Großkanzler des Maltserordens wegen Kondomverteilung abgesetzt – Papst Franziskus setzte überraschend Untersuchungskommission ein


Souveräner Malteserorden setzte seinen Großkanzler, den deutschen Freiherren von Boeselager ab. Papst Franziskus setzte Untersuchungsausschuß ein und will über Hintergründe informiert werden.
Souveräner Malteserorden setzte seinen Großkanzler, den deutschen Freiherren von Boeselager ab. Papst Franziskus setzte Untersuchungsausschuß ein und will über Hintergründe informiert werden.

(Rom) Papst Fran­zis­kus setz­te eine Unter­su­chungs­kom­mis­si­on aus fünf Per­so­nen ein, um im Fall Albrecht Frei­herr von Boe­se­la­ger zu ermit­teln und ihm zu berich­ten. Boe­se­la­ger war am 8. Dezem­ber ohne Nen­nung eines Grun­des als Groß­kanz­ler des Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­dens abge­setzt wor­den. Das Amt des Groß­kanz­lers ent­spricht dem des Mini­ster­prä­si­den­ten, Außen­mi­ni­sters und Innen­mi­ni­sters einer Regie­rung. Es sei ein „untrag­ba­rer“ Zustand ent­stan­den, der das Ver­trau­en des Groß­mei­sters in den Groß­kanz­ler unter­gra­ben habe. Grund für Boe­se­la­gers Abset­zung sei, laut ita­lie­ni­schen Medi­en­be­rich­ten, die Ver­tei­lung von Kon­do­men durch ordens­ei­ge­ne Hilfs­ein­rich­tun­gen in Hilfs­ge­bie­ten gewe­sen. Boe­se­la­ger habe Miß­stän­de nicht unter­bun­den, son­dern vor der Ordens­lei­tung geheimgehalten.

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Frei­herr von Boe­se­la­ger war beim Gene­ral­ka­pi­tel vom 30./31. Mai 2014 zum Groß­kanz­ler gewählt wor­den. Der zehn­köp­fi­gen Ordens­re­gie­rung gehör­te er bereits seit 1989 an und beklei­de­te bis zu sei­ner Wahl das Amt des Groß­hos­pi­ta­liers. Ein Amt, in dem er regel­mä­ßig im Abstand von fünf Jah­ren bestä­tigt wurde.

Großkanzler Boeselager abgesetzt

Am ver­gan­ge­nen 6. Dezem­ber stell­te der Groß­mei­sters Fra Matthew Fest­ing „mit gro­ßem Bedau­ern wegen der vie­len Jah­re im Dienst des Ordens“ fest, daß eine „äußerst schwer­wie­gen­de und untrag­ba­re“ Situa­ti­on ent­stan­den sei, die den Rück­tritt Boe­se­la­gers als Groß­kanz­lers erfor­de­re. Als die­ser sich wei­ger­te, habe der Groß­mei­ster kei­ne ande­re Wahl gehabt, als Boe­se­la­ger in Gegen­wart des Groß­kom­turs, Fra Lud­wig Hoff­mann von Rum­er­stein, und des Kar­di­nal­pa­trons Ray­mond Bur­ke den Rück­tritt zu befeh­len. Die­ser habe sich erneut gewei­gert. Dar­auf­hin lei­te­te der Groß­kom­tur mit Unter­stüt­zung des Groß­kanz­lers und dem Groß­teil der Ordens­mit­glie­der ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ein. Es mün­de­te am 14. Dezem­ber mit der Sus­pen­die­rung von Boe­se­la­gers Ordens­zu­ge­hö­rig­keit. Auto­ma­tisch wur­de er auch von allen Ordens­äm­tern ent­bun­den. Zugleich ernann­te der Gro­ße Staats­rat Fra John Edward Cri­ti­en zum pro­vi­so­ri­schen Großkanzler.

Der neue Großkanzler ad interim, Fra Critien
Der neue Groß­kanz­ler ad inte­rim, Fra Critien

Albrecht Frei­herr von Boe­se­la­ger gehört seit 1976 dem Orden an. 1982 wur­de er Kanz­ler des deut­schen Ordens­zwei­ges und war Lei­tungs­mit­glied des deut­schen Mal­te­ser Hilfs­dien­stes. Eine Auf­ga­be, die er bis zur sei­ner Wahl zum Groß­kanz­ler 2014 ausübte.

Von 1994 bis 2005 war er Mit­glied des Päpst­li­chen Rates für die Pasto­ral im Kran­ken­dienst und ist seit 1994 Mit­glied des Päpst­li­chen Rates Cor Unum, der aller­dings zum 1. Janu­ar 2017 auf­ge­löst wird. Die Zustän­dig­kei­ten gehen auf das neu­ge­schaf­fe­ne Dik­aste­ri­um für die ganz­heit­li­che Ent­wick­lung des Men­schen über.

900 Jahre päpstlich anerkannter Ritterorden

Aus einer im Jahr 1048 gegrün­de­ten Mönchs­ge­mein­schaft wur­de nach dem Ersten Kreuz­zug ein Rit­ter­or­den, der 1113 von Papst Pascha­lis II. aner­kannt wur­de. Sein offi­zi­el­ler Name lau­tet heu­te Sou­ve­rä­ne Rit­ter- und Hos­pi­tal­or­den vom hei­li­gen Johan­nes von Jeru­sa­lem von Rho­dos und von Mal­ta, kur­zer Mal­te­ser­or­den genannt. Bekannt wur­de der er ursprüng­lich als Johan­ni­ter­or­den. Da im deut­schen Sprach­raum die von der Kir­che abge­fal­le­nen Pro­te­stan­ten die­sen Namen besetz­ten, nann­te sich der Orden nach der Refor­ma­ti­on nach der Mit­tel­meer­in­sel Mal­ta, die dem Orden bis Ende des 18. Jahr­hun­derts unterstand.

Im Gegen­satz zu den ande­ren päpst­lich aner­kann­ten Rit­ter­or­den, dem Deut­schen Orden und den Gra­bes­rit­tern, ist der Mal­te­ser­or­den nicht nur ein Rit­ter­or­den und ein geist­li­cher Orden der katho­li­schen Kir­che, son­dern auch ein eige­nes Völ­ker­rechts­sub­jekt. Er besitzt den Sta­tus eines sou­ve­rä­nen Staa­tes, wes­halb er eige­ne Mün­zen und Brief­mar­ken her­aus­ge­ben kann und über eige­ne diplo­ma­ti­sche Ver­tre­tun­gen ver­fügt. Der Orden besteht vor allem aus Ange­hö­ri­gen der katho­li­schen Adels­fa­mi­li­en und ist heu­te welt­weit als huma­ni­tä­re Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on tätig.

Seit 2008 ist Fra Matthew Fest­ing Fürst und Groß­mei­ster des Ordens. Er ist der 79. Groß­mei­ster seit Grün­dung des Ordens. Die Wahl erfolgt auf Lebens­zeit. Fest­ing und Boe­se­la­ger sind bei­de Jahr­gang 1949.

Kondome, „schwerwiegende Probleme“, „untragbarer Zustand“

Der vom Papst ein­ge­setz­te Unter­su­chungs­aus­schuß umfaßt Sil­va­no Toma­si, Gian­fran­co Ghir­lan­da, Jac­ques de Lie­de­ker­ke, Marc Odend­all und Mar­wan Seh­na­oui, wie das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt am Mitt­woch bekanntgab.

Über die Grün­de für Boe­se­la­gers Abset­zung lie­gen kei­ne offi­zi­el­len Anga­ben vor. Laut der römi­schen Tages­zei­tung Il Mess­ag­ge­ro wur­de dem Frei­herrn vor­ge­wor­fen, die Ver­tei­lung von Kon­do­men durch ordens­ei­ge­ne Hilfs­ein­rich­tun­gen in ver­schie­de­nen Tei­len der Erde nicht unter­bun­den zu haben. Damit habe er eine Hal­tung geför­dert, die der katho­li­schen Moral­leh­re wider­spricht. Ein sol­ches Ver­hal­ten sei eines Groß­kanz­lers des Ordens unwür­dig. Boe­se­la­ger habe das Ver­trau­ens­ver­hält­nis zum Groß­mei­ster unter­gra­ben, der sich hin­ter­gan­gen fühlte.

Die Vor­wür­fe gegen Boe­se­la­ger betref­fen nicht nur sei­ne Zeit als Groß­kanz­ler, son­dern rei­chen bereits wei­ter zurück. „Schwer­wie­gen­de Pro­ble­me“ sei­en wäh­rend sei­ner Amts­zeit als Groß­hos­pi­ta­lier auf­ge­tre­ten. Der Groß­hos­pi­ta­lier ist fak­tisch Mini­ster für Gesund­heit, Sozia­les und huma­ni­tä­re inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit. Er koor­di­niert und über­wacht welt­weit die kari­ta­ti­ven Hilfs­maß­nah­men und medi­zi­ni­schen und huma­ni­tä­ren Akti­vi­tä­ten der Ordens­wer­ke. Die Situa­ti­on wird durch den Umstand erschwert, daß Boe­se­la­ger vor­ge­wor­fen wird, die „schwer­wie­gen­den Pro­ble­me“ vor der Ordens­re­gie­rung „ver­bor­gen“ gehal­ten zu haben, wie eine Unter­su­chung durch den Groß­mei­ster im Vor­jahr erge­ben habe.

Papst setzt überraschend Untersuchungskommisson ein

Vati­kan­spre­cher Greg Bur­ke erklär­te, die Ernen­nung einer Unter­su­chungs­kom­mis­si­on sei erfolgt, weil man die Sache „auf fried­li­che Wei­se“ klä­ren wol­le. Die­ser Schritt von Papst Fran­zis­kus wird in Tei­len des Mal­te­ser­or­dens miß­trau­isch beäugt. Der Orden sei „sou­ve­rän“ auch gegen­über dem Papst. Die Ent­schei­dun­gen sei­en gemäß den ordens­ei­ge­nen Geset­zen getrof­fen wor­den. Vor allem die Eile des päpst­li­chen Ein­grei­fens sorgt für eini­ge Irri­ta­ti­on, zumal ihn der Groß­mei­ster nicht dar­um gebe­ten habe.

Im Novem­ber 2014 hat­te Papst Fran­zis­kus Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke sei­nes Amtes als Prä­si­dent des Ober­sten Gerichts­ho­fes der Apo­sto­li­schen Signa­tur ent­ho­ben und als Kar­di­nal­pa­tron zum Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­den abge­scho­ben. Grund für die Abset­zung war Bur­kes Wider­stand gegen den Kas­per-Kurs. Bei der ersten Bischofs­syn­ode über die Fami­lie 2014 war Kar­di­nal Bur­ke zum Wort­füh­rer der Ver­tei­di­ger des Ehe­sa­kra­ments gewor­den und hat­te undurch­sich­ti­ge Ver­su­che, die Syn­ode in eine bestimm­te Rich­tung zu len­ken, scharf kri­ti­siert. Eine Hal­tung, die Papst Fran­zis­kus dra­ko­nisch bestraf­te. Bur­ke ist nun auch einer der vier Unter­zeich­ner der Dubia (Zwei­fel) gegen das umstrit­te­ne nach­syn­oda­le Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia von Papst Franziskus.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: orderof​mal​ta​.int (Screen­shots)

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1 Kommentar

  1. Wer durch­schaut die­ses Manö­ver. Der Name Boe­se­la­ger ist doch fast iden­tisch mit dem Begriff „Mal­te­ser­or­den“ in Deutsch­land. Der Vater Phil­ipp Boe­se­la­ger war ein Mann des 20. Juli, Wider­stands­kämp­fer und ein Kron­zeu­ge des rhei­ni­schen Katho­li­zis­mus. Zur Fami­lie gehö­ren Kar­di­nä­le und Bischö­fe wie van Galen und Ket­te­ler. Vor die­sem Hin­ter­grund kann die Fra­ge zur jet­zi­gen Abset­zung nur lau­ten: cui bono? Ohne detail­lier­tes Hin­ter­grund­wis­sen habe ich den Ein­druck man schlägt nach einem alten Sprich­wort den Sack, um den Esel zu tref­fen, damit die­ser vor dem Febru­ar zum schwei­gen kommt. Eine sol­che Akti­on in die­ser Form – wie die jetzt erfolg­te Abset­zung Albrecht Frei­herr von Boe­se­la­gers- war uns ist dem Mal­te­ser­or­den, in sei­ner Tra­di­ti­on und den Ver­dien­sten der Fami­lie Boe­se­la­ger für die Mal­te­ser unwür­dig. Geschwächt wird aber auch die unab­hän­gi­ge Posi­ti­on der Mal­te­ser. Der Mal­te­ser­or­den ist ‑wie der hei­li­ge Stuhl ‑ein unab­hän­gi­ges nicht­staat­li­ches und sou­ve­rä­nes Vöker­rechts­sub­ject mit eige­nem von den Diö­ze­sen unab­hän­gi­gen Inkar­di­na­ti­ons­recht!!! Die­se Könn­te in der heu­ti­gen Zeit die Begehr­lich­keit auf inne­re Zer­stö­rung wecken.

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