Fra Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto ist zum Statthalter des Großmeisters gewählt worden


Giacomo Dalla Torre
Der neue Statthalter des Großmeisters des Malteserordens, Fra Giacomo Dalla Torre, dahinter Großkanzler Freiherr von Boeselager. Dalla Torre, der bereits 2008 ein erstes Mal Statthalter war, wird den Orden für ein Jahr leiten, bis der 80. Großmeister und Fürst des Ordens gewählt wird.

(Rom) Die 56 Wäh­ler des Gro­ßen Staats­ra­tes haben beim heu­ti­gen Kon­kla­ve kei­nen neu­en Groß­mei­ster gewählt, son­dern den bis­he­ri­gen Groß­pri­or von Rom, Fra Gia­co­mo Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to zum neu­en Statt­hal­ter bestimmt. Er löst in die­ser Funk­ti­on Groß­kom­tur Fra Lud­wig Hoff­mann von Rum­er­stein ab, der seit dem von Papst Fran­zis­kus ver­lang­ten Rück­tritt des 79. Groß­mei­sters als Statt­hal­ter den Orden geführt hat­te. Die Wahl fand in der Vil­la Magi­stra­le in Rom statt, einem exter­ri­to­ria­len Gebiet, das der Sou­ve­rä­ni­tät des Ordens untersteht.

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Der 80. Groß­mei­ster in der fast tau­send­jäh­ri­gen Geschich­te des Ordens wird vor­aus­sicht­lich in einem Jahr gewählt. Den Eid wird der Statt­hal­ter des Groß­mei­sters mor­gen in der Kir­che San­ta Maria in Aven­ti­no nicht vor dem päpst­li­chen Patron des Ordens, Ray­mond Leo Kar­di­nal Bur­ke, son­dern „vor Erz­bi­schof Gio­van­ni Ange­lo Becciu, dem Son­der­be­auf­trag­ten des Pap­stes für den Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­den, sowie den Mit­glie­dern des Gro­ßen Staats­ra­tes“ ablegen.

Der neue Statthalter des Großmeisters

Der neue Statthalter des Ordens bis zur Wahl des 80. Großmeisters
Der neue Statt­hal­ter des Ordens bis zur Wahl des 80. Großmeisters

Gia­co­mo Graf Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to wur­de 1944 in Rom gebo­ren. Er ent­stammt altem katho­li­schem Adel aus der Gegend von Tre­vi­so. An der Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za in Rom absol­vier­te er ein Stu­di­um der Gei­stes­wis­sen­schaf­ten mit Spe­zia­li­sie­rung im Fach Christ­li­che Archäo­lo­gie.  An der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Urba­nia­na war er Ordi­na­ri­us für Alt­grie­chisch und Chef­bi­blio­the­kar und Archiv bedeu­ten­der Samm­lun­gen der Uni­ver­si­tät. Publi­zi­stisch trat er vor allem mit Auf­sät­zen zur Kunst­ge­schich­te des Mit­tel­al­ters in Erscheinung.

1985 wur­de er Mit­glied des Mal­te­ser­or­den und leg­te 1993 die fei­er­li­chen Gelüb­de ab. Damit wur­de er Ange­hö­ri­ger des Ersten Stan­des des Ordens, für den er seit­her zahl­rei­che füh­ren­de Funk­tio­nen aus­üb­te. Von 1994–1999 war er Groß­pri­or der Lom­bar­dei und Vene­digs, von 1999–2004 Mit­glied des Sou­ve­rä­nen Rates, von 2004–2008 Groß­kom­tur des Ordens. Als sol­cher lei­te­te er den Orden nach dem Tod des 78. Groß­mei­sters, Fra Andrew Ber­tie, bereits als Statt­hal­ter bis zur Wahl des 79. Groß­mei­sters. Seit­her ist er Groß­pri­or von Rom.

Die Dalla Torre del Tempio, Grafen di Sanguinetto

Die Gra­fen di San­gui­net­to sind eng mit dem päpst­li­chen Hof ver­bun­den. Der Groß­va­ter des nun­meh­ri­gen Statt­hal­ters, Giu­sep­pe Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to (1885–1967), war Stadt­rat von Padua für die Katho­li­sche Uni­on und wur­de 1915 Vor­sit­zen­der der Katho­li­schen Akti­on Ita­li­ens. Als sol­cher unter­stütz­te er den Frie­dens­kurs von Papst Bene­dikt XV. gegen einen ita­lie­ni­schen Kriegs­ein­tritt im Ersten Welt­krieg. 1918 ernann­te ihn der Papst zum Ver­wal­tungs­rats­vor­sit­zen­den des Osser­va­to­re Roma­no und 1920 zu des­sen Chef­re­dak­teur. Ein Amt, das er bis 1960 aus­üb­te. Vor und wäh­rend des Zwei­ten Welt­krie­ges wand­te er sich publi­zi­stisch gegen die neu­heid­ni­schen (Natio­nal­so­zia­lis­mus) und athe­isti­schen (Kom­mu­nis­mus) Ideo­lo­gien und ihre men­schen­ver­ach­ten­de Ras­sen- und Klas­sen­feind­schaft. In stän­di­ger Rei­bung mit dem faschi­sti­schen Regime leb­ten er und sei­ne Fami­lie aus Sicher­heits­grün­den im Vati­kan. Die Wahl von Johan­nes XXIII. und die Ernen­nung von Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Dome­ni­co Tar­di­ni führ­ten zu sei­nem Rücktritt.

Der Vater, Pao­lo Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to (1910–1993), war ein renom­mier­ter Kunst­hi­sto­ri­ker, der sich auch mit der Kir­chen­ge­schich­te der Neu­zeit befaß­te. Seit 1938 arbei­te­te er für Muse­en des Vati­kans. Von 1961–1975 war er Gene­ral­di­rek­tor der Vati­ka­ni­schen Muse­en. Als Stadt­rat von Rom für die Demo­cra­zia Cri­stia­na (DC) hat­te er nach dem Zwei­ten Welt­krieg auch poli­ti­sche Ämter inne.

Der Bru­der des Staats­hal­ters, der Rechts­wis­sen­schaft­ler und Kir­chen­ju­rist Giu­sep­pe Dal­la Tor­re del Tem­pio di San­gui­net­to, ist amtie­ren­der Gerichts­prä­si­dent des Vati­kan­staa­tes und Gene­ral­statt­hal­ter der Gra­bes­rit­ter (Orden der Rit­ter vom Hei­li­gen Grab zu Jeru­sa­lem). Nach Lehr­tä­tig­keit an ver­schie­de­nen Uni­ver­si­tä­ten war er von 1991–2014 Rek­tor der katho­li­schen, römi­schen Pri­vat­uni­ver­si­tät LUMSA, Vor­sit­zen­der der Ver­ei­ni­gung Ita­lie­ni­scher Katho­li­scher Juri­sten, Bera­ter des ita­lie­ni­schen Mini­ster­prä­si­den­ten Mario Mon­ti (2011–2013) und Mit­glied des Natio­na­len Bio­ethik­ra­tes von Italien.

Priorität Verfassungsreform

In einer Erklä­rung des Mal­te­ser­or­dens zur Wahl des Statt­hal­ters heißt es:

„Einer der wich­tig­sten Auf­ga­ben“ von Fra Dal­la Tor­re als Statt­hal­ter „wird es sein, auf die Reform der Ver­fas­sung und des Codex des Ordens hinzuarbeiten.“

Die gel­ten­de Ver­fas­sung trat 1961 in Kraft und wur­de zuletzt 1997 reformiert.

„Mit der vor­ge­schla­ge­nen Ver­fas­sungs­re­form sol­len poten­zi­el­le insti­tu­tio­nel­le Schwä­chen beho­ben wer­den. Die jüng­ste Kri­se hat eini­ge Schwä­chen in den Kon­troll­me­cha­nis­men der Füh­rung offen­bart. Die­se wer­den bei der Reform Berück­sich­ti­gung fin­den. Im Vor­der­grund wird bei der Reform die Not­wen­dig­keit ste­hen, das spi­ri­tu­el­le Leben des Ordens zu stär­ken und mehr Pro­fess-Mit­glie­der zu gewin­nen. Zudem sol­len mehr Beru­fun­gen in den Ersten Stand zuge­las­sen wer­den. Die Gesprä­che hier­zu wur­den bereits auf­ge­nom­men, und alle Mit­glie­der des Ordens sind ein­ge­la­den, Vor­schlä­ge zu unterbreiten.“

Zu den Voll­mach­ten des Statt­hal­ters des Groß­mei­sters heißt es in der Pressemitteilung:

„Nach der Ver­fas­sung des Ordens bleibt der Statt­hal­ter des Groß­mei­sters ein Jahr lang im Amt und ist wäh­rend die­ser Zeit mit den­sel­ben Befug­nis­sen aus­ge­stat­tet wie ein Groß­mei­ster. Der Statt­hal­ter des Groß­mei­sters muss vor Ende sei­nes Man­dats den Gro­ßen Staats­rat erneut einberufen.
Der Statt­hal­ter des Groß­mei­sters ist Sou­ve­rän und reli­giö­ses Ober­haupt des Ordens, hat sich gänz­lich dem Gedei­hen der Ordens­wer­ke zu wid­men und muss allen Mit­glie­dern mit einem Leben nach christ­li­chen Wer­ten ein Vor­bild sein. Er übt die höch­ste Amts­ge­walt aus. Zusam­men mit dem Sou­ve­rä­nen Rat erlässt er gesetz­li­che Rege­lun­gen, die nicht in der Ver­fas­sung ent­hal­ten sind, ver­kün­det Regie­rungs­ak­te und rati­fi­ziert inter­na­tio­na­le Ver­ein­ba­run­gen. Der Statt­hal­ter des Groß­mei­sters resi­diert am Regie­rungs­sitz des Ordens, dem Magi­stral­pa­last in Rom.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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