„‘na roba“, die Franziskaner der Immakulata und die neuen Schachzüge der Ordenskongregation


Das waren noch andere Zeiten, als Papst Benedikt XVI. es Pater Stefano Maria Manelli, dem Gründer und Generaloberen der Franziskaner der Immakulata, ermöglichte, in der Lateranbasilika, der "Mutter aller Kirchen", im überlieferten Ritus die Heilige Messe zu zelebrieren. Dann kam Papst Franziskus ...
Andere Zeiten: Papst Benedikt XVI. ermöglichte es, daß durch Pater Stefano Maria Manelli, dem Gründer und Generaloberen der Franziskaner der Immakulata, erstmals 2009 in der Lateranbasilika, der "Mutter aller Kirchen", das heilige Meßopfer wieder im überlieferten Ritus zelebriert werden konnte. Dann kam Franziskus ...

(Rom) Das Kal­va­ria von Pater Ste­fa­no Maria Manel­li, des Grün­ders und bis zur Abset­zung auch Gene­ral­obe­rer des Ordens der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta nimmt kein Ende. Seit Juli 2013 befin­det sich der jun­ge und bis dahin blü­hen­de Orden unter kom­mis­sa­ri­scher Ver­wal­tung der römi­schen Ordens­kon­gre­ga­ti­on. Obwohl seit­her vier Jah­re ver­gan­gen sind und bereits der zwei­te päpst­li­che Kom­mis­sar den ver­ord­ne­ten Abriß ver­wal­te­te, gibt es bis noch immer kei­ne offi­zi­el­le Begrün­dung für den schwer­wie­gen­den Ein­griff in den Orden. Nur hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand wur­de eine angeb­li­che „Lefeb­vria­ni­sche Abwei­chung“ behaup­tet, die dem Orden vor­ge­wor­fen wird. „Was heu­te etwas zum Lachen ein­lädt, da der Papst bereit ist, die Erben Mar­cel Lefeb­v­res mit einer Per­so­nal­prä­la­tur in der Kir­che will­kom­men zu hei­ßen“, wie der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti vor zwei Tagen anmerkte.

Der Kommissar und eine Verleumdungskampagne

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Tosat­ti sieht „von außen betrach­tet“, eine „Viel­zahl“ von Grün­den, die zur kom­mis­sa­ri­schen Ver­wal­tung des Ordens führ­ten: zunächst der Angriff gegen den Grün­der durch eine Grup­pe von „Jung­tür­ken“, die den Orden über­neh­men woll­ten, „einen der blü­hend­sten an Beru­fun­gen (heu­te müs­sen die Beru­fun­gen, ent­ge­gen den vati­ka­ni­schen Direk­ti­ven, die eine Aus­bil­dung vor Ort vor­se­hen, aus Nige­ria impor­tiert wer­den), dann aber auch das Ver­mö­gen, „‘na roba“, die „Sache“.

P. Fidenzio Volpi, päpstlicher Kommissar 2013-2015
P. Fidenzio Vol­pi, päpst­li­cher Kom­mis­sar 2013–2015

Was Tosat­ti nicht erwähnt, aber zu ergän­zen ist: Der Orden wech­sel­te mit Papst Fran­zis­kus und dem Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von der neu­en zur über­lie­fer­ten Form des Römi­schen Ritus und zog den­noch (oder gera­de des­halb) zahl­rei­che Beru­fun­gen an, wäh­rend die „moder­nen“, „welt­of­fe­nen“ Orden dane­ben ver­trock­nen. Bene­dikt XVI. hielt sei­ne schüt­zen­den Hand über die­sen in meh­rer­lei Hin­sicht außer­ge­wöhn­li­chen Fall im katho­li­schen Ordens­we­sen. Mit dem neu­en Papst setz­te die Zer­schla­gung des Ordens ein, der offen­bar vie­len ein Dorn im Auge war.

Die Annah­me der von Tosat­ti genann­ten Hin­ter­grün­de hel­fen jeden­falls dabei, die „wüten­de Ver­leum­dungs­kam­pa­gne“ zu ver­ste­hen, die wegen angeb­li­cher Miß­bräu­che“ gegen Schwe­stern des Ordens ent­fes­selt wur­de. Aus­gangs­punkt der Kam­pa­gne im Novem­ber 2015 war der Cor­rie­re del­la Sera, das Flagg­schiff der ita­lie­ni­schen °Qua­li­täts­pres­se“. Der angeb­li­che „Skan­dal“ führ­te zu Ermitt­lun­gen der Staats­an­walt­schaft, die ein Jahr spä­ter sang und klang­los archi­viert wur­den. Die Medi­en­be­haup­tun­gen erwie­sen sich als das, was man heu­te Fake News nen­nen würde.

„Aller­dings wer­den sie wahr­schein­lich für eini­ge Zei­tun­gen und Web­sei­ten ein Nach­spiel mit schwe­ren finan­zi­el­len Fol­gen haben, weil sie zivil­recht­lich von den Opfern mit hohen Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen kon­fron­tiert wer­den“, so Tosatti.

„‘na roba“

Hin­zu­kom­men die jüng­sten Aktio­nen der römi­schen Ordens­kon­gre­ga­ti­on. Dabei geht es nicht so sehr um den Kar­di­nal­prä­fek­ten, den Bra­si­lia­ner Joà£o Braz de Aviz, son­dern „um den Sekre­tär der Kon­gre­ga­ti­on, den Fran­zis­ka­ner José Rodri­guez Car­bal­lo, der über einen direk­ten Draht zum Papst ver­fügt“, so Tosatti.

Car­bal­lo ist eine der ersten Per­so­nal­ent­schei­dun­gen die­ses Pon­ti­fi­kats. Papst Fran­zis­kus ernann­te ihn am 6. April, kei­ne vier Wochen nach sei­ner Wahl, zum Sekre­tär der Ordens­kon­gre­ga­ti­on. Bis dahin war der Spa­ni­er Gene­ral­mi­ni­ster des Fran­zis­ka­ner­or­dens. Als sol­cher ist er direkt in den Finanz­skan­dal ver­wickelt, der im Dezem­ber 2014 explo­dier­te und die Gene­ral­lei­tung des Ordens an den Rand des Bank­rotts brach­te. Die Schwei­zer Staats­an­walt­schaft hat­te im Okto­ber 2014 Kon­ten des Fran­zis­ka­ner­or­dens wegen des Ver­dachts auf Geld­wä­sche beschlag­nahmt. Das Geld, meh­re­re Dut­zend Mil­lio­nen Euro, war in Schein­fir­men inve­stiert wor­den, gegen die wegen ille­ga­len Waf­fen- und Dro­gen­han­dels ermit­telt wird. Von vati­ka­ni­schen Kon­se­quen­zen irgend­wel­cher Art gegen Car­bal­lo ist nichts bekannt.

Damit kom­men wir zu „‘na roba“, die beim Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (kano­nisch aner­kannt 1990, nicht zu ver­wech­seln mit den Fran­zis­ka­nern, gegrün­det 1210/​1517) nicht unbe­deu­tend ist. Es geht um 59 Gebäu­de, 17 Grund­stücke, fünf Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen und eine Rei­he von Bank­kon­ten. Der gesam­te Besitz lag aber nicht in der Hand des Ordens, da die­ser das Gelüb­de strik­ter Armut lebt, son­dern in der Hand von Lai­en­ver­ei­ni­gun­gen. Der Ertrag aus dem Besitz kam dem Orden für sei­ne Auf­ga­ben in Seel­sor­ge und Mis­si­on zu.

Als der Orden unter kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung gestellt wur­de, ließ der erste Kom­mis­sar, Pater Fidenzio Vol­pi, ein Kapu­zi­ner, der 2015 im Amt ver­stor­ben ist, das genann­te Eigen­tum beschlag­nah­men. Die Gerich­te ent­schie­den dann aber ganz anders. Die gesam­ten Ver­mö­gens­wer­te wur­den wie­der frei­ge­ge­ben und den Lai­en­ver­ei­ni­gun­gen zurückerstattet.
Da die Ordens­kon­gre­ga­ti­on über die welt­li­chen Gerich­te nicht an das Ordens­ver­mö­gen kam, erhöh­te sie den Druck auf den inzwi­schen 84 Jah­re alten Ordens­grün­der, Pater Manel­li. Seit der kom­mis­sa­ri­schen Ver­wal­tung unter­steht er einem vom Vati­kan ver­häng­ten Haus­ar­rest, „der im Jahr 2017 objek­tiv einen schlech­ten Bei­geschmack hat“, so Tosatti.

Jüngste Aktionen der Ordenskongregation: die „Falle“ und die Forderung

Diakonatsweihen 2010
Dia­ko­nats­wei­hen 2010

Vor kur­zem wur­de von Pater Manel­li offi­zi­ell und im Namen des Pap­stes ver­langt, sein Treue- und Gehor­sams­be­kennt­nis­ses gegen­über dem Papst zu erneu­ern. Die For­de­rung erscheint zwei­fel­haft, da dem Ordens­grün­der ja offi­zi­ell kei­ne Vor­hal­tun­gen gemacht wer­den. Was ihn aller­dings auch seit Jah­ren der Mög­lich­keit beraubt, sich – gegen was auch immer – zu ver­tei­di­gen. Pater Manel­li dis­ku­tier­te nicht, son­dern erneu­ert das gefor­der­te Bekenntnis.

Vor zwei Wochen bekam er erneut Post von der Ordens­kon­gre­ga­ti­on. Die­ses Mal wur­de von ihm gefor­dert, den gesam­ten Besitz, von dem wei­ter oben die Rede war, „der Kir­che“ zur Ver­fü­gung zu stellen.

„Naiv ant­wor­te­te der Grün­der der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta“, so Tosat­ti, daß er nichts zur Ver­fü­gung stel­len kann, weil er nichts besitzt. Die genann­ten Ver­mö­gens­wer­te unter­lie­gen nicht sei­ner Ver­fü­gungs­ge­walt, son­dern jener der Laienvereinigungen.

Pater Manel­li durch­schau­te offen­bar die „Fal­le“ nicht, die man ihm mit der Bekennt­nis­er­neue­rung zuerst und dann der Geld­for­de­rung gestellt hat­te. Viel­leicht ist er auch nur zu ehr­lich, zu alt oder zu müde, um Fal­len­stel­lern mit pru­den­tia auszuweichen.

Tosat­ti schrieb:

„Viel­leicht hät­te er bes­ser getan, sich mit den Lai­en zu tref­fen und ihnen die vati­ka­ni­sche For­de­rung vor­zu­le­gen. Die Lai­en, die nicht gehor­sams­pflich­tig sind, hät­ten dann Ent­schei­dung getrof­fen. Die­se List wand­te er aber nicht an.“

Die „Waffe des Gehorsams“ und ein „Akt des Ungehorsams“

Sei­ne Ant­wort wird nun vom Vati­kan als „Akt des Unge­hor­sams“ gegen­über dem Papst aus­ge­legt. Mit dem Brief will man ihm einen Strick dre­hen. Anders aus­ge­drückt: In der Ordens­kon­gre­ga­ti­on glaubt man nun den Anlaß in der Hand zu haben, gegen den Ordens­grün­der kir­chen­recht­li­che Sank­tio­nen ver­hän­gen zu kön­nen. Und alles ohne, daß vom Vati­kan gesagt wird, war­um der Orden über­haupt unter kom­mis­sa­ri­scher Ver­wal­tung steht, und war­um Pater Manel­li als Gene­ral­obe­rer abge­setzt wurde.

Im Vati­kan reibt sich offen­bar jemand die Hän­de. Bis­her hat­ten sich die Ordens­kon­gre­ga­ti­on und Papst Fran­zis­kus ins Unrecht gesetzt. In wel­chem Rechts­staat kön­nen Sank­tio­nen ohne Ankla­ge, ohne Mög­lich­keit zur Ver­tei­di­gung und ohne regu­lä­res Ver­fah­ren ver­hängt wer­den? Nun aber muß man nicht mehr dar­über spre­chen, weil man den Brief Manel­lis in der Hand hat, der wahr­heits­ge­mäß, aber nicht zufrie­den­stel­lend ant­wor­te­te. Ob es für eine kirch­li­che Ver­ur­tei­lung reicht? Ange­sichts der schlech­ten Erfah­run­gen, die der Orden in den ver­gan­ge­nen vier Jah­ren machen muß­te, dürf­te das im Orden nie­mand bezweifeln.

Das eigent­li­che Anlie­gen ist aber „‘na roba“, das Ver­mö­gen. Manel­li wird vor allem geknüp­pelt, weil er den rei­chen Immo­bi­li­en­be­sitz nicht „raus­rückt“. Recht­lich ist er zwei­fels­oh­ne im Recht, wes­halb der Vati­kan den mora­li­schen Hebel betä­tigt. Die genau­en Beweg­grün­de der Lai­en­ver­ei­ni­gun­gen sind nicht bekannt, las­sen sich aber erah­nen. Lan­ge bestand die Hoff­nung (und viel­leicht besteht sie noch), daß der Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta als alt­ri­tu­el­le Neu­grün­dung im Schoß der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei wie­der­erste­hen kann, dann hät­te er die Mit­tel zur Ver­fü­gung, sei­ne Arbeit segens­reich fort­zu­set­zen. Eine sol­che Neu­grün­dung wird vom Vati­kan seit vier Jah­ren ver­hin­dert. Noch ein ande­rer Grund ist nicht uner­heb­lich: Es kann gel­tend gemacht wer­den, daß die Wohl­tä­ter, die den Immo­bi­li­en­be­sitz dem Orden geschenkt haben, ihn dem von Pater Manel­li gegrün­de­ten Orden ver­macht haben. Nicht irgend­ei­nem Orden oder all­ge­mein „der Kir­che“, son­dern einem ganz bestimm­ten Orden mit einem ganz bestimm­ten Cha­ris­ma. Nach vier Kom­mis­sars-Jah­ren han­delt es sich aber nicht mehr um den­sel­ben Orden.

„Am Ran­de“ sei zudem ver­merkt, um noch ein­mal Mar­co Tosat­ti zu zitie­ren, „daß es immer häu­fi­ger vor­kommt, daß der Gehor­sam als Waf­fe ein­ge­setzt wird. Erin­nern wir uns, wie Fra Matthew Fest­ing, der Groß­mei­ster des Mal­te­ser­or­dens, vom Papst zum Rück­tritt und zur Unter­zeich­nung eines Brie­fes von zwei­fel­haf­tem Inhalt gezwun­gen wur­de, indem beim Gehor­sam ange­setzt wur­de. Eine schlech­te Ange­wohn­heit, die Gefahr läuft chro­nisch zu werden …“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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