Benedikt XVI.: „Kirche bedarf dringend überzeugender Hirten, die der Diktatur des Zeitgeistes widerstehen“


Requiem für Joachim Kardinal Meisner mit Grußwort von Benedikt XVI.
Requiem für Joachim Kardinal Meisner mit Grußwort von Benedikt XVI.

Der vor­ma­li­ge Papst Bene­dikt XVI. über­mit­tel­te ein Gruß­wort, das beim Requi­em für den ver­stor­be­nen Kar­di­nal Jochim Meis­ner am ver­gan­ge­nen Sams­tag von Kuri­en­erz­bi­schof Georg Gäns­wein im Köl­ner Dom ver­le­sen wur­de und im Umfeld von Papst Fran­zis­kus hef­ti­ge Reak­tio­nen aus­lö­ste. Der Text ist ein zeit­hi­sto­ri­sches Doku­ment von beson­de­rer Bedeu­tung, wes­halb er voll­in­halt­lich doku­men­tiert wird, wie er vom Pres­se­dienst des Erz­bis­tums Köln ver­öf­fent­licht wur­de. Bene­dikt XVI. hat das Gruß­wort weni­ge Tage nach dem Tod des eme­ri­tier­ten Köl­ner Erz­bi­schofs geschrieben.

Grußwort des emeritierten Papstes Benedikt XVI.
in der Beisetzungsfeier von  Kardinal Joachim Meisner
am  15.07.2017

Anzei­ge

Vati­kan­stadt
11. 7. 2017

In die­ser Stun­de, in der die Kir­che von Köln und gläu­bi­ge Men­schen weit dar­über hin­aus Abschied neh­men von Kar­di­nal Joa­chim Meis­ner, bin auch ich in mei­nem Her­zen und mei­nen Gedan­ken bei Ihnen und fol­ge des­halb gern dem Wunsch von Kar­di­nal Woel­ki, ein Wort des Geden­kens an Sie zu rich­ten. Als ich ver­gan­ge­nen Mitt­woch durch ein Tele­fo­nat den Tod von Kar­di­nal Meis­ner erfuhr, woll­te ich es zunächst nicht glau­ben. Am Tag zuvor hat­ten wir noch über das Tele­fon mit­ein­an­der gespro­chen. Aus sei­ner Stim­me klang die Dank­bar­keit dafür, dass er nun im Urlaub ange­langt war, nach­dem er am Sonn­tag zuvor noch an der Selig­spre­chung von Bischof Teofi­li­us Matu­lio­nis in Vil­ni­us teil­ge­nom­men hat­te. Die Lie­be zu der Kir­che in Nach­bar­län­dern im Osten, die unter der kom­mu­ni­sti­schen Ver­fol­gung gelit­ten hat­ten, wie die Dank­bar­keit für das Stand­hal­ten in den Lei­den jener Zeit hat ihn zeit­le­bens geprägt. Und so ist es wohl doch kein Zufall, dass der letz­te Besuch in sei­nem Leben einem der Beken­ner des Glau­bens in jenen Län­dern gegol­ten hat.

Was mich in den letz­ten Gesprä­chen mit dem heim­ge­gan­ge­nen Kar­di­nal beson­ders beein­druckt hat, das war die gelö­ste Hei­ter­keit, die inne­re Freu­de und die Zuver­sicht, zu der er gefun­den hat­te. Wir wis­sen, dass es ihm, dem lei­den­schaft­li­chen Hir­ten und Seel­sor­ger, schwer­fiel, sein Amt zu las­sen, und dies gera­de in einer Zeit, in der die Kir­che beson­ders drin­gend über­zeu­gen­der Hir­ten bedarf, die der Dik­ta­tur des Zeit­gei­stes wider­ste­hen und ganz ent­schie­den aus dem Glau­ben leben und denken.

Aber umso mehr hat es mich bewegt, dass er in die­ser letz­ten Peri­ode sei­nes Lebens los­zu­las­sen gelernt hat und immer mehr aus der tie­fen Gewiss­heit leb­te, dass der Herr sei­ne Kir­che nicht ver­lässt, auch wenn manch­mal das Boot schon fast zum Ken­tern ange­füllt ist.

Zwei Din­ge haben ihn in der letz­ten Zeit immer mehr froh und gewiss wer­den lassen:

  • Zum einen hat er mir immer wie­der berich­tet, wie es ihn mit tie­fer Freu­de erfüllt, im Buß­sa­kra­ment zu erle­ben, wie gera­de jun­ge Men­schen, vor allem auch jun­ge Män­ner, die Gna­de der Ver­ge­bung erle­ben, das Geschenk, wirk­lich das Leben gefun­den zu haben, das ihnen nur Gott geben kann.
  • Das ande­re, das ihn immer wie­der neu berührt und freu­dig gestimmt hat, war das lei­se Wach­sen der eucha­ri­sti­schen Anbe­tung. Beim Welt­ju­gend­tag in Köln war ihm dies ein zen­tra­ler Punkt: Dass es die Anbe­tung gebe, eine Stil­le, in der nur der Herr zu den Men­schen und zu den Her­zen spricht. Man­che Exper­ten der Pasto­ral und der Lit­ur­gie waren der Mei­nung, dass sich eine sol­che Stil­le im Hin­schau­en auf den Herrn bei einer so rie­si­gen Anzahl von Men­schen nicht errei­chen las­se. Eini­ge waren wohl auch der Mei­nung, eucha­ri­sti­sche Anbe­tung sei als sol­che über­holt, da ja der Herr im eucha­ri­sti­schen Brot emp­fan­gen und nicht ange­schaut wer­den wol­le. Aber dass man die­ses Brot nicht essen kann wie irgend­wel­che Nah­rungs­mit­tel und dass den Herrn im eucha­ri­sti­schen Sakra­ment zu emp­fan­gen alle Dimen­sio­nen unse­rer Exi­stenz ein­for­dert, dass Emp­fan­gen Anbe­ten sein muss, ist inzwi­schen doch wie­der sehr deut­lich gewor­den. So ist die Wei­le der eucha­ri­sti­schen Anbe­tung beim Köl­ner Welt­ju­gend­tag zu einem inne­ren Ereig­nis gewor­den, das nicht nur dem Kar­di­nal unver­gess­lich blieb. Die­ser Augen­blick war ihm seit­her immer inwen­dig gegen­wär­tig und ein gro­ßes Licht für ihn selbst.

Als an sei­nem letz­ten Mor­gen Kar­di­nal Meis­ner nicht zur Mes­se erschien, wur­de er in sei­nem Zim­mer tot auf­ge­fun­den. Das Bre­vier war sei­nen Hän­den ent­glit­ten. Er war betend gestor­ben, im Blick auf den Herrn, im Gespräch mit dem Herrn. Die Art des Ster­bens, die ihm geschenkt wur­de, zeigt noch ein­mal auf, wie er gelebt hat: im Blick auf den Herrn und im Gespräch mit ihm. So dür­fen wir sei­ne See­le getrost der Güte Got­tes anempfehlen.

Herr, wir dan­ken dir für das Zeug­nis dei­nes Die­ners Joa­chim. Lass ihn nun Für­bit­ter für die Kir­che in Köln und auf dem gan­zen Erden­rund sein. Requiescat in pace!

(gez. Bene­dikt XVI.)

Bild: MiL (Screen­shot)

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5 Kommentare

  1. Dan­ke für die­se Wor­te, Papst Bene­dikt. Die weni­gen Sät­ze, die der Papst heu­te noch der Welt­öf­fent­lich­keit mit­teilt, haben eine spür­ba­re Tie­fe und eine unge­heu­re Festig­keit, die all das Geschwa­fel von Herrn Berg­o­glio im Win­de ver­flie­gen lässt.

    • Man könn­te über Ihren Bei­trag schon von hei­li­ger Wut ergrif­fen wer­den, wenn das nicht schon ein Wider­spruch in sich wäre.

      Ist es eigent­lich katho­lisch, über das Ober­haupt der römi­schen Kir­che zu sagen, er „schwa­felt“, und gleich­zei­tig dem eme­ri­tier­ten Papst die Unfehl­bar­keit zuzu­spre­chen? Nach mei­nem Ver­ständ­nis ist in unse­rer Kir­che immer noch viel zu wenig die­ser „Amo­ris Lae­ti­tia“ zu spüren.

      Wenn Papst Fran­zis­kus über­haupt Kri­tik ver­dient, dann weil er nicht den Mut hat, noch deut­li­che­re Schrit­te zu gehen. Immer noch zu vie­le Ver­ant­wort­li­che haben mehr die Macht und Dis­zi­pli­nie­rung ihrer „Unter­ge­be­nen“ im Kopf als Näch­sten­lie­be oder Moral – aber nicht im Sin­ne z.B. von Moral­theo­lo­gen, die ger­ne lie­ber Gott spie­len und katho­li­schen Chri­sten die Kom­mu­ni­on ver­wei­gern wol­len, weil sie nichts ande­res „ver­bro­chen“ haben, als einen Men­schen zu lie­ben. Die barm­her­zig sind, wenn ein Kir­chen­mann Kin­der geschla­gen oder miss­braucht hat, aber jeman­den dau­er­haft der Sün­de bezich­ti­gen, der nicht in ihr men­schen­un­wür­di­ges Welt­bild passt.

      Anstatt sich mit Kar­di­nal Meiss­ner zu soli­da­ri­sie­ren, hät­te Bene­dikt (Herr Ratz­in­ger, um bei Ihrem Stil zu beliebn), bes­ser sei­nem Bru­der Georg recht­zei­tig „die Levi­ten“ gele­sen. Damit hät­te er der Chri­sten­heit bestimmt einen grö­ße­ren Dienst erwie­sen. Oder er hät­te so einen Mann wie Ger­hard Mül­ler erst gar nicht in so eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Posi­ti­on wie der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on gebracht, nach­dem er schon in sei­ner Diö­ze­se so jäm­mer­lich ver­sagt hat.

      • Viel­leicht ist das Wort „Geschwa­fel“ für Papst Fran­zis­kus noch sehr mil­de aus­ge­drückt. Es wird doch immer kla­rer, daß der jet­zi­ge Amts­in­ha­ber alles unter­nimmt, um das, was Jesus Chri­stus gelehrt hat und die rk Kir­che in Sei­nem Sin­ne über­lie­fert – dazu ist sie ja von unse­rem Herrn gegrün­det wor­den -, außer Kraft zu setzen.

        Ich kann Sie nicht so recht ver­ste­hen, daß Sie nicht ein wenig wenig­stens sich mit der Lage der Kir­che und der Welt, wie sie der­zeit sich gibt, auseinandersetzen.

        Jesus Chri­stus selbst hat die 10 Gebo­te bestä­tigt: das Gebot der Got­tes­lie­be und das Gebot der Näch­sten­lie­be sind die Zusam­men­fas­sung der 10 Gebo­te. Bei den wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen geht es ja dar­um, daß sich die­se in einer schwe­ren Sün­de befin­den und des­halb nicht zur hei­li­gen Kom­mu­ni­on dür­fen. Ein wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner ver­letzt das 6. und 9. Gebot (6. Gebot: „Du sollst nicht ehe­bre­chen!“; 9. Gebot: „Du sollst nicht begeh­ren Dei­nes Näch­sten Frau“!). Kein Papst hat das Recht, das von Jesus Chri­stus Ange­ord­ne­te – Sei­ne Geset­ze – zu miss­ach­ten und außer Kraft zu set­zen. Aber gera­de das macht P. F. mit „Amo­ris lae­ti­tia“. Die Päp­ste sind „nur“ die Stell­ver­tre­ter unse­res Herrn hier auf Erden, oder, wenn Sie so wol­len, Sei­ne Sach­wal­ter. Die rk Kir­che ist eine gött­li­che Einrichtung/​Gründung und kein mensch­li­cher „Gesel­len­ver­ein“.

        Die 10 Gebo­te ste­hen im Buch Exodus (Ex 20) und Deu­te­ro­no­mi­um (da weiß ich das Kapi­tel gera­de nicht aus­wen­dig). Wei­ter­hin ist das 8. Kapi­tel des Johan­nes­evan­ge­li­ums (Geschich­te mit der Ehe­bre­che­rin) von Bedeu­tung. Dort sagt am Ende Jesus Chri­stus zur Ehe­bre­che­rin: „Auch ich ver­ur­tei­le Dich nicht! Gehe hin und sün­di­ge von nun an nicht mehr!“ Dar­über soll­ten Sie bit­te nachdenken/​meditieren.

        Es wäre schön, wenn P. F. barm­her­zig wäre, aber wenn ich an die Fran­zis­ka­ner der Imma­cu­la­ta, die Mal­te­ser und vor allem auch an die vier Dubia-Kar­di­nä­le den­ke, kann ich nicht erken­nen, daß dem so ist. Ich hege kei­nen Groll gegen den jet­zi­gen Papst, aber ich kann ihm nicht zustim­men und muß ihm ganz ener­gisch wider­spre­chen in Bezug auf AL und vie­les ande­re mehr, was er ent­schei­det oder sagt. Den­noch bete ich selbst­ver­ständ­lich auch für den jet­zi­gen Papst.

  2. In Bezug auf den drin­gen­den Bedarf an über­zeu­gen­den Hir­ten ist des hei­li­gen Pap­stes Gre­gor I., des Gro­ßen, „Liber regu­lae pasto­ra­lis“ oder ein­fach „Regu­la pasto­ra­lis“ lesens­wert, vor allem für Prie­ster­amts­kan­di­da­ten, aber auch schon geweih­te Prie­ster (einschl. Bischö­fe, Kar­di­nä­le,…). Die Petrus­bru­der­schaft hat die­se mal vor eini­gen weni­gen Jah­ren neu her­aus­ge­ge­ben. Im Inter­net ist die­se wohl auch zu fin­den. Auch die „Vier Bücher der Dia­lo­ge“ des glei­chen Pap­stes sind lesens- und nach­den­kens­wert. Zu fin­den auf: https://​www​.unifr​.ch/​b​kv/.

    Es ist mir schon ein­leuch­tend, daß es von den wenig­sten Geist­li­chen gele­sen wird; aber auch Lai­en kön­nen von bei­den Wer­ken die­ses gro­ßen Pap­stes Nut­zen dar­aus zie­hen für ihr per­sön­li­ches Leben.

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