Philippika 2 – Sterbebegleitung in der Erzdiözese Wien


Sterbesegen: Ende Jänner 2016 erhielten alle Haupt- und Ehrenamtlichen Krankenhausseelsorger der Erzdiözese Wien ein Büchlein zugesandt: „Die Feier des Sterbesegens. Eine liturgische Handreichung für alle Getauften.“ Herausgegeben wurde das Büchlein vom „Arbeitskreis Sterbesegen, Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge, Kategoriale Seelsorge der Erzdiözese Wien".
Sterbesegen: Ende Jänner 2016 erhielten alle Haupt- und Ehrenamtlichen Krankenhausseelsorger der Erzdiözese Wien ein Büchlein zugesandt: „Die Feier des Sterbesegens. Eine liturgische Handreichung für alle Getauften.“ Herausgegeben wurde das Büchlein vom „Arbeitskreis Sterbesegen, Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge, Kategoriale Seelsorge der Erzdiözese Wien".

von Ste­pha­nus Flavius

Anzei­ge

Spä­te­stens seit der Prä­sen­ta­ti­on von Amo­ris Lae­ti­tia am 8. April 2016 ist bekannt, daß Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born – wenig­stens in eini­gen Fäl­len –, die Spen­dung der  Kom­mu­ni­on an Men­schen für mög­lich hält, die nicht nach dem Gesetz Got­tes und dem Gebot der Kir­che leben. In sei­nem Bei­trag Das Mar­ty­ri­um des hl. Karl Lwan­ga: Bot­schaft für die Kir­che – auch für Papst und Bischö­fe konn­te der Theo­lo­ge Wolf­ram Schrems zei­gen, daß sol­che Mei­nun­gen einer posi­ti­vi­sti­schen Situa­ti­ons­ethik ent­sprin­gen, und ihre Wur­zel – wie Johan­nes Paul II. in Veri­ta­tis sple­ndor beklagt – in einer man­geln­den theo­lo­gi­schen Durch­drin­gung und Rezep­ti­on des Begriffs des intrin­se­ce malum fin­den. Das allein mag bei einem „Ratz­in­ger­schü­ler“ erstau­nen. Und damit ist aber erst die eine Sei­te der Sache angesprochen: 

Noch erstaun­li­cher ist die Vor­stel­lung von Wesen, Wert und Bedeu­tung der Sakra­men­te, die den Doku­men­ten und der Pra­xis der Erz­diö­ze­se Wien zugrun­de liegt. Die­se Diö­ze­se wird seit über 20 Jah­ren von Erz­bi­schof Schön­born regiert. Wir dür­fen also davon aus­ge­hen, daß er ihr Leben maß­geb­lich geprägt hat.

Der Krankensegen

Ende Jän­ner 2016 erhiel­ten alle Haupt- und Ehren­amt­li­chen Kran­ken­haus­seel­sor­ger der Erz­diö­ze­se Wien ein Büch­lein zuge­sandt: „Die Fei­er des Ster­be­se­gens. Eine lit­ur­gi­sche Hand­rei­chung für alle Getauf­ten.“ Her­aus­ge­ge­ben wur­de das Büch­lein vom „Arbeits­kreis Ster­be­se­gen, Kran­ken­haus- und Pfle­ge­heim­seel­sor­ge, Kate­go­ria­le Seel­sor­ge der Erz­diö­ze­se Wien“. Wie der Leser dem Vor­wort von Kar­di­nal Schön­born (Teil A) sowie der Pasto­ra­len Ein­füh­rung (Teil B) ent­nimmt, soll der Ster­be­se­gen „kein Ersatz oder Kon­kur­renz zu den Sakra­men­ten sein“ (S. 8f). Und doch ist er „eine lit­ur­gi­sche Fei­er, die ana­log zu den ande­ren lit­ur­gi­schen Fei­ern gestal­tet ist“ (S. 9). Nach­dem der Fas­zi­kel „Die Fei­er der Kran­kensakra­men­te“ im VI. Kapi­tel bereits Ster­be­ge­be­te ent­hält, stellt sich die Fra­ge nach dem Sinn die­ser lit­ur­gi­schen Hand­rei­chung. Einen Hin­weis gibt zunächst das Vor­wort Kar­di­nal Schön­borns: Häu­fig müß­ten wir näm­lich erle­ben, daß die „Ster­be­sa­kra­men­te“ nicht mehr gespen­det wer­den könn­ten, „weil sie ent­we­der nicht ange­nom­men wer­den oder aus ande­ren Grün­den nicht mög­lich sind.“ Und unmit­tel­bar dar­an anschlie­ßend for­mu­liert der Erz­bi­schof von Wien: „Der Ster­be­se­gen bie­tet einen wei­te­ren Weg, wie an der Schwel­le des Todes Got­tes ber­gen­de Gegen­wart erfahr­bar wer­den kann“ (S. 7f). Das kann wohl unmög­lich so ver­stan­den wer­den, daß es neben dem Emp­fang der Ster­be­sa­kra­men­te noch einen alter­na­ti­ven Heils­weg gäbe. Und doch soll er in jenen Situa­tio­nen gespen­det wer­den, in denen die Ster­be­sa­kra­men­te „nicht ange­nom­men wer­den“. Es lohnt also ein zwei­ter Blick in die das Bänd­chen beglei­ten­den Schreiben.

„Stimmigkeit“ als Kriterium kirchlichen Handelns

Christoph Schmitz, dem Leiter der Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorge der Erzdiözese Wien
Chri­stoph Schmitz, der Lei­ter der Kran­ken­haus- und
Pfle­ge­heim­seel­sor­ge der Erz­diö­ze­se Wien

Dem Büch­lein lagen ein von Mag. Chri­stoph Schmitz, dem Lei­ter der Kran­ken­haus- und Pfle­ge­heim­seel­sor­ge der Erz­diö­ze­se Wien, unter­fer­tig­ter Brief und ein Hand­out bei. Beson­ders das in acht Punk­te geglie­der­te Hand­out gibt tie­fen Ein­blick in das Den­ken der Ver­ant­wort­li­chen: Der erste Punkt erklärt: Der Ster­be­se­gen sol­le vor allem dort eine Hil­fe sein, „wo die Kran­ken­sal­bung bzw. die Weg­zeh­rung nicht stim­mig oder nicht mehr mög­lich sind.“ Was hier unter „stim­mig“ zu ver­ste­hen ist, erfährt der Leser im vier­ten Punkt: „Immer wie­der tref­fen wir auf Men­schen, die aus ver­schie­den­sten Grün­den (aus­ge­tre­ten, nicht dis­po­niert) kein Sakra­ment emp­fan­gen kön­nen oder wol­len, die aber trotz­dem einen reli­giö­sen, christ­li­chen Ritus wünschen.“
Ich fra­ge mich ernst­lich: Was erbit­tet ein Ster­ben­der von der Kir­che Got­tes, wenn er par­tout kein Sakra­ment emp­fan­gen möch­te? Ist ein Ster­be­se­gen wirk­lich die Lösung für Ster­ben­de, in deren „reli­giö­sem Emp­fin­den“ die Fei­er der Sakra­men­te „nicht mehr ver­an­kert“ ist (Die Fei­er des Ster­be­se­gens S. 9)? Hat der Herr nicht von Niko­de­mus ver­langt von neu­em aus Was­ser und Geist  gebo­ren zu wer­den? Der Evan­ge­list Johan­nes (3,1–13) berich­tet von Schwie­rig­kei­ten des Niko­de­mus, der den Herrn nicht ver­ste­hen konn­te oder woll­te. Von einem „stim­mi­ge­ren“ Alter­na­tiv­an­ge­bot des Herrn berich­tet er nichts.
Kön­nen Men­schen, die in ihrer Ster­be­stun­de nicht für den Sakra­men­ten­emp­fang dis­po­niert sind, in den Him­mel ein­ge­hen? Wir spre­chen hier – wohl­ge­merkt – nicht von beson­de­ren Situa­tio­nen, in denen kein Prie­ster zu errei­chen wäre, son­dern vom seel­sorg­li­chen All­tag in Wiens Kran­ken­häu­sern. Mahnt der Apo­stel Pau­lus denn nicht im 1. Korin­ther­brief (6,9): „Wißt ihr denn nicht, daß Unge­rech­te das Reich Got­tes nicht erben wer­den?“ Muß daher nicht jeder ver­ant­wor­tungs­be­wuß­te Seel­sor­ger alles tun, um einen Ster­ben­den zu einer guten Beich­te zu bewe­gen? Es erscheint zynisch, Ster­ben­de in fal­scher Gewiß­heit zu wie­gen und ihnen einen alter­na­ti­ven „reli­giö­sen, christ­li­chen Ritus“ (Hand­out, 4. Punkt) anzubieten.
Im Jah­re 2014 hat Papst Fran­zis­kus bei der Römi­schen Kurie 15 Krank­hei­ten dia­gno­sti­ziert. Unter ande­rem warnt er vor Gleich­gül­tig­keit gegen­über ande­ren. Die­se War­nung soll­te nicht nur in Rom gehört werden.

Die Stunde der Laien

Viel­leicht ahnt es der eine oder ande­re geschätz­te Leser schon: Der Lei­ter der Kran­ken­haus­seel­sor­ge der Erz­diö­ze­se, Mag. Chri­stoph Schmitz, ist weder Prie­ster noch Theo­lo­ge, son­dern stu­dier­ter Psy­cho­lo­ge und aus­ge­bil­de­ter Psy­cho­the­ra­peut. Das erklärt sei­nen Zugang zur Sache (Hand­out 2. Punkt): „Im Blick sind Situa­tio­nen in Todes­nä­he, in denen vor allem die Ange­hö­ri­gen des ster­ben­den Men­schen um (ritu­el­le) Unter­stüt­zung bit­ten. Das Ster­ben ist wie die Geburt ein ‚hei­li­ger Augen­blick‘ – eine stim­mi­ge ritu­el­le Fei­er kann hel­fen, die kri­sen­haf­te  Situa­ti­on zu bewäl­ti­gen, berei­tet aber auch den Boden für eine spi­ri­tu­el­le Erfah­rung bzw. Erah­nung.“ Wenn die Kran­ken­sal­bung häu­fig in Todes­nä­he gespen­det wer­de, so erfah­ren wir wei­ter (Hand­out 6. Punkt), dann hät­ten kran­ke Men­schen Angst, sie zu emp­fan­gen. Lei­der bleibt uns der Autor die Erklä­rung schul­dig, war­um das für einen Ster­be­se­gen nicht gel­ten soll­te, der ja sei­ner Natur nach, aus­schließ­lich in Todes­nä­he gespen­det wird. Offen­bar sind die­se Zusam­men­hän­ge nur für stu­dier­te Psy­cho­lo­gen ohne wei­te­res einsichtig.
Auf­schluß­reich ist der letz­te, ach­te Punkt des Hand­outs. Dort ist auf ein­mal – wenn auch unter Anfüh­rungs­zei­chen – von „Gül­tig­keit“ die Rede, und – dies­mal unter­stri­chen – von einem offi­zi­el­len Ritus, der den Ange­hö­ri­gen, und nicht etwa dem Ster­ben­den selbst, Sicher­heit geben soll.
Spä­te­stens jetzt wird, auch ohne Psy­cho­lo­gie­stu­di­um, der Sinn der Übung klar: Es geht dar­um auch am Ster­be­bett eine lit­ur­gi­sche Betä­ti­gung für Lai­en zu kre­ieren. Lit­ur­gi­sches Han­deln wird hier aus­schließ­lich als öffent­li­che Betä­ti­gung und Selbst­dar­stel­lung der Kir­che begrif­fen. Das Wir­ken Got­tes spielt, wenn über­haupt, nur eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. Der geweih­te Amts­trä­ger, der in per­so­na Chri­sti han­delt scheint, so bese­hen, besten­falls über­flüs­sig, oder als Usur­pa­tor des all­ge­mei­nen Prie­ster­tums Chri­sti. Es erstaunt nicht wenig, daß ein aus­ge­wie­se­ner „Ratz­in­ger­schü­ler“ wie Kar­di­nal Schön­born, einer sol­chen Hand­rei­chung sei­ne „Appro­ba­ti­on“ erteilt (Begleit­brief von Chri­stoph Schmitz vom 20.01.2016).
In einer berühm­ten Weih­nachts­an­spra­che vor der Römi­schen Kurie hat Papst Fran­zis­kus sei­ne Zuhö­rer ermahnt, sich nicht in Riva­li­tä­ten zu ver­lie­ren und zu prah­len. Viel­leicht betrifft die­se Mah­nung nicht nur die Mit­ar­bei­ter der Römi­schen Kurie, son­dern auch das Ver­hält­nis von Kle­ri­kern und Lai­en im Dienst der Erz­diö­ze­se Wien. Es mag Men­schen befrem­den, wenn über vio­let­te Knöp­fe und Ehren­ti­tel gestrit­ten wird. Aber es gefähr­det das See­len­heil, wenn Sakra­men­te durch Segens­fei­ern ersetzt wer­den, damit Lai­en­an­ge­stell­te im kirch­li­chen Dienst, sich nicht zurück­ge­setzt fühlen.

Der Wunsch der Urgroßmutter

Wie so häu­fig bei Kar­di­nal Schön­born, erfah­ren wir im Vor­wort zur lit­ur­gi­schen Hand­rei­chung auch Per­sön­li­ches, Auto­bio­gra­phi­sches. Zunächst kon­sta­tiert der Kar­di­nal eine all­ge­mei­ne Hilf­lo­sig­keit ange­sichts des Ster­bens, um dann einen Rat zu geben: „Eines der zen­tra­len Gebe­te, die ‚comen­da­tio ani­mae‘, ist mir per­sön­lich sehr wich­tig. Mei­ne Urgroß­mutter hat immer gefragt: ‚Kannst Du die Ster­be­ge­be­te?‘ Sie woll­te sicher sein, wenn sie stirbt, dass jemand dabei ist, der die Ster­be­ge­be­te aus­wen­dig kann. Frü­her konn­ten vie­le Men­schen die­ses Gebet aus­wen­dig. Ich fürch­te, heu­te kann sie kaum jemand mehr, ich auch nicht.“
Papst Fran­zis­kus hat ein­mal gegen­über den Mit­ar­bei­tern der Kurie von „spi­ri­tu­el­lem Alz­hei­mer“ gespro­chen. Aber er hat sich wohl nur auf die Kuri­en­kar­di­nä­le bezogen.

Bis­her erschienen:
Phil­ip­pi­ka 1 – Der Name der Pfarre

Text: Ste­pha­nus Flavius
Bild: erdiözese-wien.at (Screen­shots)

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