(Rom) Orientierungs- und Hilfslosigkeit scheinen die Reaktion katholischer Amtsträger auf die islamische Herausforderung in Europa zu prägen. Manchmal herrscht regelrechte Verwirrung.
Am 1. Januar wird im überlieferten Ritus ein Fest 1. Klasse gefeiert, der Oktavtag von Weihnachten und das Fest der Beschneidung des Herrn. Papst Paul VI. rief 1968 den 1. Januar zum Weltfriedenstag aus und verlegte 1969 im Neuen Ritus das Hochfest der Gottesmutterschaft Mariens vom 11. Oktober auf diesen Tag. Manche Kirchenvertreter scheinen den Weltfriedenstag sogar mit Synkretismus zu verwechseln. In Ravenna scheint dazu einige Verwirrung zu herrschen. Die Stadt, die vor dem Untergang die Hauptresidenz des weströmischen Kaisers war, in der sich die Grablege Dietrichs von Bern befindet, die Sitz eines byzantinisches Exarchats war und die seit 754 Teil des Kirchenstaates war, hat tatsächlich schon bessere Zeiten erlebt.
In Ravenna wurde am 31. Dezember vom Erzbischof die traditionelle Dankmesse zum Jahresschluß mit dem feierlichen Te Deum abgesagt, um die katholischen Gläubigen zu einem „geführten Besuch“ in die örtliche Moschee „mit anschließendem Gebetsmoment“ „umzuleiten“. Damit wurde zugleich, da der 1. Januar auf einen Sonntag fiel, die Vorabendmesse zum Marienhochfest gestrichen.
Zehn Prozent der IS-Kämpfer aus Moschee von Ravenna
In Ravenna steht die zweitgrößte Moschee Italiens. Am 5. Oktober 2013 wurde sie in Betrieb genommen. „Die Moschee gehört der ganzen Stadt“, ließen die muslimischen Betreiber damals wissen. Um genau zu sein, gehört sie jedoch dem Islamischen Kultur- und Studienzentrum der Romagna (Centro di studi e cultura islamico della Romagna (CCSIR).
An der Eröffnung nahmen der linksdemokratische Bürgermeister samt Integrationsstadtrat und auch Erzbischof Lorenzo Ghizzoni von Ravenna-Cervia teil. Die in Italien regierenden Linksdemokraten (PD) übermittelten als Partei eine begeisterte Glückwunschnote. Bürgermeister Fabrizio Matteucci meinte in seiner moralisierenden Ansprache: „Ich glaube, Ravenna ist ab heute ein bißchen besser.“
Polizei und Geheimdienst scheinen anderer Meinung zu sein. Laut Angaben der Sicherheitskräfte sind seither rund zehn Prozent der „Foreign Fighters“ aus Italien von diesem islamischen Zentrum in den Nahen Osten aufgebrochen. Als „Foreign Fighters“ werden die Islamisten aus Europa und anderen Erdteilen genannt, die in Syrien und im Irak für den Islamischen Staat (IS) oder andere Dschihad-Milizen kämpfen.
„Moscheebesuch wegen des Attentats von Berlin“
Die Idee zum Moscheebesuch sei wegen des islamischen Massakers auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin entstanden. „Es ist das erste Mal in Italien“, rühmte sich Erzbischof Lorenzo Ghizzoni in einer Presseaussendung seines Einfalls. Der Bischof habe seine Initiative wie eine Fahne allen unter die Nase gehalten, so die Tageszeitung Il Giornale.
Für die näheren Erläuterungen von Sinn und Bedeutung der Geste sorgte der Leiter des diözesanen Amtes für Sozial- und Arbeitspastoral, Luciano di Buò: „Wir haben gedacht, daß in einer Welt und einem historischen Abschnitt, der von Gegensätzen und Gewalt geprägt ist, das aussagekräftigste Signal das ist, daß hingegen die Zusammenarbeit und die Begegnung zwischen Menschen verschiedener Religionen möglich und in Ravenna Wirklichkeit ist.“
Corrispondenza Romana merkte dazu an: „Als würden einseitige Besuche in anderer Leute Häuser bereits ‚Zusammenleben‘ bedeuten.“ Die Initiative zeige vielmehr, wie sehr dieser Begriff heute „mißbraucht“ wird.
Das Erzbistum Ravenna-Cervia organisierte, laut Medienberichten, auf eigene Kosten sogar einen Autobus, um möglichst viele Katholiken in die Moschee zu befördern. „Ein solcher Eifer“ werde von denselben Stellen für liturgischen Feiern an kirchlichen Hochfesten nicht an den Tag gelegt, so Corrispondenza Romana.
Erzbischöflicher „Geistesblitz“ eine „gefährliche Utopie?“
In Ravenna gebe es wegen der erzbischöflichen „Trovata“ (Geistesblitz) erhebliche „Bauchschmerzen“, wie Italia Oggi berichtete. Das gelte auch für die Sicherheitskräfte, denen die öffentliche Aufwertung der Moschee durch den Erzbischof gar nicht behage. Damit werde das Image eines islamistischen Zentrums poliert, das von der Polizei als „Sicherheitsrisiko“ gilt.
„Wir wissen, daß nicht alle Muslime Terroristen und Mörder sind. Zwischen dieser Erkenntnis, die keines Geistesblitzes bedürfte, und einer Initiative, die katholischen Gläubigen von einer Heiligen Messe abzuhalten und in eine Moschee zu karren, zudem noch einer höchst zweifelhaften, liegt ein ganzer Abgrund. Ich frage nicht, was Erzbischof Ghizzoni den Hinterbliebenen der getöteten Christen sagen will, die von Islamisten ermordet wurden, die von diesem Zentrum in den Nahen Osten aufgebrochen sind. Ich sage aber, daß es gefährlich ist, sich in Utopien zu stürzen“, so der katholische, spanische Kolumnist Francisco Fernandez de la Cigoña.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: RavennaToday/Corrispondenza Romana (Screenshots)