Nachlese: Vor zwölf Jahren, als Bergoglio noch auf die „Dubia“ zu antworten wußte


Victor Manuel Fernandez
Victor Manuel Fernandez: Verfechter der Situationsethik, die ihren Niederschlag in Amoris laetitia gefunden hat

(Rom) Fünf Fra­gen haben die vier Kar­di­nä­le Brand­mül­ler, Bur­ke, Caf­farra und Meis­ner mit ihren Dubia (Zwei­fel) Papst Fran­zis­kus unter­brei­tet. Drei davon bezie­hen sich auf die Enzy­kli­ka Veri­ta­tis sple­ndor von 1993, die als eine Schlüs­sel­en­zy­kli­ka des Pon­ti­fi­kats von Johan­nes Paul II. gilt. Die Kar­di­nä­le fra­gen Fran­zis­kus, ob die drei Wahr­hei­ten, die durch jene Enzy­kli­ka mit Nach­druck bekräf­tigt wur­den, noch Gül­tig­keit haben. 2004 fie­len Jor­ge Mario Berg­o­glio, dem dama­li­gen Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, die Ant­wor­ten noch leicht.

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Im zwei­ten Dubi­um heißt es:

Ist nach dem Nach­syn­oda­len Apo­sto­li­schen Schrei­ben „Amo­ris lae­ti­tia“ (vgl. Nr. 304) die auf die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on der Kir­che gegrün­de­te Leh­re der Enzy­kli­ka „Veri­ta­tis Sple­ndor“ (Nr. 79) des hei­li­gen Johan­nes Paul II. über die Exi­stenz abso­lu­ter mora­li­scher Nor­men, die ohne Aus­nah­me gel­ten und in sich schlech­te Hand­lun­gen ver­bie­ten, noch gültig?

Im vier­ten Dubi­um:

Soll man nach den Aus­sa­gen von „Amo­ris lae­ti­tia“ (Nr. 302) über die „Umstän­de, wel­che die mora­li­sche Ver­ant­wort­lich­keit ver­min­dern“, die auf die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on der Kir­che gegrün­de­te Leh­re der Enzy­kli­ka „Veri­ta­tis Sple­ndor“ (Nr. 81) des hei­li­gen Johan­nes Paul II. für wei­ter­hin gül­tig hal­ten, nach der „die Umstän­de oder die Absich­ten nie­mals einen bereits in sich durch sein Objekt unsitt­li­chen Akt in einen ’sub­jek­tiv‘ sitt­li­chen oder als Wahl ver­tret­ba­ren Akt ver­wan­deln“ können?

Im fünf­ten Dubi­um:

Soll man nach „Amo­ris lae­ti­tia“ (Nr. 303) die auf die Hei­li­ge Schrift und die Tra­di­ti­on der Kir­che gegrün­de­te Leh­re der Enzy­kli­ka „Veri­ta­tis Sple­ndor“ (Nr. 56) des hei­li­gen Johan­nes Paul II. für wei­ter­hin gül­tig hal­ten, die eine krea­ti­ve Inter­pre­ta­ti­on der Rol­le des Gewis­sens aus­schließt und bekräf­tigt, dass das Gewis­sen nie­mals dazu auto­ri­siert ist, Aus­nah­men von den abso­lu­ten mora­li­schen Nor­men zu legi­ti­mie­ren, wel­che Hand­lun­gen, die durch ihr Objekt in sich schlecht sind, verbieten?

Die Dubia wur­den dem Papst am 19. Sep­tem­ber 2016 zuge­stellt. Seit dem 14. Novem­ber sind sie von den vier Kar­di­nä­len öffent­lich gemacht wor­den. Papst Fran­zis­kus hat seit­her auf kei­ne der fünf Fra­gen geant­wor­tet. Er igno­riert sie, wäh­rend sei­ne eng­sten Mit­ar­bei­ter die vier Kar­di­nä­le scharf angrei­fen und sich über die Fra­gen empören.

Laut dem Vati­ka­ni­sten San­dro Magi­ster wuß­te Jor­ge Mario Berg­o­glio, als er noch Erz­bi­schof von Bue­nos Aires war, durch­aus zu antworten.

Tagungsband, Buenos Aires, 2004
Tagungs­band, Bue­nos Aires, 2004

Im Okto­ber 2004 fand in Bue­nos Aires ein inter­na­tio­na­ler Theo­lo­gen­kon­greß über die Enzy­kli­ka Veri­ta­tis sple­ndor statt. Anlaß war die Errich­tung des Johan­nes-Paul-II-Lehr­stuhls an der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en.

2014 schrieb Bene­dikt XVI. in einem sei­ner sel­te­nen Tex­te, die seit sei­nem Amts­ver­zicht ver­öf­fent­licht wur­den, daß Veri­ta­tis sple­ndor eine „der bedeu­tend­sten“ Enzy­kli­ken „ für die Kir­che“ ist. Die Aus­füh­run­gen Bene­dikts las­sen erken­nen, daß er Veri­ta­tis sple­ndor sogar für die bedeu­tend­ste unter allen Enzy­kli­ken sei­nes Amts­vor­gän­gers hält. Sie sei „von unver­än­der­ter Gül­tig­keit“, sol­le „stu­diert“ wer­den und Richt­schnur sein.

Bene­dikt ist der Über­zeu­gung, daß durch Veri­ta­tis sple­ndor der katho­li­schen Moral ihr meta­phy­si­sches und chri­sto­lo­gi­sches Fun­da­ment zurück­ge­ge­ben wur­de, das allein imstan­de ist, die prag­ma­ti­schen Abir­run­gen der heu­ti­gen Moral zu besie­gen, für die es kein wirk­lich Gutes gibt, son­dern nur mehr oder weni­ger brauch­ba­re Nützlichkeiten.

Veri­ta­tis sple­ndor sei damit das Gegen­ge­wicht zur Situa­ti­ons­ethik, „die vor allem unter Jesui­ten im 17. Jahr­hun­dert in Mode war und seit­her nicht mehr ganz ver­schwun­den ist, viel­mehr heu­te in der Kir­che ver­brei­te­ter ist denn je“, so Magister.

Beim Theo­lo­gen­kon­greß in Bue­nos Aires trat Kar­di­nal Berg­o­glio als erster Refe­rent ans Red­ner­pult. Sei­ne Rede kann im 2005 ver­öf­fent­li­chen Tagungs­band „La ver­dad los hará libres“ (Die Wahr­heit wird euch frei­ma­chen) nach­ge­le­sen werden.

Berg­o­glio stell­te sich damals ent­schie­den hin­ter die in Veri­ta­tis sple­ndor bekräf­tig­te Wahr­heit, beson­ders oben in den Dubia zitier­ten drei Wahr­hei­ten, die seit der Ver­öf­fent­li­chung von Amo­ris lae­ti­tia in Fra­ge gestellt werden.

  • Auf Sei­te 34 des Tagungs­ban­des schreibt der dama­li­ge Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, daß „nur eine Moral, die ohne Aus­nah­me immer und für alle gül­ti­ge Nor­men aner­kennt, kann die ethi­sche Grund­la­ge des sozia­len Zusam­men­le­bens auf natio­na­ler wie inter­na­tio­na­ler Ebe­ne sicher­stel­len“, denn der Rela­ti­vis­mus einer Demo­kra­tie ohne Wer­te füh­re in den Totalitarismus.

„Das wäre eine Ant­wort auf das zwei­te Dubi­um der vier Kar­di­nä­le“, so Magister.

  • Auf Sei­te 32 schreibt Kar­di­nal Berg­o­glio, daß das Ver­ständ­nis für die mensch­li­che Schwach­heit „nie einen Kom­pro­miß und eine Ver­fäl­schung des Kri­te­ri­ums von Gut und Böse bedeu­ten kann, so als woll­te man sie den Lebens­um­stän­den der Men­schen und der Per­so­nen­grup­pen anpassen“.

„Das wäre eine Ant­wort auf das vier­te Dubi­um“, so Magister.

  • Auf Sei­te 30 schließ­lich bezeich­net es Berg­o­glio als „schwe­re Ver­su­chung“, zu mei­nen, daß es für einen sün­di­gen Men­schen unmög­lich sei, das hei­li­ge Gesetz Got­tes zu befol­gen und selbst „dar­über ent­schei­den zu wol­len, was gut und was böse ist“, anstatt die Gna­de anzu­ru­fen, die Gott immer gewähre.

„Das wäre eine Ant­wort auf das fünf­te Dubium.“

Was geschah nach dem Theologenkongreß von 2004?

„Was aber ist nach die­sem Kon­greß von 2004 in Bue­nos Aires gesche­hen?“, so Magister.

Gesche­hen ist, so der Vati­ka­nist, daß im Gefol­ge des Kon­gres­ses ein argen­ti­ni­scher Theo­lo­ge namens Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez 2005 und 2006 zwei Auf­sät­ze ver­öf­fent­lich­te, mit denen er die Situa­ti­ons­ethik verteidigte.

„Fer­nan­dez war Berg­o­gli­os Aug­ap­fel, der ihn als Rek­tor der Päpst­li­chen Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Argen­ti­ni­en woll­te und 2009 tat­säch­lich des­sen Ernen­nung gegen star­ke und ver­ständ­li­che Wider­stän­de der römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für das katho­li­sche Bil­dungs­we­sen durch­set­zen konnte.“

Als der Kar­di­nal 2013 Papst wur­de, beför­der­te er Fer­nan­dez sofort zum Erz­bi­schof und hol­te ihn als Ghost­wri­ter für Evan­ge­lii gau­di­um und ande­re wich­ti­ge Reden und Doku­men­te nach Rom

„nit der Wir­kung, die sich in Amo­ris lae­ti­tia zeigt, das umfas­send von einer laxen Moral geprägt ist und in eini­gen Para­gra­phen sogar wört­lich aus älte­ren Tex­ten Fer­nan­dez‘ kopiert wur­de. Beson­ders aus den bei­den genann­ten Arti­keln von 2005 und 2006, aber auch aus Auf­sät­zen von 1995 und 2001.“

Magi­ster abschließend:

„Und was wur­de aus der Enzy­kli­ka Veri­ta­tis sple­ndor, die von Berg­o­glio 2004 noch so ent­schie­den gelobt wur­de? Ver­ges­sen. In den 200 Sei­ten von Amo­ris lae­ti­tia wird sie nicht ein ein­zi­ges Mal erwähnt.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Youtube/​Rome Report/​Settimo Cie­lo (Screen­shot)

 

 

 

 

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