Frankreichs Bischöfe loben Simone Veil als „ganz Große“


Simone Veil 1974 vor der französischen Nationalversammlung, als sie ihr Abtreibungsgesetz vorlegte.
Simone Veil 1974 vor der französischen Nationalversammlung, als sie ihr Abtreibungsgesetz vorlegte.

(Paris) Ver­gan­ge­nen Frei­tag, dem 30. Juni, ist Simo­ne Veil kurz vor ihrem 90. Geburts­tag ver­stor­ben. Sprach­los hin­ter­läßt eine Twit­ter-Bot­schaft der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz zu ihrem Tod, in der sie sinn­ge­mäß als „ganz Gro­ße“ gelobt wird.

Brillante politische Karriere

Veil 2008
Veil 2008
Anzei­ge

Simo­ne Veil beklei­de­te höch­ste poli­ti­sche Ämter. Sie war fran­zö­si­sche Gesund­heits­mi­ni­ste­rin (1974–1979 und 1993–1995, die­ses Mal unter dem sozia­li­sti­schen Staats­prä­si­den­ten Mit­te­rand) und erste Prä­si­den­tin des ersten direkt gewähl­ten Euro­päi­schen Par­la­ments (1979–1982) . Vor allem aber war sie die erste Frau in die­sem Amt. 1982 wur­de sie mit dem Karls­preis der Stadt Aachen geehrt. Von 1984–1989 war sie Vor­sit­zen­de der libe­ra­len Frak­ti­on im Euro­päi­schen Par­la­ment und von 1998–2007 Mit­glied des fran­zö­si­schen Ver­fas­sungs­ge­richts­ho­fes. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis: Seit 2012 gehört sie der libe­ra­len Par­tei Uni­on des démo­cra­tes et indé­pen­dants (UDI) an, die auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne in den USA mit der Demo­kra­ti­schen Par­tei kooperiert.

Veil, 1927 als Toch­ter jüdi­scher Eltern, des Archi­tek­ten André Jacob und von Yvonne Stein­metz, in Niz­za gebo­ren, wur­de im März 1944 ins KZ Ausch­witz ver­schleppt. Ihre Mut­ter über­leb­te die Haft nicht. Sie selbst wur­de bis in die 80er Jah­re in Daten­ban­ken eben­falls unter den Holo­caust-Toten geführt. In Wirk­lich­keit hat­te sie den Natio­nal­so­zia­lis­mus über­lebt und nach dem Krieg in Paris Rechts­wis­sen­schaf­ten stu­diert. Seit 1957 arbei­te­te sie im fran­zö­si­schen Justiz­mi­ni­ste­ri­um und wur­de 1974 in der Regie­rung von Pre­mier­mi­ni­ster Jac­ques Chi­rac selbst Justiz­mi­ni­ste­rin. Als sol­che setz­te sie das berüch­tig­te fran­zö­si­sche Abtrei­bungs­ge­setz durch, das von ihr aus­ge­ar­bei­tet wor­den war.

Die Loi Veil

Das fran­zö­si­sche Par­la­ment stimm­te am 29. Novem­ber 1974 um 3.40 Uhr mor­gens für die Loi Veil. Ent­schei­dend für die Annah­me waren die Stim­men der lin­ken Oppo­si­ti­on. 1973 hat­te die bür­ger­li­che Alli­anz aus Gaul­li­sten. Christ­de­mo­kra­ten und Libe­ra­len die Par­la­ments­wah­len gewon­nen, im Mai 1974 auch die Prä­si­dent­schafts­wah­len. Staats­prä­si­dent wur­de der Libe­ra­le Gis­card d’Estaing. Die von Fran­çois Mit­ter­rand ange­führt Links­al­li­anz aus Sozia­li­sten, Kom­mu­ni­sten und Links­li­be­ra­len hat­te eine dop­pel­te Nie­der­la­ge erlit­ten und befand sich in der Oppo­si­ti­on. Bei der Abstim­mung über Simo­ne Veils Abtrei­bungs­ge­setz wur­de jedoch – wie nun im Deut­schen Bun­des­tag bei der Abstim­mung über die „Homo-Ehe“ – der Frak­ti­ons­zwang auf­ge­ho­ben. Die bür­ger­li­che Prä­si­den­ten­mehr­heit ver­füg­te im Par­la­ment über eine sat­te Mehr­heit von 302 von 490 Man­da­ten. Die Libe­ra­len, denen Veil ange­hör­te, woll­te aber mit nicht gerin­ge­rer Vehe­menz die Lega­li­sie­rung der Tötung unge­bo­re­ner Kin­der als die poli­ti­sche Lin­ke. Die Links­op­po­si­ti­on, die geschlos­sen für die Abtrei­bung stimm­te, und ein Drit­tel der bür­ger­li­chen Regie­rungs­ko­ali­ti­on schu­fen ad hoc eine anson­sten nicht exi­stie­ren­de Par­la­ments­mehr­heit. Simo­ne Veil wur­de zum inter­na­tio­nal von Lin­ken und Libe­ra­len gefei­er­ten Vor­bild des Feminismus.

Am 17. Janu­ar 1975 trat das Abtrei­bungs­ge­setz in Kraft und wur­de zum größ­ten Mas­sen­grab der gesam­ten fran­zö­si­schen Geschich­te. Laut den Histo­ri­cal abor­ti­on sta­tis­tics – France von Robert John­s­ton, die sich auf amt­li­che Anga­ben stützt, fie­len Veils Tötungs­ge­setz bereits 1975 33.454 unge­bo­re­ne Kin­der zum Opfer. Ins­ge­samt for­der­te das fran­zö­si­sche Abtrei­bungs­ge­setz laut offi­zi­el­len Anga­ben bis­her fast 7.500.000 Todes­op­fer. Die Zahl der jähr­lich getö­te­ten Kin­der wird von den zustän­di­gen Behör­den mit mehr als 200.000 angegeben.

Am 3. März 1975, kurz nach dem Inkraft­tre­ten des Geset­zes, sag­te Simo­ne Veil dem Times-Maga­zin:

„Mit einer Geset­zes­än­de­rung ist es grund­sätz­lich mög­lich, das mensch­li­che Ver­hal­tens­mo­dell zu ver­än­dern. Das fin­de ich faszinierend.“

Heu­te prak­ti­zie­ren mehr als 95 Pro­zent der fran­zö­si­schen Gynä­ko­lo­gen die Abtrei­bung oder sind bereit dazu. Weni­ger als fünf Pro­zent machen von einem ein­ge­schränk­ten Recht auf Ver­wei­ge­rung aus Gewis­sens­grün­den Gebrauch. Ein sol­ches steht nur Ärz­ten zu, aber bei­spiels­wei­se nicht Apo­the­kern (Pil­le danach usw.). Wer aus Gewis­sens­grün­den ver­wei­gert, hat beruf­lich schwe­re Nach­tei­le zu ertra­gen. Er wird bei der Stel­len­ver­ga­be kon­se­quent benach­tei­ligt. Die Chan­cen auf eine Stel­le als Pri­mar sin­ken auf Null.

Unverständliche Worte der Bischöfe

Tweet der französischen Bischöfe
Tweet der fran­zö­si­schen Bischöfe

Ange­sichts der gigan­ti­schen Blut­spur, die Simo­ne Veil durch ihr Abtrei­bungs­ge­setz ver­schul­det hat, von dem sie sich nie distan­zier­te, son­dern das sie bis zuletzt ver­tei­dig­te und sich dafür fei­ern ließ, ist die Twit­ter-Bot­schaft der fran­zö­si­schen Bischö­fe ein unver­ständ­li­cher Skan­dal. Der fran­zö­si­schen Abtrei­bungs­po­li­ti­ke­rin par excel­lence wur­de kri­tik­los Weih­rauch gestreut. Die Abtrei­bungs­op­fer, die fast 7,5 Mil­lio­nen unschul­di­gen, unge­bo­re­nen Kin­der (in Wirk­lich­keit sind es wahr­schein­lich noch mehr), die Veils Gesetz zum Opfer gefal­len sind, wur­den mit kei­nem Wort erwähnt. Die Bischö­fe ver­hal­ten sich damit nicht anders als die Abtrei­bungs­ideo­lo­gen. Die unge­bo­re­nen Kin­der wer­den aus­ge­blen­det. Sie gibt es ein­fach nicht. Sie müs­sen ent­mensch­licht und ver­ding­licht wer­den, um sie ohne Rebel­li­on des Gewis­sens besei­ti­gen zu können.

Wört­lich schrie­ben die Bischöfe:

„Wir grü­ßen Ihre Grö­ße als Staats­frau, ihren Wil­len, für ein brü­der­li­ches Euro­pa zu kämp­fen, ihre Über­zeu­gung, daß Abtrei­bung ein Dra­ma ist.“

Mau­ro Faver­za­ni schrieb in der Cor­ri­spon­den­za Roma­na: „Die Vor­stel­lung ist ein­fach para­dox, zu mei­nen, daß jemand, der alles dar­an setz­te, die Abtrei­bung zu lega­li­sie­ren und zu libe­ra­li­sie­ren, sie wirk­lich so sehen könn­te“, wie die Bischö­fe es nun behaup­tet haben.

Die­se ver­zerr­te Wie­der­ga­be der blu­ti­gen Wirk­lich­keit durch die Bischö­fe ver­wun­dert aber nicht wirk­lich. Als Simo­ne Veil im Novem­ber 2008 mit 22 von 29 Stim­men zur Vor­sit­zen­den der 1634 gegrün­de­ten Aca­dé­mie fran­çai­se gewählt wur­de, war von der katho­li­schen Hier­ar­chie kein Wort der Miß­bil­li­gung, nicht ein­mal ein Zei­chen der Empö­rung zu vernehmen.

„Veil bleibt unsterblich“ – Auszeichnung vom Großorient von Frankreich

Frank­reichs sozia­li­sti­scher Staats­prä­si­dent Emma­nu­el Macron ver­öf­fent­lich­te zu Veils Tod eine lan­ge Stel­lung­nah­me. Dar­in schrieb er:

„Das trau­ern­de Frank­reich bringt Madame Simo­ne Veil sei­ne Dank­bar­keit zum Ausdruck.“

Der ehe­ma­li­ge Staats­prä­si­dent Nico­las Sar­ko­zy, ein Ver­tre­ter der bür­ger­li­chen Les Répu­bli­cains, erklärte:

„Simo­ne Veil bleibt unsterblich.“

Ihre „Unsterb­lich­keit“ kostet jähr­lich mehr als 200.000 Kin­dern das Leben.

Simone Veil
Simo­ne Veil

Simo­ne Veil ließ sich bis zuletzt für ihr „Lebens­werk“ fei­ern, des­sen ein­zi­ge wirk­li­che „Lei­stung“, die sie inter­na­tio­nal bekannt mach­te, das Abtrei­bungs­ge­setz war. Dafür wur­de sie am 8. April 2016 vom Groß­ori­ent von Frank­reich, der größ­ten und in Frank­reich sehr mäch­ti­gen Frei­mau­rer-Obö­di­enz geehrt. Groß­mei­ster Dani­el Kel­ler per­sön­lich über­reich­te in Anwe­sen­heit von Senats­prä­si­dent Gerard Lar­cher die „Mari­an­ne“ von Jac­ques France an Jean und Pierre-Fran­çois Veil, zwei Söh­ne, die für Simo­ne Veil die Ehrung entgegennahmen.

Groß­mei­ster Kel­ler sag­te bei die­ser Gele­gen­heit, daß die Ver­lei­hung der Mari­an­ne „ein Zeug­nis der Ver­bun­den­heit und der Aner­ken­nung des Groß­ori­ents von Frank­reich für Simo­ne Veil, unse­re Schwe­ster von Her­zen, ist“. Kel­ler lob­te Veils „repu­bli­ka­ni­schen Akti­vis­mus“ und ihren „Kampf für die Frau­en­eman­zi­pa­ti­on, die Toch­ter der Lai­zi­tät, die den Kern des frei­mau­re­ri­schen Wir­kens bil­det“. Zudem pries er ihr Abtrei­bungs­ge­setz als

„Sym­bol jener Ver­bes­se­rung des Men­schen und der Gesell­schaft, an der die Frei­mau­rer arbei­ten: Die­ses Gesetz bleibt ein Pfei­ler unse­rer Gesellschaft.“

Die Nach­rich­ten­agen­tur Médi­as-Pres­se-Info schrieb dazu:

„Jeden Tag in Frank­reich Hun­der­te von Kin­der im Leib ihrer Müt­ter zu töten, stellt also ein Pfei­ler der Gesell­schaft dar, wie sie die frei­mau­re­ri­sche Sek­te will.“

„Dennoch blieb die Kirche stumm“ – Parallele zum Fall Emma Bonino

Mau­ro Faver­za­ni schrieb zum Ver­hal­ten der katho­li­schen Bischöfe:

„Den­noch blieb die fran­zö­si­sche Kir­che stumm, immer, und glänz­te nur durch ihre Stumm­heit. Erst anläß­lich von Simo­ne Veils Tod mach­te sie – lei­der – den Mund auf.“

Der Fall Veil erin­nert an den Fall Bonino. Emma Boni­no, wie Veil aus gut­bür­ger­li­chem Haus, ange­trie­ben von einer radi­kal­li­be­ra­len Gesin­nung, wur­de zur zen­tra­len Gestalt bei der Durch­set­zung des Abtrei­bungs­ge­set­zes in Ita­li­en. Wie Veil wur­de sie Mini­ste­rin und mit höch­sten Ämtern auf euro­päi­scher Ebe­ne geehrt. Anfang Febru­ar 2016 lob­te Papst Fran­zis­kus Emma Boni­no als „ganz Gro­ße[1]Cor­rie­re del­la Sera vom 8. Febru­ar 2016: Die­ses Lob äußer­te Papst Fran­zis­kus gegen­über dem Chef­re­dak­teur des Cor­rie­re del­la Sera, den er zusam­men mit einem wei­te­ren Jour­na­li­sten der ange­se­hen­sten … Con­ti­n­ue rea­ding Das­sel­be Lob spra­chen nun Frank­reichs Bischö­fe für Simo­ne Veil aus.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Corrispodenza Romana

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1 Cor­rie­re del­la Sera vom 8. Febru­ar 2016: Die­ses Lob äußer­te Papst Fran­zis­kus gegen­über dem Chef­re­dak­teur des Cor­rie­re del­la Sera, den er zusam­men mit einem wei­te­ren Jour­na­li­sten der ange­se­hen­sten Tages­zei­tung Ita­li­ens für ein Inter­view in Audi­enz emp­fan­gen hatte.
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3 Kommentare

  1. Bischö­fe, die so etwas loben, sind sicher kei­ne Bischö­fe der katho­li­schen Kir­che, son­dern von der Frei­mau­re­rei unter die­sem Deck­man­tel ein­ge­schleu­ste Agen­ten. Der Skan­dal ist, dass das gläu­bi­ge Volk in gro­sser Nai­vi­tät dies nicht erken­nen will.

  2. Kein Wun­der, daß nie­mand mehr die katho­li­sche Hier­ar­chie ernstnimmt.
    Wenn man der­art krie­che­risch sei­ne größ­ten Fein­de lobt, hat kei­ner mehr Respekt vor einem. Respekt ist aber die Vor­aus­set­zung dafür, daß einem auch die Geg­ner zuhören.

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