Tagles „Papabile“-Zug rollt weiter – mit Unterstützung von Papst Franziskus


Präferenzen: Papst Franziskus überreichte am Sonntag Kardinal Luis Antonio Tagle, dem Erzbischof von Manila, das erste Exemplar von Misericordia et misera
Präferenzen: Papst Franziskus überreichte am Sonntag Kardinal Luis Antonio Tagle, dem Erzbischof von Manila, das erste Exemplar von Misericordia et misera

(Rom) Eini­ge Kir­chen­krei­se ver­su­chen den phil­ip­pi­ni­schen Kar­di­nal Luis Anto­nio Tag­le als „Papa­bi­le“ in Stel­lung zu brin­gen. Die ersten Signa­le in die­se Rich­tung lie­gen bereits eini­ge Jah­re zurück. In jüng­ster Zeit wer­den es mehr.

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Es ist bekannt, daß pro­gres­si­ve Kir­chen­krei­se seit eini­ger Zeit Aus­schau hal­ten nach einem Nach­fol­ger für Papst Fran­zis­kus, der in drei Wochen 80 wird. Den „Früh­ling“, den sie Johan­nes XXIII. zuschrei­ben, und der durch die Wahl von Papst Fran­zis­kus zurück­ge­kehrt sei, wol­len sie die­ses Mal festhalten.

„Vollkommener Franziskus-Interpret“

Um ins Gespräch zu kom­men oder gebracht zu wer­den, eig­nen sich beson­ders Auto­bio­gra­phien. Ende Sep­tem­ber kam in Ita­li­en die Auto­bio­gra­phie von Kar­di­nal Tag­le, „Ich habe von den Letz­ten gelernt“ (Ho impa­ra­to dag­li ulti­mi), in den Buch­han­del. Um genau zu sein, han­delt sich um ein auto­bio­gra­phi­sches Gespräch mit dem Jour­na­li­sten Gerola­mo Fazzini. Daß damit „Höhe­res“ beab­sich­tigt ist, las­sen bereits Erschei­nungs­ort und Spra­che erken­nen. Der Erz­bi­schof von Mani­la ver­öf­fent­licht sei­ne Auto­bio­gra­phie in Ita­li­en und in ita­lie­ni­scher Spra­che. In Rom lau­fen die Fäden der Kir­che zusam­men und Ita­lie­nisch ist die inof­fi­zi­el­le Ver­kehrs­spra­che in der Kirche.

Der Lei­ter der pro­gres­si­ven Schu­le von Bolo­gna, Alber­to Mel­lo­ni, rühr­te laut­stark auf der Apen­ni­nen­halb­in­sel die Trom­mel für Tagles Auto­bio­gra­phie. Dafür stan­den ihm die Spal­ten der links­li­be­ra­len Tages­zei­tung La Repubbli­ca offen. Der „ein­zi­gen“ Tages­zei­tung, die Papst Fran­zis­kus liest. Tag­le sei der „voll­kom­me­ne Fran­zis­kus-Inter­pret“, so Mel­lo­ni. Von 1995–2001 gehör­te Tag­le selbst zum Redak­ti­ons­team des Haupt­pro­jekts der Schu­le von Bolo­gna, der mehr­bän­di­gen „Geschich­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils.

„Ein für Kardinäle verbotenes Buch“

Nun ist auch eine spa­ni­sche Aus­ga­be des Buches erschie­nen. Damit nähern wir uns zumin­dest histo­risch den Phil­ip­pi­nen. Das Insel­ar­chi­pel war von 1565“”1898 ein Teil Neu­spa­ni­ens. Spa­nisch blieb bis 1973 Amts­spra­che, wur­de aber nur von einer klei­nen Min­der­heit gesprochen.

Spanische Ausgabe der Tagle-Autobiographie
Spa­ni­sche Aus­ga­be der Tagle-Autobiographie

Der Kar­di­nal zielt mit sei­ner Auto­bio­gra­phie, das jeden­falls steht fest, nicht auf ein Publi­kum in sei­ner phil­ip­pi­ni­schen Hei­mat ab.

Auch die spa­ni­sche Buch­aus­ga­be wird publi­zi­stisch von bekann­ten pro­gres­si­ven Krei­sen unter­stützt. Der spa­ni­sche Titel unter­schei­det sich leicht vom ita­lie­ni­schen Ori­gi­nal und lau­tet: „Ich habe von den Armen gelernt“.

Die pro­gres­si­ve Nach­rich­ten­platt­form Reli­gi­on Digi­tal berich­te­te gestern dar­über als „ein für Kar­di­nä­le ver­bo­te­nes Buch“. „Wenn die Lek­tü­re des neu­en Buches für Kar­di­nä­le nicht ver­bo­ten ist, dann ist sie zumin­dest nicht emp­feh­lens­wert“, so Anto­nio Ara­dil­las (Reli­gi­on Digi­tal) in sei­ner Besprechung.

Gemeint ist aber ledig­lich ein Koket­tie­ren mit pro­gres­si­ven Chif­fren, mit denen Signa­le aus­ge­sen­det wer­den. Ara­dil­las for­mu­lier­te es so: „Für vie­le Kar­di­nä­le, beson­ders jene, die als ‚Emi­nen­tis­si­mi et Reve­r­en­dis­si­mi‘ Pur­pur­trä­ger mit dem Titel von ‚Kir­chen­für­sten‘ wir­ken, wird das auto­bio­gra­phi­sche Buch von ‚Kar­di­nal Tag­le‘ pro­vo­kant bis skan­da­lös wirken.“

Wenn Ara­dil­las auch „Kar­di­nal Tag­le“ unter Anfüh­rungs­zei­chen setzt, hat das damit zu tun, daß der Kar­di­nal sich von allen am lieb­sten „Chi­to“ nen­nen läßt, aber eine for­ma­le Anre­de mit sei­nen kirch­li­chen Titeln ablehnt.

„Weltfrieden hängt von Fähigkeit der Religionen zum Zusammenleben ab“

Tag­le sei „einer der Kar­di­nä­le, der dem Stil und dem Lehr­amt von Papst Fran­zis­kus am näch­sten steht“, wie man aus den „zahl­rei­chen Auf­ga­ben erse­hen kön­ne, die der Papst ihm anver­traut“ hat. Der Kar­di­nal beken­ne sich zu einer „Ein­heit mit dem Volk“. Für ihn wur­de das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil „nicht voll­stän­dig umge­setzt“. Zu den „vor­ran­gi­gen The­men“ zählt er den „öku­me­ni­schen und inter­re­li­giö­sen Dialog“.

Der Frie­den in der Welt hängt für den phil­ip­pi­ni­schen Kar­di­nal nicht von Jesus Chri­stus ab, son­dern von der „Fähig­keit der ver­schie­de­nen Reli­gio­nen, zusam­men in einem Kli­ma des gegen­sei­ti­gen Respekts zu leben“.

„Die Zukunft der Kir­che liegt in Asi­en, wo es viel mehr Chri­sten gibt, als wir glau­ben“, so Tag­le in sei­nem neu­en Buch. In dem er auch bekennt: „Ich ler­ne viel von den ein­fa­chen Menschen“.

„Haben wir hier die Knospe für eine zweite Version von Papst Franziskus?“

Reli­gi­on Digi­tal gerät schließ­lich ins Schwär­men für den Erz­bi­schof von Mani­la und sieht ihn – wie Mel­lo­ni in Ita­li­en – als idea­len Nach­fol­ger für Papst Fran­zis­kus: „Haben wir hier, durch Got­tes Barm­her­zig­keit, bereits die Knos­pe für eine zwei­te Ver­si­on von Papst Fran­zis­kus? Bei allem Respekt, aller Auf­rich­tig­keit und Treue zum Evan­ge­li­um: Wel­che und wie vie­le Kar­di­nä­le – und nicht – kön­nen ihrer Auto­bio­gra­phie den Titel geben ‚alles war sie wis­sen, von den Armen gelernt zu haben‘?“

Denkt Papst Fran­zis­kus auch so? In der Tat hat er dem phil­ip­pi­ni­schen Kar­di­nal eine Rei­he von Auf­ga­ben über­tra­gen. Im Mai 2015 mach­te er ihn zum Prä­si­den­ten der Cari­tas Inter­na­tio­na­lis. Eine Schlüs­sel­po­si­ti­on in den Augen von Papst Fran­zis­kus, ange­sichts der Opti­on für die Armen. Dar­in sind 165 natio­na­le Cari­tas-Orga­ni­sa­tio­nen zusam­men­ge­schlos­sen, die welt­weit tätig sind. Die Cari­tas Inter­na­tio­na­lis ist mit einer eige­nen Dele­ga­ti­on bei der UNO akkreditiert.

Gesten päpstlicher Präferenz

Vergangener Sonntag: Papst und Kardinal Tagle
Ver­gan­ge­ner Sonn­tag: Papst und Kar­di­nal Tagle

Es sind zudem eine Rei­he klei­ne­rer und grö­ße­rer Gesten, die eine päpst­li­che Prä­fe­renz für Kar­di­nal Tag­le erken­nen lassen.

Am ver­gan­ge­nen Sonn­tag unter­zeich­ne­te Papst Fran­zis­kus auf dem Peters­platz nach Ende des Ange­lus das Apo­sto­li­sche Schrei­ben Miser­i­cor­dia et mise­ra, mit dem er das Hei­li­ge Jahr der Barm­her­zig­keit been­de­te und bekannt­gab, wie die­ses Jubel­jahr wei­ter­wir­ken soll. Eini­ge gedruck­te Exem­pla­re des Schrei­bens wur­den von Fran­zis­kus per­sön­lich „in Ver­tre­tung des gan­zen Got­tes­vol­kes“ eini­gen Per­so­nen über­reicht. Die­se „Ver­tre­ter“ waren hier­ar­chisch geglie­dert: ein Kar­di­nal, ein Erz­bi­schof, zwei Mis­sio­na­re der Barm­her­zig­keit, ein stän­di­ger Dia­kon, zwei Ordens­leu­te, eine Fami­lie, ein jun­ges Braut­paar, zwei Kate­che­tin­nen der Diö­ze­se Rom, ein gei­stig und ein kör­per­lich Behinderter.

Der erste „Ver­tre­ter des Got­tes­vol­kes“ der vor­trat und die größ­te Auf­merk­sam­keit erhielt, war Luis Anto­nio Kar­di­nal Tagle.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati​can​.Va (Screen­shots)

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