz von Minderjährigen

(Rom) „Wenn der Papst aus dem Bauch her­aus spricht“, geschieht, daß Fran­zis­kus über Mafia und Pädo­phi­lie spricht und dabei „der Vox popu­li zu sehr nach dem Mund redet“, so der Vati­ka­nist Matteo Matzuzzi.

Anzei­ge

Gestern emp­fing das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt die Mit­glie­der der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on für den Schutz von Min­der­jäh­ri­gen und woll­te mit sei­ner Anspra­che offen­bar ein „Signal“ an die Öffent­lich­keit sen­den. Immer­hin geht es um die Fra­ge des sexu­el­len Miß­brau­ches von Min­der­jäh­ri­gen durch Kle­ri­ker. Eine Pla­ge, die die Kir­che seit 2010 in man­chen Län­dern schwer erschüt­tert und an ihrer Glaub­wür­dig­keit gezehrt hat. Dabei wur­de das The­ma von Kir­chen­geg­nern weid­lich ausgenützt.

Papst Bene­dikt XVI. gab die Order Null­to­le­ranz aus und ließ von den zustän­di­gen vati­ka­ni­schen Stel­len hart vor­ge­hen. Ohne Spek­ta­kel wur­den 800 Prie­ster wäh­rend sei­nes Pon­ti­fi­kats ver­ur­teilt und ihres Dien­stes ent­ho­ben. Gna­den­ge­su­che wur­den nur in den sel­ten­sten Fäl­len und nach sorg­fäl­ti­ger Prü­fung gewährt.

Die Außen­wir­kung blieb den­noch gering, weil der deut­sche Papst vom Main­stream kam­pa­gnen­mä­ßig bekämpft wur­de. Posi­ti­ve Mel­dun­gen über sein Wir­ken durf­te es nicht geben.

Wäh­rend Papst Bene­dikt XVI., Letzt­ver­ant­wort­li­cher in der Kir­che, den­noch von man­chen Krei­sen wegen des Pädo­phi­lie-Skan­dals vor ein inter­na­tio­na­les Straf­tri­bu­nal gezerrt wer­den soll­te, ver­schwand das The­ma mit der Wahl von Fran­zis­kus schlag­ar­tig. Nicht ver­schwun­den sind Fäl­le von sexu­el­lem Miß­brauch, wobei Fran­zis­kus – im Gegen­satz zu Bene­dikt XVI. – von man­chen Sach­kun­di­gen eine ambi­va­len­te Hal­tung vor­ge­wor­fen wird. Ein Mit­glied der gestern emp­fan­ge­nen Päpst­li­chen Kom­mis­si­on, Marie Coll­ins, trat des­halb sogar zurück. An Fran­zis­kus schei­nen sol­che Anwür­fe jedoch abzuprallen.

„Mehr mit dem Bauch als mit dem Kopf hat gestern der Papst gespro­chen, als er die Faust in der Luft schwang, um zu schwö­ren, daß er nie­mals einen pädo­phi­len Prie­ster begna­di­gen wer­de“, so Matzuzzi.

Der Papst sprach frei und in sei­ner Mut­ter­spra­che, als er ver­si­cher­te, daß nie ein Gna­den­akt für einen kle­ri­ka­len Kin­der­schän­der die Unter­schrift „Fran­cis­cus“ tra­gen wer­de. Dies des­halb, so der Papst, weil „ein Mensch, der so etwas tut, ob Mann oder Frau, krank ist. Pädo­phi­lie ist eine Krankheit“.

Die freie Rede des Papstes, die der Vatikan nicht veröffentlicht

Wie in der Ver­gan­gen­heit schon in ande­ren Fäl­len gesche­hen, ließ Fran­zis­kus die offi­zi­ell vor­be­rei­te­te Anspra­che an sei­ne Zuhö­rer aus­tei­len, wäh­rend er frei sprach. Die Dis­so­nanz wirft für alle Sei­ten Pro­ble­me auf. Zunächst vor allem die Fra­ge, wel­ches Wort nun gilt. Der Vati­kan ver­öf­fent­lich­te auf sei­ner offi­zi­el­len Inter­net­sei­te nur den vor­be­rei­te­ten Text. Wäh­rend bei ande­ren Gele­gen­hei­ten die frei gespro­che­nen Wor­te von Fran­zis­kus nach­träg­lich inte­griert wur­den, hat man dies­mal dar­auf ver­zich­tet. Was für die Inter­net­sei­te gilt, gilt auch für den Osser­va­to­re Roma­no, der sogar aus­drück­lich dar­auf hin­weist, daß er die vor­be­rei­te­te Rede abdruckt, obwohl der Papst den anwe­sen­den Kom­mis­si­ons­mit­glie­dern etwas ande­res, näm­lich „per­sön­li­che Über­le­gun­gen“ sagte.

Der Vor­fall ist neu. Beginnt man im Vati­kan zwi­schen dem offi­zi­el­len Lehr­amt des Pap­stes und sei­nen „per­sön­li­chen Über­le­gun­gen“ zu unter­schei­den? Wohl eher nicht.

In sei­ner Anspra­che nann­te Fran­zis­kus einen Fall kon­kret und sprach von einem „Prie­ster der Diö­ze­se Cre­ma“, ohne einen Namen zu nen­nen. Der Fall von Don Mau­ro Inz­o­li ali­as „Don Mer­ce­des“ war in den ver­gan­ge­nen Mona­ten von ver­schie­de­nen Medi­en berich­tet wor­den (sie­he Papst Fran­zis­kus und pädo­phi­le Prie­ster: Null­to­le­ranz oder zwei­er­lei Maß?). Der Prie­ster, ein füh­ren­der Expo­nent der Gemein­schaft Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne (CL), war mit Samt­hand­schu­hen behan­delt wor­den. Eine Behand­lung, die nur der Papst gewäh­ren konn­te. Die­sem wur­de vor­ge­wor­fen, bei der Umset­zung der ver­kün­de­ten Null­to­le­ranz mit zwei­er­lei Maß zu messen.

Die päpstliche Einmischung in die Glaubenskongregation

Papst Franziskus
Papst Fran­zis­kus

Der Fall schlug Wel­len in der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, in deren Straf­ver­fol­gung sich der Papst ein­ge­mischt, wenn nicht sogar behin­der­te. Zum Jah­res­wech­sel 2016/​2017 wur­den von Fran­zis­kus drei qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­ter der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ent­las­sen und in ihre Hei­mat­diö­ze­sen zurück­ge­schickt. Die Ent­las­sun­gen wur­den mit der Straf­ver­fol­gung von Prie­stern in Zusam­men­hang gebracht, die hohe Freun­de im päpst­li­chen Umfeld hät­ten. Der dama­li­ge Glau­bens­prä­fekt, Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler, pro­te­stier­te beim Papst gegen die­se mas­si­ve Ein­mi­schung in sei­nen Zustän­dig­keits­be­reich, blitz­te bei Fran­zis­kus jedoch ab.

Don Mer­ce­des war unter Bene­dikt XVI., 2012, von der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ver­ur­teilt und lai­siert wor­den. Fran­zis­kus aber begna­digt ihn 2014.

Wäh­rend er beim neu­en Papst Gna­de fand – sein Begna­di­gungs­de­kret trägt die Unter­schrift „Fran­cis­cus“ –, erstat­te­te ein Abge­ord­ne­ter der radi­ka­len Lin­ken Anzei­ge bei der Staats­an­walt­schaft. Es kam zu neu­en Ermitt­lun­gen, wei­te­ren Anzei­gen: 2016 wur­de Don Mer­ce­des zu sechs Jah­ren Gefäng­nis ver­ur­teilt, von denen auf­grund eines „ver­kürz­ten Ver­fah­rens“, einer Beson­der­heit der ita­lie­ni­schen Straf­pro­zeß­ord­nung, vier Jah­re und neun Mona­te rechts­kräf­tig wur­den. Staats­an­walt Rober­to di Mar­ti­no beton­te in sei­nem Schluß­plä­doy­er im Juni 2016 sei­ne Genug­tu­ung, daß die Über­füh­rung von Don Inz­o­li mög­lich gewor­den sei, obwohl der Vati­kan „sich nicht her­ab­ließ, Unter­la­gen zu liefern“.

Don Inz­o­li muß sich inzwi­schen wegen wei­te­rer Fäl­le von sexu­el­lem Miß­brauch vor Gericht verantworten.

Don Mercedes: Nach 15 Monaten nimmt Franziskus zum Fall Stellung

Es dau­er­te 15 Mona­te, in denen Papst Fran­zis­kus zu den Vor­wür­fen schwieg. Sei­ne gest­ri­ge Anspra­che zeigt, daß die Nach­rich­ten ihn jedoch erreich­ten und ihm nicht gleich­gül­tig waren.

„Nie eine Begna­di­gung für Prie­ster, die des Miß­brauchs an Min­der­jäh­ri­gen schul­dig sind. Kei­ne Rekur­se zwei­ten Gra­des, wenn der Miß­brauch in erster Instanz bewie­sen wur­de. Nie mehr die Pra­xis, pädo­phi­le Prie­ster von einer Diö­ze­se in die ande­re zu ver­schie­ben; eine Vor­ge­hens­wei­se, die in der Ver­gan­gen­heit ‚die Gewis­sen ein­ge­schlä­fert hat‘. Bei der Pla­ge der Pädo­phi­lie ‚ist die Kir­che zu spät gekom­men‘, nun aber ist er es – der im Sin­ne der ‚Null­to­le­ranz‘ – eine wei­te­re Beschleu­ni­gung auf­drückt, um sie zu besiegen.“

Mit die­sen Wor­ten zitiert die ita­lie­ni­sche Pres­se­agen­tur ANSA, was Papst Fran­zis­kus gestern den Kom­mis­si­ons­mit­glie­dern sag­te. Dazu auch die, anhand der Vor­fäl­le zum Jah­res­wech­sel, bemer­kens­wer­te Ankündigung:

„Mehr Per­so­nal für das Ex-Hei­li­ge Offizium.“

Damit ist die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on gemeint. Seit der Ent­las­sung von Kar­di­nal Mül­ler, der mit Papst Fran­zis­kus auch wegen des­sen Ein­mi­schung in die Straf­ver­fol­gung pädo­phi­ler Prie­ster in Kon­flikt gera­ten war, schei­nen die Plä­ne vom Tisch, der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on die Straf­ver­fol­gung zu ent­zie­hen und der Rota Roma­na zu über­tra­gen. Der Hin­ter­grund: Die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on galt unter Kar­di­nal Mül­ler als „nicht berg­o­glia­nisch“, wäh­rend die Rota Roma­na fest in Berg­o­glia­ni­scher Hand ist.

„Ich bereue, zu weich gewesen zu sein“ – Das Exkulpations-Narrrativ des Papstes

Zum Fall Don Mer­ce­des, den Fran­zis­kus nicht nament­lich erwähn­te, aber ein­deu­tig mein­te, erklär­te der Papst, es zu „bereu­en“, zu „weich“ gewe­sen zu sein, denn die­ser Prie­ster sei „nach zwei Jah­ren rück­fäl­lig gewor­den“. In Wirk­lich­keit wur­de Don Inz­o­li – nach heu­ti­gem Wis­sens­stand – nicht in sexu­el­ler Hin­sicht „rück­fäl­lig“. Er wur­de viel­mehr „nach zwei Jah­ren“ von einem staat­li­chen Gericht für frü­he­re Fäl­le von sexu­el­lem Miß­brauch ver­ur­teilt, für den ihn auch die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ver­ur­teilt, Fran­zis­kus aber begna­digt hatte.

Laut Gerichts­ur­teil vom Juni 2016 wur­de Don Inz­o­li in zwan­zig Fäl­len ver­ur­teilt. Der Staats­an­walt sprach jedoch von „mehr als hun­dert Fäl­len“, die zum Teil ver­jährt waren, zum Teil nicht gerichts­re­le­vant bewie­sen wer­den konnten.

„Rück­fäl­lig“ war Don Inz­o­li nur inso­fern gewor­den, als er sich nicht an die Auf­la­ge gehal­ten hat­te, sein Prie­ster­tum nicht öffent­lich auszuüben.

Mit dem Hin­weis, Don Inz­o­li ali­as „Don Mer­ce­des“ sei „rück­fäl­lig“ gewor­den, woll­te Papst Fran­zis­kus sich selbst exkul­pie­ren, als sei er, von dem Prie­ster getäuscht und ent­täuscht worden.

Damit deu­tet jedoch viel dar­auf hin, daß die gest­ri­ge Empö­rung des Pap­stes, sei­ne geball­te Faust, die er in der Luft schwang und vor der Welt­öf­fent­lich­keit einen „Schwur“ ableg­te, „nie­mals“ einen Pädo­phi­len zu begna­di­gen, vor allem sei­ner Image­pfle­ge die­nen soll­te. Nach über einem Jahr des Schwei­gens im Fall Inz­o­li schien der Wider­spruch zwi­schen den bis­he­ri­gen Erklä­run­gen und den Hand­lun­gen des Pap­stes zu einer zu gro­ßen Bela­stung für das Image gewor­den zu sein. Vor allem saßen ihm mit den Mit­glie­dern der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on für den Schutz von Min­der­jäh­ri­gen erst­mals seit den Ent­las­sun­gen bei der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on im Dezem­ber 2016 und dem Rück­tritt von Marie Coll­ins jene gegen­über, die in der Mate­rie bewan­dert sind.

Populistischer Zungenschlag

Jen­seits der päpst­li­chen Image­pfle­ge stie­ßen sich Beob­ach­ter, dar­un­ter auch der Vati­ka­nist Mat­zuzzi, auch am popu­li­sti­schen Zun­gen­schlag beim gest­ri­gen Papst-Auf­tritt. Eine gol­de­ne Regel der Kir­che lau­tet: „hart gegen die Sün­de, mil­de gegen den Sün­der“. Dadurch unter­schei­det sich die Kir­che von der Welt, die einer­seits die Sün­de dul­det, aber gleich­zei­tig gna­den­los und rach­süch­tig gegen den Sün­der sein kann.

Mit sei­nem Postu­lat „kei­ne Gna­de“, „nie­mals“, habe Fran­zis­kus „zu sehr“ der Vox popu­li nach dem Mund gere­det, so Matzuzzi.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.va

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1 Kommentar

  1. Wir leben in den letz­ten Zei­ten unse­rer Zivi­li­sa­ti­on und schla­fen wei­ter und ermög­li­chen so Satan und sei­nen Dämo­nen, uns Men­schen zu täuschen…

    Dar­um lie­be Brü­der und Schwe­stern im Glau­ben, lasst uns das Gebet ver­stär­ken, denn die Zeit hat kei­ne Zeit mehr! Got­tes Segen für alle Menschen!

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