Papst Franziskus – vier Jahre später


Papst Franziskus - vier Jahre nach seiner Wahl ist die Kirche durch Spaltungen zerrüttet wie noch nie. Sie steht am Vorabend eine harten internen Konfliktes, während draußen ein Krieg aufzieht, der zwei falsche Alternativen sich gegenüberstehen sieht: den Islam und den Relativismus. Papst Franziskus neutralisiert die Kirche durch eine einseitige politische Parteinahme selbst.
Papst Franziskus - vier Jahre nach seiner Wahl ist die Kirche durch Spaltungen zerrüttet wie noch nie. Sie steht am Vorabend eines harten, internen Konfliktes, während draußen ein Krieg aufzieht, der zwei falsche Alternativen sich gegenüberstehen sieht: den Islam und den Relativismus. Papst Franziskus neutralisiert in diesem Konflikt die Kirche durch eine einseitige politische Parteinahme selbst.

von Rober­to de Mattei*

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Der vier­te Jah­res­tag der Wahl von Papst Fran­zis­kus sieht die katho­li­sche Kir­che von tie­fen Spal­tun­gen zer­rüt­tet. „Das ist ein nie dage­we­se­nes Kapi­tel in der Kir­chen­ge­schich­te“, sagt mir mit besorg­tem Ton­fall ein hoher Prä­lat des Vati­kans, „und nie­mand kann sagen, wie die­se bei­spiel­lo­se Kri­se enden wird.“

Die Mas­sen­me­di­en, die von Anfang an Papst Berg­o­glio mas­siv unter­stützt haben, begin­nen die eine oder ande­re Irri­ta­ti­on zu zeigen.

„Nie gab es soviel Wider­stand gegen den Papst, nicht ein­mal zu Zei­ten von Paul VI.“,

so das Ein­ge­ständ­nis des Histo­ri­kers Andrea Ric­car­di, [1]Grün­der, ehe­ma­li­ger Vor­sit­zen­der und graue Emi­nenz der Gemein­schaft von Sant’Egidio, ehe­ma­li­ger ita­lie­ni­scher Mini­ster, Karls­preis­trä­ger, Pro­fes­sor der Geschich­te. laut dem den­noch „die päpst­li­che Lea­der­ship sehr stark“ sei (Cor­rie­re del­la Sera, 13. März 2017). Zu stark für vie­le, die den Papst des Auto­ri­ta­ris­mus beschul­di­gen und in dem anony­men Wider­spruch, der in Pla­ka­ten, Epi­gram­men und Vide­os im Inter­net zum Aus­druck kommt, die Bestä­ti­gung für ein Angst­kli­ma sehen, das im Vati­kan herrscht. Sar­kas­mus und Anony­mi­tät sind Wesens­merk­ma­le des Wider­spruchs, der sich in tota­li­tä­ren Regi­men arti­ku­liert, wenn nie­mand sich aus Angst vor Ver­fol­gung durch die Macht­ha­ber aus der Deckung traut.

Heu­te wächst in der Kir­che der Wider­stand gegen Papst Berg­o­glio. Die Inter­net­sei­te Life­Si­teNews ver­öf­fent­lich­te eine Liste von Bischö­fen und Kar­di­nä­len, die öffent­lich ihre Zustim­mung oder ihren Wider­spruch zu den Dubia (Zwei­feln) geäu­ßert haben, die von vier Kar­di­nä­len am 19. Sep­tem­ber 2016 dem Papst über­mit­telt wur­den. Es sind nicht weni­ge. Zudem sind ihnen  noch jene Stim­men zuzu­rech­nen, die wie Kar­di­nal Joseph Zen das Berg­o­glio-Pon­ti­fi­kat wegen der zu freund­li­chen Poli­tik gegen­über dem kom­mu­ni­sti­schen Regime der Volks­re­pu­blik Chi­na kri­ti­sie­ren, die der Kar­di­nal als „Dia­log mit Hero­des“ bezeichnete.

Die gläu­bi­gen Katho­li­ken, die der immer­wäh­ren­den Leh­re der Kir­che treu sind, kla­gen über die unge­wöhn­li­che Situa­ti­on eines Pon­ti­fi­kats, das de fac­to die über­lie­fer­te Moral auf den Kopf stellt. Die Neue­rer hin­ge­gen sind unzu­frie­den über eine „Öff­nung“, die nur auf indi­rek­te Wei­se geschieht, ohne sich in einem offe­nen Bruch mit der Ver­gan­gen­heit zu äußern. Der Spie­gel-Kor­re­spon­dent Wal­ter Mayr berich­te­te am 23. Dezem­ber 2016 eine Aus­sa­ge, die der Papst einer Grup­pe enger Mit­ar­bei­ter anver­traut haben soll:

„Nicht aus­ge­schlos­sen, dass ich als der­je­ni­ge in die Geschich­te ein­ge­hen wer­de, der die katho­li­sche Kir­che gespal­ten hat.“

Der Ein­druck ist, als befän­de sich die Kir­che am Vor­abend zu einem inter­nen Lehr­streit, der um so här­ter sein wird, je mehr man ihn zu ver­mei­den und auf­zu­schie­ben ver­sucht unter dem Vor­wand, die kirch­li­che Ein­heit nicht gefähr­den zu wol­len, die es in Wirk­lich­keit schon lan­ge nicht mehr gibt.

Es ist aber noch ein zwei­ter Krieg im Anmarsch, der nicht meta­pho­risch gemeint ist. Der vier­te Jah­res­tag des Pon­ti­fi­kats fiel mit den mas­si­ven Dro­hun­gen des tür­ki­schen Staats­prä­si­den­ten Recep Tayyip Erdo­gan gegen die Nie­der­lan­de zusam­men, weil die­se ihre Plät­ze den Pro­pa­gan­di­sten des Sul­tans von Anka­ra ver­wei­gern. Der­sel­be Erdo­gan hat­te im ver­gan­ge­nen Novem­ber damit gedroht, Euro­pa mit Mil­lio­nen von Ein­wan­de­rern zu über­schwem­men, falls Brüs­sel die Ver­hand­lun­gen über einen abseh­ba­ren Bei­tritt der Tür­kei zur Euro­päi­schen Uni­on abbre­chen soll­te. Für Papst Fran­zis­kus sind die­se Migran­ten­mas­sen hin­ge­gen eine Chan­ce und eine Herausforderung.

Der Schutz der Ein­wan­de­rer ist ein „mora­li­scher Impe­ra­tiv“ bekräf­tig­te er in den ver­gan­ge­nen Tagen. Im August 2016 hat er ein neu­es päpst­li­ches Dik­aste­ri­um für den Dienst zugun­sten der ganz­heit­li­chen Ent­wick­lung des Men­schen errich­tet und den Zustän­dig­keits­be­reich Migran­ten sich selbst vor­be­hal­ten. Lau­rent Dan­drieu, ein bril­lan­ter fran­zö­si­scher Autor, ver­öf­fent­lich­te im ver­gan­ge­nen Janu­ar das Buch „Égli­se et immi­gra­ti­on. Le grand malai­se“ (Kir­che und Ein­wan­de­rung. Das gro­ße Unbe­ha­gen, Pres­ses de la Renais­sance, Paris 2017). Dar­in kri­ti­siert er die poli­ti­sche Hal­tung von Papst Berg­o­glio und über­schrieb ein Kapi­tel sei­nes Buches mit dem Titel: „Von Lepan­to nach Les­bos. Die Kir­che in einer Will­kom­mens-Ido­la­trie?“ Wäh­rend Euro­pa von einer Ein­wan­de­rungs­wel­le ohne­glei­chen über­schwemmt wird, hat Papst Fran­zis­kus das „Recht aus­zu­wan­dern“ und die „Pflicht auf­zu­neh­men“ zu den Eck­pfei­len sei­ner Poli­tik erklärt. Dabei hat er die Rech­te der euro­päi­schen Natio­nen ver­ges­sen, die eige­ne reli­giö­se und kul­tu­rel­le Iden­ti­tät zu ver­tei­di­gen. Das ist die „pasto­ra­le Wen­de“, die er von der Kir­che for­dert: den Ver­zicht auf die christ­li­chen Wur­zeln der Gesell­schaft, auf die Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. so beharrt haben, um die christ­li­che Iden­ti­tät in einem wir­ren mul­ti­eth­ni­schen und mul­ti­re­li­giö­sen Ein­topf aufzulösen.

Der bevor­zug­te Theo­lo­ge des Pap­stes, Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez, Rek­tor der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en, erklär­te, daß die „pasto­ra­le Wen­de“ als Trans­for­ma­ti­ons­pro­zeß zu ver­ste­hen sei, „der die gan­ze Kir­che zu einem ‚Hin­aus­ge­hen aus sich selbst‘ füh­ren soll, indem sie dar­auf ver­zich­tet, sich auf sich selbst zu kon­zen­trie­ren“. Anders aus­ge­drückt: ein Ver­zicht der Kir­che auf ihre eige­ne Iden­ti­tät und ihre eige­ne Tra­di­ti­on, um eine Viel­zahl von Iden­ti­tä­ten anzu­neh­men, die von den Rän­dern der Welt vor­ge­bracht werden.

Die Migran­ten­in­va­si­on for­dert zwangs­läu­fig eine Reak­ti­on der öffent­li­chen Mei­nung zur Ver­tei­di­gung von allem her­aus, was heu­te bedroht ist: nicht nur der kul­tu­rel­len Iden­ti­tät, son­dern auch der wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen, der Lebens­qua­li­tät, der Sicher­heit der Fami­li­en und der Gesell­schaft. Eine sol­che Reak­ti­on kann manch­mal ver­zwei­fel­te For­men anneh­men, wes­halb die katho­li­sche Kir­che eine aus­glei­chen­de Rol­le ein­neh­men soll­te, indem sie vor den gegen­sätz­li­chen Irr­tü­mern warnt, wie sie das 1937 getan hat, als Papst Pius XI. mit zwei Enzy­kli­ken, deren Ver­öf­fent­li­chung sich in die­sem Jahr zum 80. Mal jährt, Divi­ni Redempto­ris und Mit bren­nen­der Sor­ge, den Kom­mu­nis­mus und den Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­ur­teil­te. So wie damals zeich­net sich näm­lich auch heu­te eine fal­sche Alter­na­ti­ve ab.

Auf der einen Sei­te die Fah­nen­trä­ger einer star­ken, der Katho­li­zi­tät ent­ge­gen­ge­setz­ten Reli­gi­on, des Islams. Auf der ande­ren Sei­te die Ver­fech­ter einer nicht min­der star­ken Irreli­gio­si­tät, des Rela­ti­vis­mus. Die Rela­ti­vi­sten ver­su­chen sich inzwi­schen der iden­ti­tä­ren Bewe­gun­gen zu bemäch­ti­gen, um die­sen eine anti­christ­li­che Fär­bung zu ver­pas­sen. Der Berg­o­gli­o­nis­mus berei­tet die­sen frem­den­feind­li­chen und neu­heid­ni­schen Posi­tio­nen den Weg, indem er es den Rela­ti­vi­sten ermög­licht, die Kir­che der gemein­sa­men Sache mit dem Islam bezich­ti­gen zu kön­nen. Der Papst sagt, die Ein­wan­de­rer abzu­wei­sen, sei eine Kriegs­hand­lung. Sein undif­fe­ren­zier­ter Will­kom­mens­ap­pell ist es aber, der den Kriegs­aus­bruch fördert.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt erschie­nen: Vica­rio di Cri­sto. Il pri­ma­to di Pie­tro tra nor­ma­li­tà  ed ecce­zio­ne (Stell­ver­tre­ter Chri­sti. Der Pri­mat des Petrus zwi­schen Nor­ma­li­tät und Aus­nah­me), Vero­na 2013; in deut­scher Über­set­zung zuletzt: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, Rup­picht­eroth 2011.

Bild:  Il Foglio (Screen­shot)

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