Regensburger Domspatzen: Der Bericht und die „Zufälle“ namens Ratzinger und Müller


Regensburger Domspatzen: Ein Bericht und die "Zufälle"
Regensburger Domspatzen: Ein Bericht und die "Zufälle"

(Regens­burg) „Was für Zufäl­le“ bei der Unter­su­chung von Miß­bräu­chen bei den Regens­bur­ger Dom­spat­zen, schrieb der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti nach Bekannt­wer­den des Abschluß­be­rich­tes. An „Zufäl­le“ glau­be er nicht, so Tosat­ti, schon gar nicht, wenn sie sie sich in einem „so prä­zi­sen und über jeden Ver­dacht erha­be­nen Land wie Deutsch­land“ zutra­gen. Die­ser Gedan­ke befiel den Vati­ka­ni­sten, als er gestern lesen muß­te, daß „end­lich“ der Abschluß­be­richt über Miß­brauchs­fäl­le bei den Regens­bur­ger Dom­spat­zen ver­öf­fent­licht wurde.

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Der ORF und zahl­rei­che ande­re Medi­en titel­ten gestern „547 Kin­der bei Regens­bur­ger Dom­spat­zen miss­braucht“. Das Verb „miß­brau­chen“ läßt zusam­men­zucken und an sexu­el­len Miß­brauch von Min­der­jäh­ri­ger den­ken. Ein Schelm wer denkt, beim ORF hät­te man nicht genau das beab­sich­tigt. Ein Blick in den Arti­kel zeigt dann, daß es sich bei fast 90 Pro­zent der Fäl­len um phy­si­sche Züch­ti­gung han­del­te, wie sie in dem unter­such­ten Zeit­raum seit Kriegs­en­de zu den gän­gi­gen Erzie­hungs­me­tho­den gehör­te. Das Bei­spiel zeigt, mit wel­chem Genuß „Qua­li­täts­me­di­en“, die sich der­zeit vehe­ment als Ver­tei­di­ger des Jour­na­lis­mus gegen Ver­brei­tung von „Fake News“ prä­sen­tie­ren, Res­sen­ti­ments, in die­sem Fall gegen die Kir­che, schü­ren. Noch im Jahr zuvor hat­te der­sel­be ORF im Zusam­men­hang mit den Regens­bur­ger Dom­spat­zen das Verb „miß­han­deln“ ver­wen­det, wie es Der Spie­gel auch gestern tat. Der „Hund“ liegt in die­sem Fall – wie so oft – in den gro­ßen Pres­se­agen­tu­ren begra­ben. Sie geben Linie und Wör­ter vor, die von den ande­ren Medi­en über­nom­men wer­den. Stut­zi­ger macht, und dar­um geht es Tosat­ti, der den ORF-Bericht nicht erwähnt, daß die­ser – um beim Bei­spiel zu blei­ben – von der Redak­ti­on „Reli­gi­on“ stammt. Das spä­te­stens läßt erah­nen, daß es in der Sache auch um Kir­chen­po­li­tik geht.

Der am Mon­tag „end­lich“ vor­ge­stell­te Abschluß­be­richt spricht von 547 Fäl­len im Zeit­raum von einem hal­ben Jahr­hun­dert, von denen „zum Glück oder Gott sei Dank, ‚nur‘ 67 sexu­el­len Miß­brauch betref­fen“, so Tosat­ti. Der Rest betrifft Erzie­hungs­me­tho­den, die sei­ner­zeit besten­falls von weni­gen Eltern miß­bil­ligt wurden.

Schwer­wie­gen­der sind die sexu­el­len Miß­brauchs­fäl­le. „Die deut­sche Kir­che hat gut dar­an getan, sie mit einer Unter­su­chung durch einen exter­nen Ver­ant­wort­li­chen auf­zu­ar­bei­ten.“ 48 Opfer wur­den aus­fin­dig gemacht. Die bei­den Haupt­ver­ant­wort­li­chen sind seit etwa 30 Jah­ren tot, wes­halb eine Straf­ver­fol­gung unmög­lich ist. Sie wäre wegen Ver­jäh­rung inzwi­schen ohne­hin nicht mehr mög­lich. Die Opfer erhal­ten eine Ent­schä­di­gung von jeweils 20.000 Euro.

Zufall Ratzinger

„An die­ser Stel­le begin­nen die Zufäl­le“, so Tosat­ti. Das „Schick­sal“ habe es so gewollt, daß der Abschluß­be­richt Georg Ratz­in­ger, den älte­ren Bru­der von Joseph Ratz­in­ger in die Sache hin­ein­zieht, der von 1964–1994 30 Jah­re lang musi­ka­li­scher Lei­ter der Regens­bur­ger Dom­spat­zen war. Vor sie­ben Jah­ren sag­te er in einem Inter­view, in den ersten Jah­ren sei­ner dama­li­gen Funk­ti­on auch eini­ge Ohr­fei­gen aus­ge­teilt zu haben. Wer damals jung war, weiß aus eige­ner Erfah­rung oder zumin­dest Beob­ach­tung, daß Kopf­nüs­se und Ohr­fei­gen in den 50er und frü­hen 60er Jah­ren kei­ne Sel­ten­heit waren. „Wenn ich etwas von dem Miß­brauch gewußt hät­te, hät­te ich etwas unter­nom­men“, sag­te Georg Ratz­in­ger damals. Und auch: „Ich ent­schul­di­ge mich bei den Opfern“. Er tat es auch aus Schmerz dar­über, daß der gute Ruf „sei­ner“ Dom­spat­zen durch die Taten ande­rer besu­delt wurde.

Auf der Pres­se­kon­fe­renz zur Vor­stel­lung des Abschluß­be­rich­tes trug der Rechts­an­walt Weber aller­dings dick auf. Er gab Georg Ratz­in­ger die Ver­ant­wor­tung, „die Augen ver­schlos­sen“ und nichts unter­nom­men zu haben. Ist Georg Ratz­in­ger, dem im Bericht kein Vor­wurf gemacht wird, selbst an Miß­hand­lun­gen oder sogar an Miß­brauch betei­ligt gewe­sen zu sein, nur der Ersatz­an­ge­klag­te, weil die wirk­li­chen Täter längst tot sind? Oder wird ihm eine Ver­ant­wor­tung des­halb zuge­schrie­ben, weil er Ratz­in­ger heißt, und weil sein bekann­te­rer Bru­der Ober­haupt der katho­li­schen Kir­che war und für nicht weni­ge Katho­li­ken irgend­wie noch immer ist? Wur­de mit dem Sei­ten­hieb nur um Medi­en­auf­merk­sam­keit gebuhlt, die prompt gewährt wur­de, oder brach ein­mal mehr jener tief­deut­sche Anti-Ratz­in­ger-Reflex durch?

An kei­nen „Zufall“ glaubt jeden­falls Tosat­ti und zwar wegen des zeit­li­chen Zusam­men­fal­lens mit der Bot­schaft von Bene­dikt XVI. zum Begräb­nis von Kar­di­nal Joa­chim Meis­ner. Die­se Bot­schaft wur­de als Kri­tik am Zustand der Kir­che und an den Hir­ten gele­sen, die nicht gegen die Dik­ta­tur des Zeit­gei­stes kämp­fen, unter der die deut­sche Kir­che stöhnt.

Zufall Müller

„Dann ist da auch noch Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler“, so Tosat­ti, der im Abschluß­be­richt eben­falls erwähnt wird. Mül­ler war vor sei­ner Ernen­nung zum Glau­bens­prä­fek­ten Bischof von Regens­burg. Der Bericht kri­ti­siert, wie er den „Fall“ der Regens­bur­ger Dom­spat­zen gehand­habt habe. Vor allem wird ihm man­geln­der Dia­log mit den mut­maß­li­chen Opfern vor­ge­wor­fen. Dazu Tosatti:

„Armer Mül­ler! Es genüg­te nicht der Tritt in den Hin­tern durch den Papst, und nach den ersten Bauch­schmer­zen (sie­he das Inter­view mit der Pas­sau­er Neu­en Pres­se) so tun zu müs­sen, als sei nichts gewe­sen und als wol­le ihm der Papst nur Gutes. Nun kam auch noch die­se sym­pa­thi­sche Klei­nig­keit durch sein hei­mat­li­ches Deutsch­land dazu, wo er bekannt­lich unter sei­nen Mit­brü­dern ja aus­ge­spro­chen beliebt ist.“

Wer den Scha­den hat, braucht sich um den Spott nicht sor­gen, sagt ein deut­sches Sprich­wort. Im Fall von Kar­di­nal Mül­ler fehlt es offen­bar nicht an inner- und außer­kirch­li­chen Lands­leu­ten, die dar­auf bren­nen, ihm ihre Miß­bil­li­gung kund­zu­tun. Und wer am Boden liegt, auf den tritt es sich beson­ders leicht. Im kon­kre­ten Fall schei­nen man­che dar­an inter­es­siert, daß der Kar­di­nal mög­lichst nicht mehr auf­steht. Die­se Genug­tu­ung wird er ihnen nicht geben, wes­halb er zumin­dest nach Kräf­ten geschwächt wer­den soll.

Zugleich mit der Vor­stel­lung des Berichts wur­de in Rom die Ernen­nung des neu­en Sekre­tärs der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on bekannt­ge­ge­ben. Dazu Tosatti:

„Ernannt wur­de, nicht wie erwar­tet, der bei­geord­ne­te Sekre­tär, Kuri­en­erz­bi­schof Ago­sti­no DiNoia, son­dern der Unter­se­kre­tär, Msgr. Gia­co­mo Moran­di, der Mann, der vor andert­halb Jah­ren in der Ratz­in­ger- und Mül­ler-Kon­gre­ga­ti­on pla­ziert wur­de. Eine ziem­lich schnel­le Kar­rie­re. Er ist wirk­lich unter einem guten Stern gebo­ren. Jenem von Benia­mi­no [Stel­la, zu deutsch Stern], dem Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on und gro­ßen Kuri­en­re­gis­seur des Pap­stes. Alles nur Zufälle.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: ORF (Screen­shot)

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18 Kommentare

  1. Wer hier irgend­wann ein­mal den Namen Ger­hard Lud­wig Kar­di­nal Mül­ler ins Gespräch bringt begeht den Straf­tat­be­stand nach §187 StGB Ver­leum­dung und nach CIC c.220 den kano­ni­schen Straf­tat­be­stand des Angriffs auf den Guten Ruf: „Nemi­ni licet bonam famam, qua quis gau­det, ille­gi­ti­me lae­de­re, nec ius cui­us­que per­so­nae ad pro­pri­am inti­mitatem tuen­dam violare.“.
    Seit 1991 liegt der Fall der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on vor und Der dama­li­ge Kar­di­nal­prä­fekt Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger hat die­sen Fall aus Befan­gen­heit an das Bis­tum Regens­burg zurück­ge­wie­sen, wo von 1982 bis 2002 MANFRED (ich schrei­be groß, damit man den Unter­schied regi­striert!) Mül­ler im Amt war. Die­ser hat sich tat­säch­lich durch weit­ge­hen­de Untä­tig­keit einen Namen gemacht.
    Als Ger­hard Lud­wig Mül­ler zum Bischof von Regens­burg gewählt wor­den ist, hat­te die­ser erheb­li­che Schwie­rig­kei­ten mit den ver­filz­ten diö­ze­sa­nen Struk­tu­ren, die haupt­säch­lich durch Lai­en geprägt waren, die „Barm­her­zig­keit“ mit Ver­tu­schung ver­wech­selt hat­ten. Jeg­li­che Anfra­ge von Mül­ler an den Diö­ze­san­rat nach Miß­stän­den blieb bis 2005 unbeantwortet.
    Im wei­te­ren Ver­lauf starb Papst Johan­nes Paul II und Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger wur­de am 19 April 2005 Papst Bene­dikt. Eine der ersten Amts­hand­lun­gen war, daß er den Fall „Pas­ser Ratis­bo­ni­en­sis“ an die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on zurück­ver­wie­sen hat, da sobald ein kano­ni­sches Ver­fah­ren gegen einen päpst­li­chen Prä­la­ten eröff­net wird, die Zustän­dig­keit beim Hei­li­gen Stuhl liegt (vgl c. 1449 CIC), und zwar bei der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on im fal­le nach den Fäl­len von Kin­des­miß­brauch (Johan­nes Paul PP. Motu Pro­prio „Sacra­men­torum sanc­ti­ta­tis tutela“ von 2001.) Ver­wie­sen soll­te hier auf den Arti­kel von N. Lüdecke „Sexu­el­ler Miß­brauch von Kin­dern und Jugend­li­chen aus kir­chen­recht­li­cher Sicht – https://​mthz​.ub​.lmu​.de/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​/​M​T​h​Z​/​a​r​t​i​c​l​e​/​v​i​e​w​F​i​l​e​/​4​6​0​5​/​2​964 – von 2011 werden.
    Wie sooft: „Die Ver­leum­dung ist wie ein Lüftchen!“

  2. Natür­lich soll ein­mal mehr die kon­ser­va­ti­ve katho­li­sche Kir­che beschä­digt wer­den, indi­rekt auch Papst Bene­dikt, über sei­nen Bru­der Georg Ratz­in­ger als ehe­ma­li­gen Dom­ka­pell­mei­ster, der für 547 „Gewalt­op­fer“ (da haben sie aber genau gezählt!) bei den Regens­bur­ger Dom­spat­zen mit­ant­wort­lich gemacht wer­den soll.

    Jedes „Opfer“ soll mit „bis zu 20.000 Euro“ ent­schä­digt wer­den. Da wird man doch ger­ne mal ein Opfer und kas­siert für eine Watschn (für die, die das nicht ken­nen: das ist eine Ohr­fei­ge), die es wahr­schein­lich damals ab und zu gege­ben hat, eine ordent­li­che Summe.

    Die mei­sten Ohr­fei­gen damals gab es übri­gens zu recht. Ich habe auch wäh­rend mei­ner Schul­zeit mal eine Ohr­fei­ge und ein­mal den Hin­tern ver­sohlt bekom­men. Ich habe das als gerecht emp­fun­den und kla­ge jetzt nicht gegen mei­ne dama­li­gen Lehrer.

    Ich habe übri­gens in der Ver­wandt­schaft jeman­den, der selbst bei den Regens­bur­ger Dom­spat­zen gesun­gen hat. Die Fami­lie ist stolz dar­auf. Vor­wür­fe jed­we­der Art hat man nicht gehört.

    • Sie,@churchwatching, unter­stel­len in Ihrem Bei­trag hier also, dass sich ehe­ma­li­ge Dom­spat­zen-Chor­kna­ben wegen win­ken­der finan­zi­el­ler Ent­schä­di­gun­gen sei­tens des Bis­tums Regens­burg als Opfer mel­den wür­den, wobei Sie den Opfer­sta­tus offen­sicht­lich anzwei­feln und rela­ti­vie­ren, indem Sie den Begriff Opfer in Anfüh­rungs­stri­che setzen.

      Zudem sug­ge­rie­ren Sie eine zu Unrecht erfolg­te Dra­ma­ti­sie­rung der im Inter­nat statt­ge­fun­de­nen Ereig­nis­se durch den jetzt vor­ge­stell­ten Abschluss­be­richt; es sei­en doch größ­ten­teils nur ein­fa­che Ohr­fei­gen gewe­sen, die ja oft wie ja auch bei Ihnen selbst wohl auch berech­tigt gewe­sen sei­en u.s.w.

      Das ist echt unterirdisch!

      • In einer Zeit, in der das Geld solch eine gro­ße Rol­le spielt, ist es da nicht denk­bar, dass mora­lisch nicht so gefe­stig­te Men­schen in Ver­su­chung gera­ten, sich in die Rei­he der wirk­lich bedau­erns­wer­ten Opfer ein­zu­glie­dern, um abzukassieren?

  3. Ein Wort zu den „soge­nann­ten Miss­hand­lun­gen“. Ohr­fei­gen und Stock­schlae­ge (ger­ne auf die Hand ), Raus­knien waren in Bay­ern an Schu­len legi­ti­me Erzie­hungs­mass­nah­men. Ich bin auch in den Genuss von „Datzen„gekommen. Ich habe mich nie als miss­han­delt betrach­tet. Auch in Nie­der­sach­sen waren bis Anfang der sieb­zi­ger Jah­re Schlä­ge in päd­ago­gi­schen Ein­rich­tun­gen zulässig.

    • Habe in Nie­der­sach­sen bis 1972 manch­mal etwas auf die Flos­se bekom­men, mit dem Lineal.
      Hat kei­nen von uns gestört, es war ja gerecht. Wir wuss­ten ja, was wir aus­ge­fres­sen hatten.

    • Seit der Schul­re­form (ich glau­be 1972) sind Schlä­ge als Erzie­hungs­maß­nah­me nicht mehr zuläs­sig. Davor wohl­ge­merkt schon. Man sieht wie­der mal, es geht nur gegen die Kirche. 

      Zurück zur Schu­le: Seit etwa 45 jah­ren darf an Schu­len nicht mehr kör­per­lich gezüch­tigt wer­den. Was hat­ten wir damals für Zustän­de an den Schu­len? Was haben wir heu­te für Zustän­de an vie­len Schulen?

      Auch mei­ne Eltern hat­ten uns gezüch­tigt. Wir wuss­ten jedoch immer, war­um! wir den Hin­tern (mit einem Stock) ver­sohlt bekom­men haben. Es hat kräf­tig aber kurz weh­ge­tan und gut wars.
      Iro­nie ein- Falls jetzt einer hier in die­sem Forum meint, ich hät­te eine all­zu kran­ke Vor­stel­lung einer guten Erzie­hung, dem sei gesagt: „Ich kann nichts dafür, denn ich bin seit jenen Tagen trau­ma­ti­siert“ ‑Iro­nie aus.

  4. 1966 habe ich als Mäd­chen mit 16 Jah­ren mei­ne letz­te leich­te Ohr­fei­ge von mei­nem Vater bekom­men; fand ich völ­lig gerecht. Ich hat­te mei­ne eher weni­gen leich­ten Ohr­fei­gen zu Recht erhal­ten und habe mich nie miß­han­delt gefühlt.
    Ich den­ke, man hat leich­te kör­per­li­che Stra­fen ver­teu­felt, weil
    1. nicht mehr gewollt ist, dass die Kin­der erzo­gen wer­den und
    2. um die natür­li­che Aut­ho­ri­tät der Eltern zu schwächen.
    Kei­ne gerech­te und leich­te Ohr­fei­ge scha­det den Kin­dern, wie die völ­lig lieb­lo­se ohr­fei­gen­lo­se Ver­nach­läs­si­gung der Kin­der in der anti­aut­ho­ri­tä­ren „Erzie­hung“.

    • Hal­ten wir uns doch ein­mal an den berich­te­ten Zah­len: Im Unter­su­chungs­zeit­raum von 1945 – 1995 wur­den von den im Bericht fest­ge­stell­ten 547 Miss­brauchs­fäl­len 67 (muss wohl hei­ßen 47) der Kate­go­rie „sexu­el­ler Miss­brauch“ und 500 der Kate­go­rie „Kör­per­li­cher Miss­brauch“ zuge­schrie­ben. Da sich letz­te­re im öffent­li­chen Raum des Klas­sen­zim­mers zuge­tra­gen haben dürf­ten, muss es sich um Kopf­nüs­se, Haa­re­zie­hen, Ohr­fei­gen und der­glei­chen gehan­delt haben, nicht jedoch um „gerichts­mae­ssi­ge“ Prü­gel der schlim­me­ren Sor­te. Das sind in 50 Jah­ren zehn Fäl­le pro Jahr. Neh­men wir eine Schü­ler­stär­ke in Grund­schu­le und Gym­na­si­um der Dom­spat­zen von geschätz­ten 500 Schü­lern an, konn­te ein Schü­ler mit einer durch­schnitt­li­chen Wahr­schein­lich­keit von 2% mit einem „kör­per­li­chen Miss­brauch“ pro Jahr rech­nen. Was Münch­ner Mer­kur und Bayern5 dar­aus machen, muss man gele­sen und gehört haben.

  5. 1) Sowohl in der aktu­el­len SZ als auch in der aktu­el­len FAZ wird man mit der sen­sa­ti­ons­er­hei­schen­den Zahl von 547 Opfern kon­fron­tiert. Unfai­rer­wei­se wer­den da ein­fach die vie­len kör­per­lich gezüch­tig­ten Jun­gen zusam­men mit den weni­gen sexu­ell miß­brauch­ten in einen Topf gewor­fen, um beim Leser einen ganz bestimm­ten Ein­druck zu erwecken.

    2) Nicht in Schutz zu neh­men hin­ge­gen soll­te man Äuße­run­gen, die die kor­per­li­chen Züch­ti­gun­gen ver­harm­lo­sen nach dem Mot­to eine Ohr­fei­ge hat noch kei­nem gescha­det oder mit dem Argu­ment, daß frü­her halt nun mal kör­per­li­che Stra­fen als berech­tig­tes Erzie­hungs­mit­tel ange­se­hen wur­den, denn dabei wird unzu­läs­si­ger­wei­se ausgeblendet:

    a) Was den Unter­richt in den staat­li­chen Gym­na­si­en nach 1945 angeht, so wur­de hier eben damals schon auf kör­per­li­che Stra­fen ver­zich­te, in den Bil­dungs-und Erzie­hungs­ein­rich­tun­gen, die unter kirch­li­cher Lei­tung ste­hen, hät­te sich das tau­send­mal mehr gehört.
    b) 1934 wur­de Don Bos­co hei­lig­ge­spro­chen, und es hät­te sicher allen, die nach 1945 an der Erzie­hung und Bil­dung der Dom­spat­zen betei­ligt waren, gut ange­stan­den, sich an ihm ein Bei­spiel zu nehmen:

    Der hl. Don Bos­co: „Kör­per­li­che Züch­ti­gun­gen, wel­cher Art sie auch sei­en … sind streng­stens ver­pönt, weil sie die Kin­der rei­zen und den Erzie­her selbst ernied­ri­gen.“ (Don Bos­co lehnt die vor­wie­gend stra­fend-unter­drücken­de Metho­de, die Repres­siv-Metho­de, ab und ent­wickelt sei­ne vor­beu­gen­de Metho­de, die Prä­ven­tiv­me­tho­de. In den 1076 Nie­der­las­sun­gen der Sale­sia­ner wird mit gro­ßem Erfolg nach die­ser Metho­de erzogen.

    • Untime­ly! Sie sagen: „Was den Unter­richt in den staat­li­chen Gym­na­si­en nach 1945 angeht, so wur­de hier eben damals schon auf kör­per­li­che Stra­fen verzichtet“.
      Das kann ich für Bay­ern nicht bestä­ti­gen. Hier erfolg­te die­ser „Ver­zicht“ erst 1980, als staat­li­cher­seits die kör­per­li­che Züch­ti­gung ver­bo­ten wor­den ist. Bis dahin war es nach mei­ner Erfah­rung hier auch mög­lich, die­se Art von Stra­fe nicht nur gegen Dis­zi­plin­lo­sig­kei­ten ein­zu­set­zen, son­der auch bei licht­sinns­be­ding­ten Fehl­lei­stun­gen im rein Schulischen.
      So war es bei einem anson­sten sehr belieb­ten Leh­rer der 3. Grund­schul­klas­se üblich, Dik­ta­te nach Her­aus­ga­be von der Tafel ins Schön­schreib­heft zu über­tra­gen. Jeder Feh­ler, der da noch unter­lief, wur­de mit einer saf­ti­gen „Tat­ze“ auf die Hand­flä­che geahn­det – offen­sicht­lich in einer Adap­ti­on der Lehr­me­tho­de nach dem Ame­ri­ka­ner Skin­ner, der nach­ge­wie­sen hat­te, dass Schmerz­er­fah­run­gen den Lern­pro­zess auch bei Men­schen nach­hal­tig beschleu­nig­ten. Von einem Kna­ben wird berich­tet, er habe ein­mal 14 Tat­zen zu gewär­ti­gen gehabt, 7 abwech­selnd auf jede Innen­hand­flä­che. Da such­te er Rat bei Älte­ren. Als er als letz­ter am näch­ste Tag an der Rei­he war, platz­ten sei­ne bei­den Hand­bal­len schon nach den ersten zwei Schlä­gen und die rest­li­chen 12 wur­den ihm erlas­sen. Er hat­te sich auf Anra­ten ehe­mals Betrof­fe­ner die Hand­bal­len mit dem Saft von Zwie­beln tüch­tig ein­ge­rie­ben und so „auf­ge­spannt“. Ab die­sem Zeit­punkt soll der Leh­rer auf die­se „Lehr­me­tho­de“ bei allen ver­zich­tet haben.

    • @Untimely

      In der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land liegt die Kul­tur­ho­heit bei den Bun­des­län­dern. Daher ist genau zu prü­fen, was in dem jewei­li­gen Bun­des­land zu dem Zeit­punkt galt.

      Zitat Wiki­pe­dia Lem­ma Köperstrafe:
      „Jedoch erklär­te noch 1979 das Baye­ri­sche Ober­ste Lan­des­ge­richt, dass im Gebiet des Frei­staa­tes Bay­ern „ein gewohn­heits­recht­li­ches Züch­ti­gungs­recht“ für Leh­rer an Volks­schu­len bestehe. 1980 wur­de die Prü­gel­stra­fe an Schu­len auch in Bay­ern abgeschafft.“

      Die kirch­li­chen Inter­nats­schu­len in Bay­ern haben/​hatten des­halb einen guten Ruf, weil sie tra­di­tio­nell geführt wur­den und als Eli­te­schu­len gal­ten. Und nicht jeden päd­ago­gi­schen Blöd­sinn mit­mach­ten, wie zB die Ganz­heits­me­tho­de Lesen, die die Grund­schul­kin­dern dem Analpha­be­tis­mus näher brach­ten als der Lese- und Schreibkompetenz.

      Ich habe mehr­fach in Unter­hal­tun­gen gehört, daß Jahr­gän­ge 1940–1950 berich­te­ten, daß wenn sie in der Schu­le gezüch­tigt wor­den waren, wenn sie es zuhau­se berich­tet hät­ten, dort die zwei­te Tracht Prü­gel von den Eltern bekom­men hät­ten. Insti­tu­tio­nel­le Kri­tik wird aber nur an der Kir­che geäu­ßert, was schlicht ver­lo­gen ist.

      Ich kom­me aus Hes­sen, wo die rot-grü­ne Lan­des­re­gie­rung mehr­fach die Zwangs­ge­samt­schu­le ein­füh­ren woll­te (und des­we­gen 2mal abge­wählt wur­de). Es ist ein gän­gi­ges Wort, daß hoch­ran­gi­ge hes­si­sche Genos­sen ihre Kin­der auf Inter­na­te in Bay­ern geschickt haben, damit sie eine geschei­te Bil­dung bekom­men anstatt die, die die Eltern für die ande­ren Kin­dern erzwin­gen wollen.

      • Im Zusam­men­hang mit der Erzie­hung und Bil­dung der Dom­spat­zen auf baye­ri­sche Geset­ze hin­zu­wei­sen, die bis 1980 kör­per­li­che Stra­fen erlaub­ten, ist abwe­gig, denn:

        1) Die­se betra­fen nur die Volks­schu­len, in denen Leh­rer damals bis zu 60 oder 70 Schü­ler (oft auch noch ver­schie­de­ne Jahr­gän­ge in einem Klas­sen­zim­mer und „Son­der­schü­ler“) unter­rich­ten muß­ten. Den­noch gab es auch damals schon Volks­schul­leh­rer, denen nie die Hand aus­rutsch­te, weil sie eine natür­li­che Auto­ri­tät aus­strahl­ten. Und es gab ihren Beruf ver­fehlt haben­de Sadi­sten, die mehr prü­gel­ten als unterrichteten.

        2) In die staat­li­chen Gym­na­si­en kamen in Bay­ern damals nur die besten 5% eines Jahr­gangs, denn es gab stren­ge Auf­nah­me­prü­fun­gen. Gym­na­si­al­leh­rer hat­ten es – auch wenn es sich um schwa­che Per­sön­lich­kei­ten han­del­te – gar nicht nötig zu prü­geln, denn jeder Schü­ler woll­te ja damals das im Gegen­satz zu heu­te äußerst anspruchs­vol­le Abitur schaffen.

        2) Was nun die unter kirch­li­cher Lei­tung ste­hen­de Erzie­hung und Bil­dung der Dom­spat­zen angeht, so ist es eine Schan­de, daß das kirch­li­che Lehr­per­so­nal (das es übri­gens ja nur mit begab­ten Schü­lern aus christ­li­chen Fami­li­en zu tun hat­te) sich weder vom welt­li­chen nicht­prü­geln­den Lehr­per­so­nal der staat­li­chen Gym­na­si­en bein­drucken ließ … noch von der Päd­ago­gik des 1934 hei­lig­ge­spro­che­nen Don Bosco: 

        Kin­der zum Schö­nen, Wah­ren, Guten, Hei­li­gen, (wie bei einer Zwangs­tau­fe) hin­prü­geln? Als ob die­se Wer­te, wenn sie über­zeu­gend (!) reprä­sen­tiert und prä­sen­tiert wer­den, nicht ganz von selbst ein­la­dend und unwi­der­steh­lich auf Kin­der wir­ken würden!

  6. Es war von Anfang an klar, dass es nur dar­um ging, mög­lichst viel „Abfin­dung“ zu erpres­sen. Ein fai­re Unter­su­chung, die den unter­such­ten Gegen­stand in sei­ne Zeit setzt, war zu kei­nem Zeit­punkt zu erwarten

  7. „Georg Ratz­in­ger, dem im Bericht kein Vor­wurf gemacht wird, selbst an Mißhandlungen.…beteiligt gewe­sen zu sein“. Die­se Aus­sa­ge stimmt nicht! Sie haben offen­sicht­lich nicht den Bericht gele­sen oder ver­schwei­gen bewusst unge­heu­er­li­che Stel­len. S.379 im Bericht! Anbei der link auf den Bericht. Auch S. 212–218 ist zu nen­nen. http://​uw​-recht​.org/​f​i​l​e​a​d​m​i​n​/​u​s​e​r​_​u​p​l​o​a​d​/​A​b​s​c​h​l​u​s​s​b​e​r​i​c​h​t​_​D​o​m​s​p​a​t​z​e​n​.​pdf

    • @ Mos­kopp
      Der Schü­ler, der auf S.379 berich­tet, hat­te eine gene­rel­le Abnei­gung gegen Fleisch. Das war wohl all­ge­mein bekannt, sonst hät­te Direk­tor M. nicht gera­den ihn beob­ach­tet. Wie der Ver­lauf der anschlie­ßen­den Aus­ein­an­der­set­zung wirk­lich gewe­sen ist, könn­ten nur wei­te­re Zeu­gen ( biblisch min­de­stens zwei) erhärten. 

      Der Berichts­text lau­tet jeden­falls wie folgt:
      „Es war ein beson­de­res Pri­vi­leg. Die Vor­schü­ler durf­ten zusam­men mit dem bereits damals inter­na­tio­nal renom­mier­ten Haupt­chor eine drei­tä­gi­ge Kon­zert­rei­se per Son­der­zug nach Gar­misch-Par­ten­kir­chen, ins Klo­ster Ettal und auf die Zug­spit­ze unter­neh­men. Wir logier­ten in der Jugend­her­ber­ge in Far­chant vor Gar­misch. In die­ser Her­ber­ge gab es als Haupt­ge­richt Schwei­ne­bra­ten. Ich stopf­te das Fleisch, wie gewohnt, heim­lich in die Hosen­ta­sche um es spä­ter zu ent­sor­gen. Dabei wur­de ich von [Direk­tor] M. beobachtet. 

      Er sprang auf und kam dro­hend vom Leh­rer­tisch zu mir her. Dann schleif­te er mich an den Haa­ren zu sei­nem Ess­tisch zurück und hob mich an den Haa­ren hoch, dass ich über dem Boden schweb­te. Anschlie­ßend schlug er mich wie beses­sen, wo immer er mich tref­fen konn­te, bis er nach wohl einem Dut­zend Schlä­gen erschöpft auf­hör­te. Im gro­ßen Spei­se­saal war es totenstill.

      R. saß dane­ben und das Bild hat sich in mein Gehirn ein­ge­gra­ben wie schlecht ver­heil­te Nar­ben in einem jugend­li­chen Kör­per. Er lach­te. Er hät­te die Auto­ri­tät gehabt, sei­nem Kol­le­gen Ein­halt zu gebie­ten. Es war min­de­stens Feig­heit, wohl eher bewuss­tes kum­pel­haf­tes Ein­ver­neh­men. Jetzt zu behaup­ten in der ein­zi­gen Filia­le der Dom­spat­zen sei­en über zwei, drei Jahr­zehn­te Din­ge gesche­hen, die ihm ‚nicht bekannt‘ waren, ist eine Ver­höh­nung der dama­li­gen Schü­ler und Opfer“.

      Es liegt mir fern, etwas zu beschö­ni­gen, den­noch hal­te ich den Bericht, der aus der Per­spek­ti­ve des erwach­se­nen Opfers erstellt wor­den ist, für inter​es​sens​ge​lei​tet​.Er ist nach dem Grund­satz der poli­ti­schen Rhe­to­rik geschrie­ben wor­den: Auf­wer­tung der eige­nen Per­son (Ich-Beri­st­er­stat­ter) – Abwer­tung des Geg­ners (Direk­tor M, beson­ders Georg Ratz­in­ger) – Gewin­nung von Unschlüs­si­gen (Leser des Berichts).

      Der Ansatz mei­nes Miss­trau­ens besteht in Fol­gen­dem: Ich hal­te es für unmög­lich dass ein Mann einen etwa 25 kg schwe­ren Kna­ben an den Haa­ren hoch­he­ben kann, dass er über dem „Boden schwebt“. Dazu fehl­ten dem Herrn Direk­tor mit höch­ster Wahr­schein­lich­keit Halt und Kraft. Selbst wenn er über bei­des ver­fügt hät­te, hät­te ihn sein Selbst­schutz­ge­fühl abge­hal­ten, denn das hät­te den Tod des Kna­ben durch Hals­wir­bel­bruch bedeu­ten können.

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