Kardinal Pell stellt sich vor „Dubia“: „Wie könnte man nicht einverstanden sein, daß jemand eine Frage stellt?“


Kardinal Pell: "Wie könnte man nicht einverstanden sein, daß jemand eine Frage stellt?
Kardinal Pell: "Wie könnte man nicht einverstanden sein, daß jemand eine Frage stellt?"

(Rom) Kar­di­nal Geor­ge Pell, der Prä­fekt des vati­ka­ni­schen Wirt­schafts­se­kre­ta­ri­ats, stell­te sich an die Sei­te der vier Kar­di­nä­le, die Papst Fran­zis­kus fünf Dubia zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia vor­ge­legt und damit das päpst­li­che Umfeld in größ­te Auf­re­gung ver­setzt haben.

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Der aus Austra­li­en stam­men­de Kuri­en­kar­di­nal sprach in einem Inter­view mit Info­Ca­to­li­ca eine Hom­mage auf zwei zen­tra­le Enzy­kli­ken des Pon­ti­fi­kats von Johan­nes Paul II.,  Veri­ta­tis sple­ndor und Evan­ge­li­um vitae, aus. Kri­ti­ker des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats wer­fen Papst Fran­zis­kus vor, sorg­los mit den in Veri­ta­tis sple­ndor bekräf­ti­gen Maß­stä­ben umzu­ge­hen, wor­aus sich Wider­sprü­che erge­ben, die zu Unklar­heit und Ver­wir­rung führen.

„Falsche Ideen über das Gewissen breiten sich in der Kirche aus“

Kar­di­nal Pell kri­ti­sier­te „fal­sche Ideen“ über das Gewis­sen, die sich in der Kir­che aus­brei­ten. Er nann­te Papst Fran­zis­kus nicht nament­lich. Im ersten der umstrit­te­nen Inter­views mit dem Athe­isten Euge­nio Scal­fa­ri erklär­te Fran­zis­kus jedoch das „auto­no­me Gewis­sen“ zur Letzt­in­stanz. Bereits am 4. Sep­tem­ber hat­te das der Papst in einem Brief an Scal­fa­ri geschrie­ben: „Gott ver­gibt dem, der sei­nem Gewis­sen folgt.“ Die betref­fen­de Stel­le in dem am 1. Okto­ber 2013 ver­öf­fent­lich­ten Inter­view lautet:

Euge­nio Scal­fa­ri: Sie, Hei­lig­keit, haben es bereits in dem an mich gerich­te­ten Brief geschrie­ben. Das Gewis­sen ist auto­nom, haben Sie geschrie­ben, und jeder hat dem eige­nen Gewis­sen zu gehor­chen. Ich den­ke, daß das eine der mutig­sten Pas­sa­gen ist, die je von einem Papst gesagt wurden.

Papst Fran­zis­kus: Und hier wie­der­ho­le ich es. Jeder hat sei­ne Vor­stel­lung von Gut und Böse und muß sich dafür ent­schei­den, dem Guten zu fol­gen und das Böse zu bekämp­fen, so wie er sie versteht.

Bei die­ser und spä­te­ren Gele­gen­hei­ten ent­stand der Ein­druck, als sol­le das Gewis­sen gegen die dog­ma­ti­sche Leh­re aus­ge­spielt wer­den, und dem per­sön­li­chen Gewis­sen ein Vor­rang vor dem Gesetz zuge­spro­chen wer­den. Ent­schei­dend sei, nach die­ser Vor­stel­lung, nicht das objek­tiv Gute, dem es zu ent­spre­chen gilt. Ent­schei­dend sei, dem sub­jek­ti­ven Gewis­sen zu folgen.

Den „Vor­rang des Gewis­sens“ über­zu­be­to­nen, so Kar­di­nal Pell, könn­te „ver­hee­ren­de Fol­gen“ haben, wenn sich „das Gewis­sen nicht der Offen­ba­rung und dem Moral­ge­setz unterwirft“.

Der Kar­di­nal nann­te zur Ver­an­schau­li­chung kon­kre­te Bei­spie­le. Im Zusam­men­hang mit der Fra­ge der Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on sei die Rede vom Prie­ster, der mit dem Beich­ten­den durch Unter­schei­dung den besten Weg suchen soll: Auch im Forum inter­num haben sich bei­de, Prie­ster und Beich­ten­der, aber am Moral­ge­setz zu ori­en­tie­ren. Das Gewis­sen sei „nicht die letz­te Stim­me“, da jeder Gläu­bi­ge ver­pflich­tet ist, „der Moral­leh­re der Kir­che immer zu fol­gen“. Das Gewis­sen habe die Stim­me für das Moral­ge­setz zu sein.

„Es wäre Betrug, wenn der Priester zum Gläubigen nur sagt: ‚Folge deinem Gewissen‘ “

Es wäre „Betrug“, wenn ein Prie­ster auf kon­kre­te mora­li­sche Pro­ble­me „ein­fach“ nur mit der Emp­feh­lung ant­wor­ten wür­de, jeder sol­le „sei­nem Gewis­sen fol­gen“. Es bedür­fe der kla­ren Ori­en­tie­rung durch Unter­wei­sung, denn nur so kön­ne sich das Gewis­sen bil­den und zu rich­ti­gen Ent­schei­dun­gen gelangen.

Kar­di­nal Pell zitier­te dazu Schrif­ten über das Gewis­sen des seli­gen John Hen­ry New­man. New­man war im 19. Jahr­hun­dert von der angli­ka­ni­schen zur katho­li­schen Kir­che kon­ver­tiert und zum Kar­di­nal erho­ben wor­den. Er bezeich­ne­te es als „mise­ra­ble Fäl­schung“, zu behaup­ten, das Gewis­sen sei „das Recht auf den eige­nen Wil­len“. Die Kir­che habe mit gutem Grund, so Gre­gor XVI. und Pius IX., „ein Gewis­sen ver­ur­teilt, das Gott ablehnt und das Moral­ge­setz ablehnt“.

Die bei­den Enzy­kli­ken von Papst Johan­nes Paul II., Veri­ta­tis sple­ndor und Evan­ge­li­um vitae leh­ren, daß das Moral­ge­setz „für alle und immer ver­bind­lich ist“. An die­sem Maß­stab haben sich alle Hir­ten und alle Gläu­bi­gen der Kir­che zu hal­ten, so Kar­di­nal Pell.

„Absurd anzunehmen, durch ‚Unterscheidung‘ gelange man zu „Ausnahmen vom Moralgesetz“

Der Kuri­en­kar­di­nal bestä­tig­te, daß es unter Katho­li­ken ein Unbe­ha­gen gebe wegen „fal­scher Theo­rien über das Gewis­sen“, die sich in der Kir­che aus­brei­ten. Auf die Fra­ge, ob dadurch Ver­wir­rung in der Kir­che ent­stan­den sei, ant­wor­te­te der Kar­di­nal­prä­fekt: „Ja, das ist korrekt.“

Es sei „absurd“, wenn behaup­tet wer­de, durch „Unter­schei­dung“ gelan­ge man zu Situa­tio­nen, in denen es „Aus­nah­men vom Moral­ge­setz geben“ kön­ne. Papst Fran­zis­kus sieht im Wort „Unter­schei­dung“ (ital. dis­cer­ni­me­n­to) das Zau­ber­wort, das neue Türen öff­nen soll. Am 24. Okto­ber beton­te er es in beson­de­rer Wei­se bei sei­ner Begeg­nung mit den Obe­ren des Jesui­ten­or­dens. Er sprach sogar davon, daß es ihm „Angst macht“, beob­ach­ten zu müs­sen, daß es in den Prie­ster­se­mi­na­ren eine „Rück­kehr“ zur Stren­ge gebe, die von der „Unter­schei­dung“ wegführe.

Ange­spro­chen auf die Dubia der vier Kar­di­nä­le zu Amo­ris lae­ti­tia stell­te sich Kar­di­nal Pell auf deren Sei­te und ver­tei­dig­te ihr Vor­ge­hen kurz und bün­dig. Wört­lich sag­te der Kar­di­nal: „Wie könn­te man nicht damit ein­ver­stan­den sein, daß jemand eine Fra­gen stellt?“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

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