Roberto de Mattei über den „Fall Müller“


Franziskus und Kardinal Müller: "Strategie der Konservativen nicht aufgegangen".
Franziskus und Kardinal Müller: "Strategie der Konservativen nicht aufgegangen".

Von Rober­to de Mattei*

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Die Ent­fer­nung von Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler stellt einen ent­schei­den­den Moment in der Geschich­te des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus dar. Mül­ler, der von Bene­dikt XVI. ernannt, am 2. Juli 2012 als Prä­fekt die Lei­tung der Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re über­nahm, ist erst 69 Jah­re alt. Es ist noch nie vor­ge­kom­men, daß ein Kar­di­nal, der mehr als fünf Jah­re vom kano­ni­schen Pen­si­ons­al­ter (75 Jah­re) ent­fernt ist, nicht für eine zwei­te fünf­jäh­ri­ges Amts­zeit ver­län­gert wurde.

Es genügt dar­an zu den­ken, daß es Prä­la­ten gibt, die zehn Jah­re älter als Kar­di­nal Mül­ler sind und noch wich­ti­ge Ämter inne­ha­ben. Dazu gehört Kar­di­nal Fran­ces­co Coc­co­pal­me­rio, der Prä­si­dent des Päpst­li­chen Rates für die Geset­zes­tex­te, des­sen Sekre­tär vor kur­zem in fla­gran­ti von der päpst­li­chen Gen­dar­me­rie bei einer Homo-Orgie und mit Dro­gen in einem zum Vati­kan gehö­ren­den Gebäu­de erwischt wur­de. Coc­co­pal­me­rio hat­te jedoch sei­ne Wert­schät­zung für Amo­ris lae­ti­tia kund­ge­tan und erklärt, daß „die Kir­che immer die Zuflucht der Sün­der war“, wäh­rend Mül­ler sei­ne Irri­ta­tio­nen wegen der Öff­nun­gen des päpst­li­chen Schrei­bens nicht ver­bor­gen hielt, wenn auch mit Kri­tik zurückhielt.

Unter die­sem Blick­win­kel ist die Ent­las­sung von Kar­di­nal Mül­ler ein auto­ri­tä­rer Akt, mit dem Papst Berg­o­glio offen jenen Teil von kon­ser­va­ti­ven Kar­di­nä­len her­aus­for­dert, dem der Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on bekannt­lich nahe­steht. Fran­zis­kus ist mit Macht, aber auch Geschick­lich­keit vor­ge­gan­gen. Zunächst schuf er rund um Mül­ler ver­brann­te Erde, indem er ihm drei sei­ner treue­sten Mit­ar­bei­ter ent­ließ. Dann wieg­te er ihn bis zum Schluß im Glau­ben, ohne je siche­re Zusa­gen zu machen, ihn im Amt zu ver­län­gern. Am Ende ersetz­te er ihn nicht mit einem Ver­tre­ter des radi­ka­len Pro­gres­sis­mus wie den Rek­tor der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en, Msgr. Vic­tor Manu­el Fernán­dez, oder dem Son­der­se­kre­tär der Syn­ode, Msgr. Bru­no For­te. Der Aus­er­wähl­te ist Erz­bi­schof Luis Fran­cis­co Lada­ria Fer­rer, ein Jesu­it, der bis­her Sekre­tär der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on war. Die­se Ent­schei­dung soll die Kon­ser­va­ti­ven in Sicher­heit wie­gen und zugleich auf dem fal­schen Fuß erwi­schen. Was eini­ge von ihnen näm­lich nicht ver­ste­hen: Wor­auf es Papst Fran­zis­kus ankommt, ist nicht die Ideo­lo­gie sei­ner Mit­ar­bei­ter, son­dern die Treue gegen­über sei­nem Plan einer „unum­kehr­ba­ren Reform“ der Kirche.

Daher ist weni­ger von einem Sieg von Papst Fran­zis­kus zu spre­chen, son­dern vor allem von einer Nie­der­la­ge der Kon­ser­va­ti­ven. Kar­di­nal Mül­ler teil­te die Linie von Papst Fran­zis­kus nicht und war geneigt, öffent­lich und direkt eine Gegen­po­si­ti­on ein­zu­neh­men. Die ihn umge­ben­de kon­ser­va­ti­ve Grup­pe war jedoch der Mei­nung, es sei wich­ti­ger, zu schwei­gen und den Posten zu behal­ten, als zu reden und ihn zu ver­lie­ren. Der Prä­fekt folg­te die­ser ver­brei­te­ten Mei­nung und hielt sich weit­ge­hend bedeckt. In einem Inter­view mit dem Monats­ma­ga­zin Il Timo­ne sag­te er: „Amo­ris lae­ti­tia ist natür­lich im Licht der gan­zen Leh­re der Kir­che zu inter­pre­tie­ren. […] Es gefällt mir nicht, es ist nicht kor­rekt, wenn vie­le Bischö­fe Amo­ris lae­ti­tia auf ihre eige­ne Wei­se, so wie sie die Leh­re des Pap­stes ver­ste­hen, inter­pre­tie­ren“. Zugleich sprach er sich in einer ande­ren Erklä­rung gegen die „Ver­öf­fent­li­chung“ der Dubia (Zwei­fel) der vier Kar­di­nä­le aus. Sei­ne Ent­las­sung konn­te er damit den­noch nicht verhindern.

Die Zurück­hal­tung stellt in der Stra­te­gie man­cher Kon­ser­va­ti­ver das klei­ne­re Übel dar gegen­über dem grö­ße­ren Übel, den Posten zu ver­lie­ren, der dann von den Geg­nern ein­ge­nom­men wer­den könn­te. Die­se Stra­te­gie, zumin­dest die eige­nen Stel­lun­gen zu hal­ten, funk­tio­niert mit Papst Fran­zis­kus aber nicht. Was ist näm­lich das Ergeb­nis der gan­zen Sache? Kar­di­nal Mül­ler hat eine kost­ba­re Gele­gen­heit ver­spielt, Amo­ris lae­ti­tia öffent­lich und ein­deu­tig zu kri­ti­sie­ren, denn am Ende wur­de er den­noch ent­las­sen, und das ganz ohne die sonst übli­che Vorankündigung.

Es stimmt, wie Mar­co Tosat­ti anmerkt, daß Mül­ler nun frei­er ist, sei­ne Mei­nung zu sagen. Selbst wenn er das tun soll­te, ist er jetzt nur mehr ein früh­pen­sio­nier­ter Kar­di­nal und nicht mehr der Prä­fekt des wich­tig­sten Dik­aste­ri­ums der Römi­schen Kurie. Die Unter­stüt­zung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on für die vier Kar­di­nä­le der Dubia, die ihren Weg fort­set­zen, wäre für jene ver­nich­tend gewe­sen, die heu­te die Revo­lu­ti­on in der Kir­che anfüh­ren. Papst Fran­zis­kus ist es gelun­gen, dies zu ver­mei­den. Die Leh­re aus der Geschich­te ist: Wer nicht kämpft, um nicht zu ver­lie­ren, erlei­det trotz Nach­ge­ben den­noch eine Niederlage.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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