(Rom) In unregelmäßigen Abständen fällt in Rom das Stichwort Medjugorje. Obwohl die Bekanntgabe einer römischen Entscheidung mehrfach angekündigt wurde, kam es bisher nicht dazu. Etwas scheint vom beabsichtigten „Pronunciamento“ abzuhalten. Wie sind in diesem Zusammenhang die heutigen Worte von Papst Franziskus zu verstehen?
Papst Benedikt XVI. ernannte zur Untersuchung des Phänomens eine internationale Kommission. Mit der Leitung beauftragte er eine Person seines absoluten Vertrauens, Camillo Ruini, den ehemaligen Kardinalvikar von Rom. Im Februar 2012 gab der Kardinal bekannt, daß der Schlußbericht spätestens im September des Jahres dem Papst übergeben werde. Aus diesem Grund wurde noch vor Jahresende eine Stellungnahme Benedikts erwartet. Durch den unerwarteten Amtsverzicht blieb die Frage der Echtheit der angeblichen „Marienerscheinungen“ offen und ging an seinen Nachfolger über. Seither sind weitere vier Jahre vergangen.
Papst Franziskus kündigte am 6. Juni 2015 bei seinem Sarajevo-Besuch eine baldige Entscheidung zu Medjugorje an: „Wir sind nahe dran, Entscheidungen zu treffen“. Doch es geschah nichts. Die Franziskus nahestehende Nachrichtenplattform Vatican Insider kündigte dann am 3. August 2015 eine päpstliche Entscheidung „für den Herbst“ an. Doch auch dann geschah nichts.
Am 2. Juli 2016 meldete die kroatische Tageszeitung VeÄernji list, daß Medjugorje als Gebetsstätte anerkannt und direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt werde. Die Nachricht wurde von Vatikansprecher Pater Federico Lombardi am 4. Juli dementiert. Seither hat sich in der Sache nichts mehr getan. So „nahe dran, Entscheidungen zu treffen“, war man Anfang Juni 2015 offenbar doch nicht. Jedenfalls hält etwas vom beabsichtigten „Pronunciamento“ ab.
Neues Phänomen: seit 1981 eine Flut an Botschaften
In seiner heutigen Predigt bei der morgendlichen Heiligen Messe in Santa Marta sprach der Papst nicht von Medjugorje, kam jedoch auf ein Thema zurück, das von Beobachtern damit in Zusammenhang gebracht wird.
Franziskus kritisierte das, was in Fachkreisen als „apparitionistisches“ Verhalten bezeichnet wird. Gemeint ist damit eine Sensations- und Wundersucht, vor allem ein Drang nach göttlichen „Botschaften“ und „Erscheinungen“. Das Phänomen ist nicht neu, in der spezifischen Form allerdings schon, und das hat mit der Flut an „Botschaften“ zu tun, die „Erscheinungen“ von Maria oder Jesus in jüngster Zeit angeblich von sich geben.
Die Kirche kennt und anerkennt himmlische Erscheinungen seit bald 2000 Jahren. Bereits das Alte Testament kennt sie. Unsere Liebe Frau auf dem Pfeiler, die Virgen del Pilar, erschien der Überlieferung nach am 2. Januar 40 in Saragossa dem Apostel Jakobus dem Älteren, um ihn zum Apostelkonzil nach Jerusalem zu rufen. Das war wenige Jahre nach dem Tod Christi am Kreuz und noch zu Lebzeiten Mariens. Immer wieder trat seither die Gottesmutter als himmlische Botschafterin auf. Die Kirche prüft die Phänomene auf ihre Echtheit. Zu den anerkannten Erscheinungsorten, mit denen Botschaften verbunden sind, gehören Lourdes und Fatima.
In Medjugorje trat ein bisher in der Kirchengeschichte unbekanntes Phänomen: eine Flut von Botschaften. In der Herzegowina „erscheint“ die Gottesmutter laut deren Angaben, seit 1981 sechs „Sehern“. Nicht nur die seit 35 Jahren anhaltende Dauer der „Erscheinungen“ sprengt das bisher Gekannte, sondern vor allem die Anzahl der mitgeteilten „Botschaften“ an die Menschheit. In den ersten Jahren wurden diese „Botschaften“ im Wochenrhythmus erteilt, seit 1987 im Monatsrhythmus. Allerdings gibt es noch eine Vielzahl zusätzlicher Botschaften an einzelne „Seher“. Die Gesamtzahl wird selbst nach vorsichtiger Schätzung mit mehr als tausend angegeben.
Noch erstaunlicher ist, daß sich seit Medjugorje dieses historisch ungewöhnliche Phänomen weltweit vervielfacht hat. Nach dem „Modell“ Medjugorje „erteilt“ die Gottesmutter oder Jesus seither an vielen Orten verschiedenen „Sehern“ eine Flut an „Botschaften“. Ihre Gesamtzahl geht nach groben Schätzungen in die Zehntausende. Religionssoziologen und Theologen befassen sich auch mit der Frage, was es mit dieser „Flut“ auf sich hat, deren Beginn 1981 und deren Ausgangspunkt Medjugorje zu sein scheint.
„Reich Gottes ist keine Religion des Spektakels“
Heute sagte der Papst wörtlich:
„Das Reich Gottes ist keine Religion des Spektakels: wo wir immer neue Dinge, Offenbarungen, Botschaften suchen … Gott hat durch Jesus Christus gesprochen: Das ist Gottes Letztes Wort. Das andere ist wie ein Feuerwerk, das dich für einen Moment erleuchtet, und dann bleibt was? Nichts. Da ist kein Wachstum, da ist kein Licht, da ist nichts: ein Augenblick. Und viele Male sind wir versucht worden von dieser Religion des Spektakels, Dinge zu suchen, die der Offenbarung fremd sind, der Sanftmut des Reiches Gottes, das unter uns ist und wächst. Und das ist nicht Hoffnung: Es ist die Lust, etwas in der Hand zu haben. Unser Heil gibt man in der Hoffnung, die Hoffnung, die der Mensch hat, der das Weizenkorn aussät, oder die Frau, die Hefe und Mehl zu Brot backt: die Hoffnung, die wächst. Diese künstliche Helligkeit hingegen ist alles nur für einen Moment, und dann ist sie weg wie die Feuerwerke: Sie taugen nicht, um das Haus zu erhellen. Es ist ein Spektakel.“
Sind diese Worte auch auf Medjugorje bezogen, wie manche Kommentatoren heute vermuteten? Die Frage kann nicht beantwortet werden, weil Papst Franziskus keinen direkten Zusammenhang herstellte und zu Medjugorje keine Entscheidung trifft.
Bereits 2012 hatte die internationale Untersuchungskommission ihren Abschlußbericht fertiggestellt. Lange Zeit blieb er auch nach dem Papstwechsel versiegelt. Erst im Februar 2014 ließ Papst Franziskus Kardinal Ruini rufen, um sich den Abschlußbericht der internationalen Untersuchungskommission aushändigen zu lassen.
Der schwierige Umgang mit einer Entscheidung
Die laut Kirchenrecht zuständigen Stellen, der Bischof von Mostar bereits in den 80er Jahren, die Bischofskonferenz 1991, haben sich negativ ausgesprochen. Gleichzeitig toleriert die Kirche aber das Phänomen mit gewissen Einschränkungen. Ein Grund dafür liegt im Umstand, daß die angeblichen „Erscheinungen“ nicht abgeschlossen sind, und daher ein letztgültiges Urteil nicht leicht fällt. Hinzu kommen pastorale Überlegungen. Jährlich pilgern hunderttausende Menschen in den herzegowinischen Ort. Ein negativer Bescheid durch Rom könnte viele von ihnen vor den Kopf stoßen und Spaltungen provozieren. Im Sommer 2015 war in Medienberichten von „Heiligem Krieg“ und „Schismagefahr“ die Rede, weshalb Medjugorje für den Vatikan ein „heißes Eisen“ sei.
In den USA und in Spanien, zum Teil auch in Italien, haben Bischöfe öffentliche Auftritte von „Sehern“ aus Medjugorje untersagt, vor allem wenn diese mit „Erscheinungen“ verbunden sind. „Weder dem Klerus noch den Gläubigen ist es erlaubt, an Treffen und Konferenzen teilzunehmen, bei denen die Glaubwürdigkeit dieser Erscheinungen als sicher behauptet wird“, ließ der Primas von Spanien verlauten.
Kardinal Bergoglio gestattete Auftritte von „Sehern“
Kardinal Bergoglio erlaubt als Erzbischof von Buenos Aires in seiner Diözese Auftritt von Medjugorje-„Sehern“. Ivan Dragicevic steht im Mittelpunkt der Sanktionen, die die Glaubenskongregation von den zuständigen Ortsbischöfen fordert. Kardinal Bergoglio erteilte Dragicevic noch kurz vor seiner Abreise zum Konklave nach Rom die Erlaubnis, in Buenos Aires zu sprechen. An den Treffen am 4. und 6. März 2013 nahmen 15.000 Menschen teil. Pater Berislav Ostojic, ein herzegowinischer Franziskaner aus Citluk nahe Medjugorje, war von 2010 bis zum Konklave Bergoglios Beichtvater. Ein Umstand, der vielleicht Einfluß auf die damaligen Entscheidungen hatte.
Am 7. September 2013 kritisierte Franziskus als Papst erstmals bei einer morgendlichen Predigt „Christen ohne Christus“, die sich an „Erscheinungen klammern“, und „die etwas Besonderes suchen“. Ohrenzeugen berichteten, daß er als Negativbeispiel namentlich Medjugorje erwähnt hatte. Er sprach von einem „Offenbarungsspektakel“ zu dem es Menschen dränge, „um neue Dinge zu hören“. Die Offenbarung, so der Papst, sei jedoch „mit dem Neuen Testament abgeschlossen“.
In den beiden Zusammenfassungen der Kurzpredigt in Santa Marta, die von Radio Vatikan und vom Osservatore Romano erstellt wurden, findet sich die Erwähnung von Medjugorje nicht.
Meint der Papst auch Medjugorje?
Am 14. November 2013 kam Franziskus auf das Thema zurück: „Die Neugierde treibt uns dazu, hören zu wollen, daß der Herr da oder dort ist; oder läßt uns sagen: ‚Aber ich kenne einen Seher, eine Seherin, die Briefe von der Gottesmutter erhält, Botschaften von der Gottesmutter‘. Aber die Gottesmutter ist Mutter! Sie ist nicht die Leiterin eines Postamtes, um täglich Botschaften zu senden. Diese Neuheiten entfernen vom Evangelium, vom Frieden und von der Weisheit, von der Herrlichkeit Gottes, von der Schönheit Gottes. Jesus sagt, daß das Reich Gottes nicht auf eine Weise kommt, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken: es kommt in der Weisheit.“
Meinte Papst Franziskus mit seiner heutigen Kritik an der Sensationssucht auch den Ort in der Herzegowina?
Im Vatikan scheint man es mit einer Entscheidung jedenfalls nicht oder nicht mehr eilig zu haben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
Die Botschaften von Medjugorje, soweit ich diese kenne, sind aber eher unspektakulär. Darin steht nichts Neues, in dem Sinne, das es der Lehre der katholischen Kirche Abbruch tun würde. Aber wieder einmal versteht man nicht, was Papst Franziskus da überhaupt meint.
Sie sind teilweise nichtssagend, das stimmt. Teilweise enthalten sie aber auch „neues“, was zumindest häresieverdächtig ist. Vor allem hören sie nicht auf, erfolgen wie am Fließband. Für mich spricht das schon gegen ihre Authentizität. Jedenfalls können sie deswegen gar nicht abschließend beurteilt werden. Die „echte“ Muttergottes weiß das und hätte schon deshalb längst aufgehört, „zu erscheinen“.
Medjugorje ist sicher das größte derartige Phänomen, meines Erachtens geradezu eine Mejugorje-Industrie. Doch diese Erscheinungswut gibt es zunehmend ja auch im traditionalistischen Umfeld. Nichts gegen das Gebet des Rosenkranzes. Aber mit Blick auf Fatima muss ich sagen, dass insbesondere eine quasi magisch-automatistische Vorstellung der Russlandweihe und ihrer Wirkung sicher verfehlt und verzerrt ist. Überhaupt besagt das kirchliche Urteil über Erscheinungen ja eher etwas negatives: es bestätigt meines Erachtens weniger die „Echtheit“ oder „Tatsächlichkeit“ eines bestimmten Phänomens, sondern an sich nur, dass es nichts enthält, was der kirchlichen Glaubens- u. Morallehre widerspricht, dass es also erfolgt sein und „himmlischen Ursprungs“ sein k a n n.
Ich persönlich befasse mich daher so gut wie nicht mit Erscheinungen und Botschaften, nicht einmal mit jenen, bei denen die kirchenamtliche Stellungnahme erlaubt, ihre Glaubwürdigkeit zu bejahen: In Lourdes war ich schon, und es hat mir sehr gut gefallen. Jederzeit würde ich wieder hinfahren. Fatima zieht mich als Ort hingegen persönlich überhaupt nicht an.
Ja da ist es wieder,dieses unsägliche „meinte der Papst dies,meinte der Papst das“ und wieder mal eins zu null für Diabolo.
Hochgeehrte @Stella, Sie brachten mich gerade zum Lachen!
„Eins zu null für Diabolo“: ich mußte doch an Null-Null denken, und so heißt auch der Ort, wo diese Meinungen und Aussagen wahrscheinlich am besten entsorgt werden.
„Die Offenbarung, so der Papst, sei jedoch mit dem Neuen Testament abgeschlossen“.
Wenn es nach dem Neuen Testament keine weiteren Offenbarungen mehr gibt, wie ist das dann mit den (Priviat?)Offenbarungen in Bezug auf Guadalupe, La Salette, Lourdes, Fatima, .…?
Oder der (Privat?)Offenbarung an die Hl. Juliana von Lüttich, auf die ja das Fronleichnamsfest zurückgeht?
Wird das von Bergoglio jetzt alles als „nostalgisch“ bzw. als „Irrlehre“ verurteilt?
Nein. Die allgemeine, öffentliche Offenbarung, die alles Heilsnotwendige enthält, ist tatsächlich in Jesus Christus und mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen. Das ist vollkommen traditionelle Lehre. Phänomene, wie Sie sie nennen, bewegen sich im Bereich des Möglichen. Ihre Authentizität erweist sich gerade in ihrer Übereinstimmung mit dem Offenbarungsgut. Sie können also nichts enthalten, was diesem widerspricht oder auch nur darüber hinausgeht. Deswegen kann nichts ausschlaggebend sein, was zB lediglich eine bestimmte zusätzliche Andachtsübung ist, wie zB eine Russlandweihe.
„Die Offenbarung, so der Papst, sei jedoch mit dem Neuen Testament abgeschlossen“.
Dieser Satz ist fürwahr ungeheuerlich aus dem Munde eines Papstes – Protestantismus in Reinkultur. Damit werden nicht nur beträchtliche katholische Glaubenswahrheiten über Bord geworfen, im Grunde ist der Satz sogar wider die Schrift. Wie steht es denn um das darin angekündigte zweite Kommen des Messias, um die Errichtung des Messianischen Reiches? Alles keine „Offenbarungen“?
Mit Christus und den Aposten wurde die allgemeine Offenbarung abgeschlossen. Papst Pius X. verwarf im Gegensatz zu der liberal-protestantischen und modernistischen Lehre von der Fortbildung der Religion durch deue „Offenbarungen“ den Satz: „Die Offenbarung, die den Gegenstand des katholischen Glaubens ausmacht, wurde nicht mit den Aposteln abgeschlossen.“ (D 2021). Daß nach Christus bzw. den Aposteln, die die Botschaft Christi verkünden, keine Ergänzung der Offenbarungswahrheit mehr zu erwarten ist, ist klare Lehre der Hl. Schrift und der Tradition.
40 000 Botschaften…40 000 in MeÄ‘ugorje?!
Die meisten Herzegowiner selbst glauben nicht mehr daran.
Frere Michel de la Sainte Trinite hatte doch recht: alles nur, damit man Fatima vergisst und damit die Russlandweihe nicht vollzogen wird!
Sehr gut moglich!