„Wir sind inmitten einer Glaubenskrise“ – Das vollständige Interview von Don Nicola Bux


Don Nicola Bux: Gehorsam gegenüber dem Papst besteht nur, solange er die Glaubenslehre bewahrt.
Don Nicola Bux: Gehorsam gegenüber dem Papst besteht nur, solange er die Glaubenslehre bewahrt.

(Rom) Der voll­stän­di­ge Wort­laut des Inter­views mit dem bekann­ten Lit­ur­gi­ker und Ver­trau­ten von Bene­dikt XVI., Don Nico­la Bux. Es wur­de vom Vati­ka­ni­sten Edward Pen­tin unmit­tel­bar geführt, nach­dem bekannt gewor­den war, daß Papst Fran­zis­kus den Vier Kar­di­nä­len der Dubia (Zwei­fel) zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia eine Audi­enz ver­wei­gert. Fran­zis­kus wei­gert sich nicht nur seit neun Mona­ten, auf die Fra­gen die­ser Kar­di­nä­le zu ant­wor­ten, son­dern ver­wei­gert ihnen jede Form von Dia­log. Das Inter­view mit Don Nico­la Bux wur­de am 21. Juni vom Natio­nal Catho­lic Regi­ster in den USA veröffentlicht.

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Edward Pen­tin: Wel­che Aus­wir­kun­gen hat die „dok­tri­nel­le Anar­chie“ für die Kir­che und vor allem für die Gläu­bi­gen und die Priester?

Don Nico­la Bux: Die erste Aus­wir­kung der dok­tri­nel­len Anar­chie für die Kir­che ist die Spal­tung auf­grund der Apo­sta­sie, die ein Auf­ge­ben des katho­li­schen Den­kens ist, wie es vom hei­li­gen Vin­zenz von Lérins defi­niert wur­de: quod sem­per, quod ubi­que, quod ab omni­bus cre­dit­ur (was über­all, was immer, was von allen geglaubt wur­de). Der hei­li­ge Ire­nä­us von Lyon, der Jesus Chri­stus als „Lehr­mei­ster der Ein­heit“ bezeich­net, hat­te den Häre­ti­kern ent­ge­gen­ge­hal­ten, daß alle das­sel­be beken­nen, aber nicht alle das­sel­be mei­nen. Das ist die Auf­ga­be des Lehr­am­tes, gegrün­det auf die Wahr­heit Chri­sti: alle zur katho­li­schen Ein­heit zurück­zu­füh­ren. Der hei­li­ge Pau­lus for­der­te die Chri­sten auf, ein­träch­tig zu sein und ein­mü­tig zu reden: Was wür­de er wohl heu­te sagen?
Wenn die Kar­di­nä­le schwei­gen oder die Mit­brü­der ankla­gen; wenn die Bischö­fe, die auf katho­li­sche Wei­se gedacht, gespro­chen und geschrie­ben haben – scripta manent! –, aus wel­chem Grund auch immer das Gegen­teil sagen; wenn die Prie­ster gegen die lit­ur­gi­sche Tra­di­ti­on der Kir­che auf­be­geh­ren, dann zeich­net sich die Apo­sta­sie ab, das Abwen­den vom katho­li­schen Den­ken. Paul VI. hat­te vor­her­ge­se­hen, daß „die­ses nicht-katho­li­sche Den­ken inner­halb der Katho­li­zi­tät mor­gen das stärk­ste wird. Aber es wird nie das Den­ken der Kir­che reprä­sen­tie­ren. Es ist not­wen­dig, daß eine klei­ne Her­de fort­be­steht, wie klein sie auch sein mag“ (Gespräch mit J. Guit­ton, 9. Novem­ber 1977).

Edward Pen­tin: Wel­che Aus­wir­kun­gen hat die „dok­tri­nel­le Anar­chie“ für die See­len der Gläu­bi­gen und der Kirchenvertreter?

Don Nico­la Bux: Der Apo­stel ermahnt, der siche­ren, gesun­den und rei­nen Leh­re treu zu sein, jener, die auf Jesus Chri­stus gegrün­det ist, und nicht den welt­li­chen Mei­nun­gen (vgl. Tit 1,7–11; 2,1–8). Die Beharr­lich­keit in der Unter­wei­sung und im Gehor­sam gegen­über der Leh­re führt die See­len zum ewi­gen Heil. Die Kir­che kann nicht den Glau­ben ändern und zugleich von den Gläu­bi­gen ver­lan­gen, ihr treu zu blei­ben. Sie ist viel­mehr auf das Eng­ste dem Wort Got­tes und der Über­lie­fe­rung verpflichtet.
Die Kir­che erin­ne­re sich daher an das Urteil des Herrn: „Um zu rich­ten, bin ich in die­se Welt gekom­men: damit die Blin­den sehend und die Sehen­den blind wer­den“ (Joh 9,39). Sie darf nicht ver­ges­sen: Wenn ihr die Welt applau­diert, heißt das, daß sie die­ser ange­hört, denn die Welt liebt das Ihre und haßt, was nicht Ihres ist (vgl. Joh 15,18). Die katho­li­sche Kir­che hat sich immer dar­an zu erin­nern, daß sie nur aus jenen besteht, die sich unter der Füh­rung des Hei­li­gen Gei­stes zu Chri­stus bekehrt haben. Alle Men­schen sind ihr zuge­ord­net (vgl. Lumen gen­ti­um, 13), aber sie gehö­ren ihr nicht an, solan­ge sie sich nicht bekehren.

Edward Pen­tin: Wie kann das Pro­blem am besten gelöst werden?

Don Nico­la Bux: Der Punkt ist: Was für eine Vor­stel­lung hat der Papst vom Petrus­amt, wie es in Lumen gen­ti­um Nr. 18 beschrie­ben und im Kir­chen­recht fest­ge­schrie­ben ist? Ange­sichts der Ver­wir­rung und der Apo­sta­sie hät­te der Papst zu unter­schei­den – wie es Bene­dikt XVI. tat – zwi­schen dem, was er als Pri­vat­ge­lehr­ter denkt und gesagt hat, und dem, was er als Papst der katho­li­schen Kir­che zu sagen hat.
Damit es klar ist: Der Papst kann sei­ne Ideen zum Aus­druck brin­gen, als Pri­vat­ge­lehr­ter, zu den dis­ku­tier­ba­ren Ange­le­gen­hei­ten, die von der Kir­che nicht defi­niert sind,. Er kann nicht ein­mal als Pri­vat­ge­lehr­ter häre­ti­sche Behaup­tun­gen von sich geben, sonst wäre er eben­falls häre­tisch. Ich gehe davon aus, daß der Papst weiß, daß jeder Gläu­bi­ge – der die regu­la fidei oder Dog­ma kennt, die jedem das Kri­te­ri­um lie­fert, zu wis­sen, was der Glau­be der Kir­che ist, was jeder zu glau­ben hat und wem er Gehör zu schen­ken hat – fest­stel­len kann, ob er auf katho­li­sche Wei­se spricht und han­delt, oder ob er gegen den sen­sus fidei der Kir­che ver­stößt. Auch ein ein­zi­ger Gläu­bi­ger könn­te von ihm Rechen­schaft verlangen.
Also: Wer meint, daß es kein Zei­chen des Gehor­sams sei, dem Papst Zwei­fel vor­zu­le­gen, hat selbst 50 Jah­re nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil nicht das Ver­hält­nis ver­stan­den, das zwi­schen ihm und der gan­zen Kir­che besteht. Der Gehor­sam gegen­über dem Papst hängt ein­zig und allein dar­an, daß die­ser an die katho­li­sche Dok­trin gebun­den ist, an den Glau­ben, den er stän­dig vor der Kir­che beken­nen muß.
Wir befin­den uns inmit­ten einer Glau­bens­kri­se! Um die Spal­tung zu stop­pen, die im Gan­ge ist, hät­te der Papst – wie Paul VI. 1967 gegen die fal­schen Theo­rien, die sofort nach dem Ende des Kon­zils in Umlauf waren – eine Erklä­rung oder ein Glau­bens­be­kennt­nis abzu­ge­ben, mit dem er bekräf­tigt, was katho­lisch ist und jene zwei­deu­ti­gen und irri­gen Wor­te und Hand­lun­gen kor­ri­giert, sei­ne und der Bischö­fe, die im nicht-katho­li­schen Sinn inter­pre­tiert werden.
Es wäre ja gro­tesk, wenn man die Ein­heit mit den nicht-katho­li­schen Chri­sten oder sogar eine Ver­stän­di­gung mit den Nicht-Chri­sten sucht, aber zugleich inner­halb der katho­li­schen Kir­che die Apo­sta­sie und die Spal­tung för­dern wür­de. Für vie­le Katho­li­ken ist es unglaub­lich, daß der Papst die Bischö­fe auf­for­dert, mit den Anders­den­ken­den den Dia­log zu suchen, sich selbst aber wei­gert, sich mit den Kar­di­nä­len zu tref­fen, die sei­ne Haupt­be­ra­ter sind.
Wenn der Papst nicht die Glau­bens­leh­re bewahrt, kann er auch kei­ne Dis­zi­plin auf­er­le­gen. Wie Johan­nes Paul II. erin­ner­te, muß sich der Papst immer neu bekeh­ren, um sei­ne Brü­der gemäß den Wor­ten von Chri­stus an Petrus zu stär­ken: Et tu autem con­ver­sus, con­fir­ma fra­tres tuos.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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3 Kommentare

  1. Cor­rec­tio fra­ter­na, ad usum rec­tum inter­pre­ta­to­nis lin­guae Latinae in lin­gua Germanica:
    „quod sem­per, quod ubi­que, quod ab omni­bus cre­dit­ur“ (was über­all, was immer, was von allen geglaubt wur­de???) – was immer, was über­all und was von allen geglaubt wird!

  2. Ver­glei­chen wir das Ver­hal­ten des Stell­ver­tre­ters mit dem des Mei­sters. Jesus ließ die zwei Blin­den laut rufend hin­ter sich her­lau­fen, bis er zu Hau­se ankam, aber dann heil­te er sie (Mt 9,27–31). Jesus wim­mel­te schroff die heid­ni­sche Syro­phö­ni­zi­e­rin ab, aber dann erfüll­te er ihre Bit­te und heil­te ihre beses­se­ne Toch­ter (Mk 7,24–26; Mt 15,22–28). Der Herr rich­tet das Wort an den Gast, der ohne hoch­zeit­li­ches Gewand her­ein­ge­kom­men ist („Der aber schwieg“; Mt 22,11–14). Jesus fragt sogar den Ver­rä­ter: „Freund, wozu bist du gekom­men?“ (Mt 26,50). Kennt jemand einen Fall, wo Jesus das Gespräch ver­wei­gert? Mir fällt kei­ner ein, außer vor Hero­des, aber der such­te kein Gespräch, der hat­te die Wahr­heit zurück­ge­wie­sen, als er den Täu­fer ent­haup­ten ließ (vgl. Mt 7,6). – War­um ver­hält Papst Fran­zis­kus sich gegen die Dubia-Kar­di­nä­le so unglaub­lich abwei­send? Ist er hart­her­zig statt barm­her­zig? Zwei­fel­los gehört Här­te zu sei­nem Ver­hal­ten, aber der tie­fe­re Grund dürf­te sein: Jesu gan­zes Han­deln war um des Him­mel­rei­ches und Got­tes­rei­ches wil­len. Inwie­weit der Papst inner­lich m e i n t, auch im Sin­ne sei­nes Mei­sters zu han­deln, wer kann das beur­tei­len (vgl. dazu „Der Groß­in­qui­si­tor“ in Dosto­jew­skis „Die Brü­der Kara­ma­sow“)? Die Gesamt­heit sei­nes sicht­ba­ren Han­delns zeigt aber: der Papst führt ein welt­po­li­ti­sches Pro­gramm durch, und zwar zugun­sten eines NWO-ver­träg­li­chen Chri­sten­tums und einer Eine-Welt-Inter­re­li­gio­si­tät. Dabei stört Bin­dung an Dog­ma und Tra­di­ti­on grund­sätz­lich. Der Pro­zess ist welt­weit und auch in ande­ren Reli­gio­nen zu beob­ach­ten: Alte Ver­bin­dun­gen wer­den auf­ge­spal­ten, Dog­ma­tisch-Stö­ren­des wird abge­spal­ten, damit die frei­ge­wor­de­nen Ele­men­te sich mit den Ele­men­ten ande­rer auf­ge­spal­te­ner Ver­bin­dun­gen zur all­to­le­ran­ten Welt­re­li­gio­si­tät (kei­ne eige­ne Ein­heits­re­li­gi­on) ver­ei­ni­gen kön­nen. Das gan­ze erfolgt mög­lichst scho­nend und ver­schlei­ert, denn um sie sicher zum Ziel zu füh­ren, müs­sen die Reli­gi­ons­füh­rer die Mas­sen ihrer Gläu­bi­gen zusammenhalten.

    • Sehe ich ganz genau so! Fran­zis­kus weiß sehr wohl was er zu tun oder zu las­sen hat. Er über­lässt nichts dem Zufall! Jede klein­ste Äuße­rung und win­zi­ge Fuß­no­te hat ihren Sinn und ihre Bedeutung!

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